Was passierte wirklich?

DDR-Fußball-Legende: Was passierte mit Lutz Eigendorf? Ist er ein DDR-Mord-Opfer?

Er war ein gefeierter Fußball-Star. Doch DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf hatte nicht nur Freunde - vor allem auf politischer Ebene.

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DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf flüchtete aus der DDR in den Westen.
DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf flüchtete aus der DDR in den Westen.IMAGO / Rust

Er war jung, talentiert und ein Hoffnungsträger des DDR-Fußballs. Doch Lutz Eigendorf wollte mehr. Mehr als die rigide Sportpolitik der DDR, mehr als das Leben hinter der Mauer. Seine Flucht in den Westen machte ihn zur Persona non grata für das SED-Regime – und vielleicht sogar zum Ziel eines mörderischen Komplotts. Bis heute bleibt sein Tod im Jahr 1983 ein ungelöstes Rätsel. War es wirklich ein Unfall? Oder hatte die Stasi ihre Hände im Spiel? Was passierte mit DDR-Fußball-Held Lutz Eigendorf vom BFC Dynamo?

Lutz Eigendorf wurde 1956 in Brandenburg geboren und entwickelte sich schnell zu einem der besten Defensivspieler der DDR. Seine Karriere beim BFC Dynamo, dem Prestige-Club von Stasi-Chef Erich Mielke, schien vorgezeichnet. Doch 1979 entschied sich Eigendorf für einen riskanten Schritt: Nach einem Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern floh er in die Bundesrepublik. Ein Affront, den das DDR-Regime nicht verzeihen würde.

DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf kam bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben.
DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf kam bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben.IMAGO / Rust

DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf: War es wirklich ein Unfall?

Im Westen angekommen, wurde Eigendorf zum Bundesligaprofi und spielte zunächst für Kaiserslautern, später für Eintracht Braunschweig. Doch seine Vergangenheit verfolgte ihn. Die Stasi hatte es auf ihn abgesehen. Dokumente belegen, dass sie versuchte, ihn mit Spionen zu umgarnen. Eigendorf selbst wusste um die Gefahr. „Er hat immer gedacht, dass die [Stasi] versuchen könnten, ihn zurückzuholen mit aller Macht. Er hatte Angst“, erinnerte sich seine zweite Ehefrau Josi Eigendorf später in einem Interview.

Am Abend des 5. März 1983 sitzt Eigendorf mit seinem Fluglehrer Manfred Müller in der Kneipe „Cockpit“ in Braunschweig. Er soll dort nur ein, zwei Bier getrunken haben. Doch kurz nach 23 Uhr rast sein Sportwagen mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum. Im Blut des Spielers werden 2,2 Promille Alkohol nachgewiesen. Zwei Tage später stirbt er an seinen Verletzungen. Offiziell ein tragischer Unfall – doch viele Zweifel bleiben.

Nach dem Tod von DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf kam immer wieder die Frage auf, ob er ein DDR-Mord-Opfer war.
Nach dem Tod von DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf kam immer wieder die Frage auf, ob er ein DDR-Mord-Opfer war.IMAGO / Rust

Historiker und Journalisten, die den Fall untersucht haben, stoßen auf alarmierende Hinweise. So fehlt in den Akten jeglicher Nachweis einer vollständigen Obduktion. Auch das Unfallauto wurde offenbar nie richtig untersucht. „Die Staatsanwaltschaft hat sich nie richtig dafür interessiert“, kritisierte der Journalist Heribert Schwan. Er fand in Stasi-Unterlagen einen beunruhigenden Vermerk: „Verblitzen, Eigendorf.“

Stasi-Akte von DDR-Fußball-Legende Lutz Eigendorf: „Gifte, Gase“ und „Narkosemittel“

„Verblitzen“ war ein Begriff aus dem Stasi-Jargon für eine Methode, um Autofahrer mit plötzlichem, grellem Licht zu blenden und so Unfälle zu provozieren. Genau das könnte bei Eigendorf geschehen sein. Auch der ehemalige Oberstaatsanwalt von Braunschweig, Hans-Jürgen Grasemann, gab später zu: „Der Verdacht hat uns nie losgelassen, dass die Staatssicherheit doch ihre Hände im Spiel gehabt haben könnte.“

Besonders brisant: Die Stasi hatte angeblich bereits Vergiftungspläne gegen Eigendorf in Erwägung gezogen. In Akten tauchen Begriffe wie „Gifte, Gase“ und „Narkosemittel“ auf – direkt in Verbindung mit seinem Namen. Für Jörg Berger, selbst DDR-Flüchtling und späterer Bundesliga-Trainer, steht fest: „Das war kein Unfall, das war zu 95 Prozent Mord.“

Fußball-Star Lutz Eigendorf als Zielscheibe der DDR-Geheimdienste?

Doch warum sollte ausgerechnet Lutz Eigendorf zur Zielscheibe der DDR-Geheimdienste werden? Die Sporthistorikerin Jutta Braun glaubt: „Das Besondere am Fall Eigendorf ist, dass er Spieler beim BFC Dynamo war – das war bekanntermaßen der Lieblingsklub von Mielke.“ Erich Mielke galt als äußerst empfindlich, wenn es um seinen Verein ging. Die Flucht Eigendorfs könnte er als persönliche Demütigung empfunden haben.

2011 prüfte die Berliner Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Das Fazit: „Keine objektiven Hinweise auf ein Fremdverschulden.“ Doch viele der Stasi-Akten zum Fall Eigendorf waren zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden. Was wirklich in jener Nacht geschah, wird vielleicht für immer im Dunkeln bleiben. War Lutz Eigendorf ein Opfer der Stasi? Oder doch nur ein Mann, der an jenem Abend zu tief ins Glas geschaut hat? Seine Geschichte bleibt ein Mahnmal für die dunklen Machenschaften des DDR-Regimes – und ein nie gelöstes Mysterium des deutschen Fußballs.