Prüder Osten?

Verboten: Pornos in der DDR – so lief es mit Sex und Erotik wirklich

Vor 50 Jahren wurde in der Bundesrepublik das Pornografie-Verbot aufgehoben. Doch was passierte in der DDR? Jungfräulich im öffentlichen Umgang mit Sex und Erotik war man garantiert nicht.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Freizügig zeigte man sich in der DDR schon: so wie hier Sängerin Tina Daute („Oh mi amore“).
Freizügig zeigte man sich in der DDR schon: so wie hier Sängerin Tina Daute („Oh mi amore“).Gueffroy/imago

FKK war Kult, und auch sonst zeigte man sich freizügig: Trotzdem war der Westen dem Osten in der sexuellen Revolution um Jahre voraus. 1975 wurde in der alten Bundesrepublik das Pornografieverbot aufgehoben. In der DDR blieb es bis zum Ende des SED-Staates bestehen. Dennoch waren die Menschen zwischen Rügen und Thüringer Wald alles andere als prüde. Jungfräulich im öffentlichen Umgang mit Sex und Erotik war die DDR garantiert nicht.

Laut Definition bedeutet Pornografie die Darstellung der menschlichen Sexualität beziehungsweise des Geschlechtsaktes, die in ihrer Grundrichtung  die in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt ist. So versachlicht kann man es sehen. Oder man schaut sich die Milliarden von Porno-Clips im Internet an, damit man weiß, was gemeint ist.

Pornografische Dinge in bildlicher oder schriftlicher Darstellungen und deren Verbreitung war ab Ende Januar 1975 in der Bundesrepublik erlaubt. Und in der DDR? Da galt noch bis 1990 der Pornografie-Paragraf 125 im Strafgesetzbuch.

„Wer pornografische Schriften oder andere pornografische Aufzeichnungen, Abbildungen, Filme oder Darstellungen verbreitet oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich macht, sie zu diesem Zwecke herstellt, einführt oder sich verschafft, wird mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft“, heißt es darin.

Porno-Verbot im Osten: So unterwanderten DDR-Bürger das Gesetz

Und was machten so manche DDR-Bürger? Genau das, was eigentlich verboten war! Zwar waren in der sozialistischen Weltanschauung nackte Körper nicht gerade verpönt. Aber deren „aggressiver Zurschaustellung“ zur Befriedung von Sexlust hatte im SED-Staat nun offiziell gar nichts zu suchen. Und so entstanden im Geheimen die Pornos made in GDR.

Wie das genau vor sich ging, wurde unter anderem vor Jahren in einer Doku des MDR-Fernsehens gezeigt. Filmemacher Lutz Rentner („Pornografie made in GDR“): „In Ost-Berlin wurden Amateurpornos produziert, aber auch woanders. Das waren Privatpersonen, die nicht vernetzt waren.“ Der DDR-Bürger drehte aber nicht nur harte Sachen, sondern auch Erotikfilme.

Diese Filmchen wurde so gedreht, wie man sich im Osten so einen Porno vorstellte. Viel oben ohne, Geschlechtsteile, ein bissel Sex im heimischen Schlafzimmer oder in der freien Natur – auch Büros sollen nach Feierabend als Drehorte gedient haben.

Das Hauptproblem: Die Filme entstanden auf Schmalfilm. Sie zu entwickeln und zu kopieren – da mussten Amateurfilmer ran, die die entsprechende Ausrüstung dafür besaßen. Offiziell einen belichteten Film in der Drogerie in der DDR entwickeln zu lassen, hätte strafrechtliche Folgen gehabt.

Nach dem Mauerfall gab es keine Tabus: Zahnarzthelferin Anja Kossak wurde im Januar 1990 das erste DDR-Playmate  im Playboy – dem berühmtesten Männermagazin der Welt.
Nach dem Mauerfall gab es keine Tabus: Zahnarzthelferin Anja Kossak wurde im Januar 1990 das erste DDR-Playmate im Playboy – dem berühmtesten Männermagazin der Welt.Gueffroy/imago

Also wurden die heißen Filmchen und auch die heißen Sexfotos in den sogenannten Filmzirkeln entwickelt. Und diese waren es auch, die sich auf die in der DDR illegale Porno- und Erotikfilm-Produktion spezialisierten.

Nicht nur die Amateurfilmzirkel in den Volkseigenen Betrieben oder Kulturhäusern zeigten sich freizügig, drehten Pornos statt Filme über den sozialistischen Alltag. Auch Filmklubs der NVA sollen heimlich erotische Filmchen gedreht haben.

Porno-Filme in der DDR: Darsteller über Zeitungsannonce

Die Darsteller fand man offenbar leicht. Entweder waren die Filmemacher samt Ehefrauen und Freundinnen vor der Kamera bei der Sache. Oder man suchte Gleichgesinnte.  In Fotomagazinen sollen sich per Annonce DDR-Bürger etwa zum Gruppensex verabredet haben, den man dann auf Film festhielt. In der Szene kursierten dazu Codewörter wie „FKK“.

Aufgeführt wurden die Filme, die die Amateurfilmemacher schufen,  allerdings nicht im Geheimen. In der MDR-Doku berichteten damals Zeitzeugen, wie diese Pornos und Erotikfilmchen sogar auf Betriebsfesten gezeigt wurden.

Auch sie geizte nicht mit Reizen: Tänzerin Sylvia Franke, die in der DDR als Schlangenfrau „Miss Albena“ bekannt war.
Auch sie geizte nicht mit Reizen: Tänzerin Sylvia Franke, die in der DDR als Schlangenfrau „Miss Albena“ bekannt war.Gueffroy/imago

Daher musste sich die Stasi auch nicht viel Mühe geben, die auch die DDR-Pornoszene ausspionierte. Und man machte auch einen großen Fang.  So florierte in den 80er-Jahren in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) ein Händlerring mit Porno- und Erotikbildern. Dem MfS gelang es, die Leute ausfindig zu machen. Mit der Bestrafung war es dann doch schwierig: Zu den Beschuldigten gehörten NVA-Mitglieder und SED-Genossen.

Dabei brauchte man in der DDR gar nicht einmal die illegalen heißen Fotos und Filmchen, die man sich sogar aus dem Westen besorgte – als Schmugglerware. Die DDR-Grenzer erfreuten sich oft über die Funde, die sie an den Grenzübergängen bei den Kontrollen der Westdeutschen machten. Manche dieser Porno-Hefte stammten möglicherweise sogar aus DDR-Produktion.

Noch immer gibt es die Gerüchte, dass Pornohefte, die im Westen etwa an Tankstellen an Fernfahrer verkauft wurden, aus dem Osten stammten. Belegt ist aber, dass etwa Kartenspiele, auf deren Rückseiten nackte Frauen zu sehen waren, schon in der DDR hergestellt wurden. Schließlich gab es diese Skat-Karten auch im Osten zu erwerben – natürlich als Bückware.

Erotik in der DDR: Viele Fotos und Filme waren legal

Mangel an guten erotischen Fotos gab es nie. Viele DDR-Fotografen waren wahre Meister der Aktfotografie. Manche Bilder fanden sich auch in DDR-Zeitschriften wie „Das Magazin“, „Neues Leben“ oder auf der legendären „Funzel“-Rückseite, die alle vier Wochen im DDR-Satire-Magazin „Eulenspiegel“ erschien.

Leicht erotische zeigten sich übrigens auch so manche Sängerinnen auf Plattencovers. Und viel nackte Haut gab es im Friedrichstadt-Palast zu sehen. Vor allem in den 80er-Jahren war dort das Publikum begeistert, als die Palast-Stars Kristina Merkel und Rainer Gens ihre erotischen Tänze zeigten.

Erotik pur: Kristina Merkel und Rainer Gens waren zu DDR-Zeiten die Tanz-Stars des Friedrichstadt-Palastes.
Erotik pur: Kristina Merkel und Rainer Gens waren zu DDR-Zeiten die Tanz-Stars des Friedrichstadt-Palastes.Gueffroy/imago

Selbst im Film war nackte Haut oft zu sehen. Etwa „Hostess“ (1976), der durch seine Nacktszenen viel Aufmerksamkeit erregte und die Menschen ins Kino lockte. In den 80er-Jahren erfreute das DDR-Fernsehen seine Zuschauer mit der französischen Serie „Erotisches zur Nacht“, die zur späten Stunde gezeigt wurde.

Wie Soft-Pornos made in West-Germany waren, konnten so manche DDR-Zuschauer erleben, als Mitte der 80er Jahren Sat.1 und RTLplus im Westen Deutschlands auf Sendung gingen. Wer im Osten Glück hatte, diese Privatsender zu enpfangen, konnten ebenfalls zur sehr späten Stunden dort Filme sehen, in denen aus der Lederhose nur so gejodelt wurde.

Diese Streifen boten so manche Überraschung: So staunte man als Zuschauer nicht schlecht, dass in diesen Streifen selbst „Traumschiff“-Star Sascha Hehn und Liedermacher Konstantin Wecker zu erleben waren. ■