Wir lachen über sie im Kino

DDR-Spione: SO waren die Kundschafter des Friedens wirklich

Im Kino feiert die Agentenkomödie „Kundschafter des Friedens 2“ gerade Premiere. Doch so spaßig waren die Auslandsspione der Stasi in Wahrheit nicht.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Ein Mann observiert mit einer Kamera ein Grundstück.
Ein Mann observiert mit einer Kamera ein Grundstück.imagebroker/imago

Sie spionieren wieder im Kino: Die „Kundschafter des Friedens“, gespielt von den Ost-Stars Henry Hübchen, Winfried Glatzeder, Katharina Thalbach und Corinna Harfouch. Im zweiten Teil dieser Filmkomödie wollen die abgehalfterten DDR-Agenten auf Kuba die Welt retten. Das klingt nach Klamauk und viel Spaß, den es in Wahrheit bei den Spionen der DDR-Staatssicherheit nicht gab. Daher stellt sich die Frage: Wie waren die „Kundschafter des Friedens“ wirklich?

Die gefürchtete Stasi: Im Februar 1950 wurde sie gegründet. Ihr Hauptziel war nicht nur die Überwachung der DDR durch das Bespitzeln des eigenen Volkes. Es galt auch, den „Klassenfeind“ im westlichen Ausland zu bekämpfen. Denn dort waren laut DDR- und Sowjetpropaganda die Mächtigen des Kapitals und damit die Feinde des Weltfriedens zu Hause.

Thomas Thieme, Corinna Harfouch, Henry Hübchen, Winfried Glatzeder und Alberto Ruano (v.l.) bei der Premiere von „Kundschafter des Friedens 2“ im Berliner Kino Colosseum
Thomas Thieme, Corinna Harfouch, Henry Hübchen, Winfried Glatzeder und Alberto Ruano (v.l.) bei der Premiere von „Kundschafter des Friedens 2“ im Berliner Kino ColosseumFuture Image/imago

Daher nannte man die Stasi-Agenten, die im westlichen Ausland agierten, Kundschafter des Friedens. Mit dieser Bezeichnung wollte die Staatssicherheit sich vor allem gegenüber der DDR-Bevölkerung von den negativ besetzten Begriffen Agenten und Spione absetzen und damit von einem Schnüffler-Image wegkommen. Kundschafter für den Frieden zu sein – das klang moralisch sauber.

1951 wurde zum Zweck der Auslandsspionage beim Ministerium für Staatssicherheit die Hauptverwaltung A (HVA) gegründet. Haupteinsatzgebiet der Agenten war die Bundesrepublik, ihr berühmtester Mann: Markus Wolf. Der Sohn des Arztes und Autors Friedrich Wolf („Die Weihnachtsgans Auguste“) wurde damals mit 29 Jahren Chef des Auslandgeheimdienstes.

In seiner Amtszeit (bis 1986) baute Markus Wolf ein weltweites Agentennetz mit 4600 hauptamtlichen Mitarbeitern auf. Allein 500 Spione und mehr als 10.000 inoffizielle Mitarbeiter – also Kundschafter des Friedens – waren für die Stasi in der Bundesrepublik Deutschland tätig.

Kundschafter des Friedens: Chefspion Markus Wolf baute die Stasi-Auslandsspionage auf

Bespitzeln der Bundesregierung, bundesdeutscher Behörden, selbst beim Bundesnachrichtendienst und im Nato-Hauptquartier arbeiteten die DDR-Auslandsspione. Es galt nicht nur militärische Pläne zu erkunden. Auch Wirtschaftsunternehmen wurden von den Kundschaftern des Friedens ausspioniert.

Das Verbreiten von Falschinformationen gehörte ebenfalls zu ihren Aufgaben. So verbreiteten Stasi-Leute eine vom sowjetischen Geheimdienstes KGB erarbeitete wissenschaftliche Studie im Westen, nach der angeblich das Aids-Virus in einem amerikanischen Militärlabor entwickelt wurde.

Markus Wolf war bis 1986 Chef der Auslandsspionage der Stasi.
Markus Wolf war bis 1986 Chef der Auslandsspionage der Stasi.Wolfgang Maria Weber/imago

Diese Studie klang so echt, dass sie im Westen nicht nur Wissenschaftler glaubten. Sogar der Bestsellerautor Johannes Mario Simmel hielt diese These für wahr, verwendete sie in den 80er-Jahren für seinen Thriller „Doch mit den Clowns kamen die Tränen“.

Zu den berühmtesten Kundschaftern des Friedens gehörten Günter Guillaume und dessen Frau Christel. Günter Guillaume wurde 1927 in Berlin geboren und war 1956 als angeblicher Flüchtling mit seiner Frau Christel aus der DDR nach Frankfurt am Main übergesiedelt. Tatsächlich waren beide im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit unterwegs, Decknamen „Hansen“ und „Heinze“. Sie eröffneten einen Tabakladen und traten auftragsgemäß in die SPD ein.

Kundschafter des Friedens: DDR-Spion Günter Guillaume bespitzelte Kanzler Willy Brandt

Günter Guillaume managte den Wahlkampf des SPD-Verkehrsministers Georg Leber und erhielt daraufhin Lebers Empfehlung für einen Referentenposten im Kanzleramt. Guillaumes DDR-Vergangenheit, Ungereimtheiten bei der Sicherheitsüberprüfung und selbst Geraune über seine Mittelmäßigkeit stoppten den Mann nicht.

Im Oktober 1972 stieg er zum persönlichen Referenten des Bundeskanzlers Willy Brandt auf. Doch schon im Mai 1973 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz konkrete Verdachtsmomente gegen Guillaume. Man war ihm auf der Spur, fast ein Jahr vor seiner Verhaftung in der Wohnung an der Ubierstraße in Bonn-Bad Godesberg.

Bundeskanzler Willy Brandt und Günter Guillaume (r.), der Stasi-Spion im Bundeskanzleramt: Das Foto entstand 1973 auf dem SPD-Bundesparteitag in Hannover.
Bundeskanzler Willy Brandt und Günter Guillaume (r.), der Stasi-Spion im Bundeskanzleramt: Das Foto entstand 1973 auf dem SPD-Bundesparteitag in Hannover.Harald Schmitt/imago

Trotzdem konnte der Stasi-Spion noch im Sommer 1973 mit den Brandts in den Urlaub nach Norwegen fahren und hantierte dort mit geheimen Dokumenten. Als im Frühjahr 1974 der Druck wuchs, dem Kundschafter des Friedens das Handwerk zu legen, schlugen die bundesdeutschen Ermittler zu. Guillaume enttarnte sich selbst, als er im Morgenmantel der Polizei die Tür öffnete. Er sei „Bürger der DDR und ihr Offizier“, sagte der damals 47-Jährige bei der Festnahme.

Die Guillaume-Affäre hatte Folgen: Am 6. Mai 1974 trat Willy Brandt vom Amt des Bundeskanzlers zurück. Günter und Christel Guillaume wurden 1975 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, aber 1981 im Austausch gegen Bundesbürger in die DDR entlassen.

Stasi-Minister Erich Mielke empfing sie wie Helden: „Euer Auftrag, für die Sache des Sozialismus und des Friedens bis zur letzten Möglichkeit zu kämpfen, wurde ehrenvoll erfüllt.“ Günter Guillaume starb 1995. Christel ließ sich noch 1981 scheiden und starb 2004 in Berlin.

Auch die Defa und das DDR-Fernsehen bejubelten die Kundschafter des Friedens. „For Eyes Only (Streng geheim)“ hieß der Spionage-Kinofilm von 1963, in dem Alfred Müller als Stasi-Agent angebliche Kriegspläne der Nato enthüllt.

Populärer wurde in den 70er-Jahren die TV-Serie „Das unsichtbare Visier“ mit Armin Mueller-Stahl in der Hauptrolle. Mit der Serie sollte das Stasi-Image bei der DDR-Bevölkerung aufpoliert werden. Die Titelmusik, geschrieben von Walter Kubiczeck, war auch im ersten Teil des Kinofilms „Kundschafter des Friedens“ (2017) zu hören. Die Fortsetzung kommt am 23. Januar in die Kinos. ■