Die Ruine in der Burgsdorfstraße 1 im Wedding bröckelt schon seit Ewigkeiten vor sich hin. Seit acht Jahren ist die Straße vor dem Haus gesperrt, weil es akut einsturzgefährdet ist. Nun soll das Haus endlich abgerissen werden. Doch Tierschützer sorgen sich um die Vögel und Fledermäuse, die längst in der Ruine Quartier gefunden haben. Immer wieder heißt es in der Stadt Naturschutz vs. Bauen. Wie lässt sich endlich eine verträgliche Lösung finden?
Wiebke Mollenhauer, die hauptberuflich am Deutschen Theater als Schauspielerin auf der Bühne steht, sucht diese Bühne eigentlich nicht. Ehrenamtlich und ohne Öffentlichkeitsarbeit engagiert sich die 40-Jährige für die Tiere in der Stadt. Besonders ein verträgliches Taubenmanagement liegt ihr am Herzen. Regelmäßig sucht sie mit einer hohen Leiter Nester auf und tauscht unbebrütete Eier gegen Kunsteier. So soll die Tauben-Population auf einem gesunden Level gehalten werden.
Dass auch in der Ruine in der Burgsdorfstraße noch Tauben und andere Vögel brüten könnten, lässt sie nicht los. „Wenn das Haus demnächst abgerissen wird, wird es unzählige Tiere in sich begraben“, fürchtet Mollenhauer und mit ihr weitere Tierschützer.
Schreckens-Szenario: Zermalmte Eier und Küken
Den Abriss des Hauses wolle sie gar nicht verzögern, so Wiebke Mollenhauer. „Und ich würde auch nichts sagen, wenn eine vorherige Sicherung der lebenden Tiere nicht möglich wäre.“ Doch eine solche Sicherung ist möglich, ist die Tierschützerin überzeugt. Eier, Nester und Küken von Tauben, die das ganze Jahr über brüten, würden bei einem Abriss einfach zermalmt.
Um das zu verhindern, hat Mollenhauer einen Drohnenpiloten gefunden, der sich vor Ort in den Räumen des Hauses, das seit Jahren unbewohnbar ist, einen Überblick verschaffen könnte. Nicht nötig, finden die Behörden. Aus dem Bezirksamt Mitte heißt es auf KURIER-Anfrage, dass bereits zwei Gutachten zum Artenschutz erstellt wurden, denen zufolge ursprünglich Haussperlinge und Mauersegler sowie vermutlich Fledermäuse festgestellt wurden. „Infolge des Endes der Brutzeit sind nun inzwischen keine fliegenden Populationen mehr im Gebäude feststellbar, was das letzte artenschutzrechtliche Gutachten bestätigt.“ Man habe das wegen der Einsturzgefahr an mehreren Terminen von außen beobachtet.

Doch Wiebke Mollenhauer sieht immer wieder, wie Vögel durch die Fenster ein und aus fliegen. Sie filmt die Vögel um das zu beweisen. Auch eine Vergrämungsfirma hat sie organisiert, die etwa noch vorhandene Nestlinge, Küken und Eier einsammeln könnte. Alles zusammen würde etwa 1800 Euro Kosten. „Ich habe allen verantwortlichen Stellen gesagt, dass ich diese Kosten übernehmen würde“, so Wiebke Mollenhauer. Doch von den zuständigen Behörden wird sie vertröstet und von einer Stelle an die nächste verwiesen.
Wiebke Mollenhauer hat der unteren Naturschutzbehörde, dem Veterinäramt, dem Facility Management, der Tierschutzbeauftragten des Senats Vorschläge gemacht. „Die Firma wäre bereit, die Drohnenpiloten wären bereit. Mir und Kollegen wurde mehrfach von verschiedenen Leuten bestätigt, dass Bau- und Security Leute das Gebäude betreten“, sagt sie. Erst vor kurzem seien Kameras im Inneren aufgestellt worden um zu erkennen, ob Obdachlose in dem Haus Unterschlupf suchen. „Doch der Eintritt von Tierschützern, Vergrämungsfirmen, oder Drohnen zur Rettung der Tiere, vor allem, der Jungtiere, die nicht selbst flüchten können, wird nicht erlaubt.“ Es sei frustrierend, dass sich keine Behörde zuständig fühle. Auch das Schreiben einer Anwältin sei bisher ignoriert worden.
Weitere Verzögerung bei Abriss wegen Artenschutz?
Schon einmal wurde der Abriss des Hauses in der Burgsdorfstraße, das einer älteren Dame gehört, die sich seit Jahren nicht um die Immobilie kümmert, wegen artenschutzrechtlichen Einwänden gestoppt.Spätestens seitdem hätte man einen Abriss besser planen können, so Mollenhauer. Neben Haussperlingen wurden auch damals Mauersegler und Zwergfledermäuse nachgewiesen. Ein Abriss während der Brutzeit wurdeschließlich nicht durchgeführt. Doch diese Schutzfrist endet für geschützte Vögel im Oktober. Tauben fallen allerdings nicht unter diese Regelung, sie sind allerdings durch das Tierschutzgesetz geschützt.
Aus dem Bezirksamt Mitte heißt es auf KURIER-Anfrage, wann der Abriss beginnen soll: „Der Rückbau des Gebäudes wird nach Vorliegen der artenschutzrechtlichen Genehmigung seitens der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, in Abstimmung mit der beauftragten Baufirma, schnellstmöglich beginnen.“
Drohne soll Tauben und andere Vögel vertreiben
Um Vögel und Fledermäuse zu vergrämen, wird die „Baufirma (…) vor Beginn der Rückbauarbeiten das Gebäude mehrmals mit einer Drohne von außen befliegen, so dass durch die Geräuschentwicklung noch vorhandene fliegende Populationen vergrämt werden.“

„Ich verstehe, dass Anwohner und andere Menschen, den Aufwand kritisieren, der von einigen Menschen für ein paar Tiere in der Stadt betrieben wird“, sagt Wiebke Mollenhauer. Doch das Problem trete in Berlin immer wieder auf und müsste grundsätzlich gelöst werden. „Nur weil wir der Verantwortung für die Tiere nicht schon früher nachgekommen sind, heißt das nicht, dass wir nun, wo es kompliziert wird, daraus entlassen wären“, sagt sie.
Auch verstehe sie, dass den meisten Menschen Tauben egal seien. Dennoch haben die Tauben keinen anderen Lebensraum als die Stadt. Stadttauben, Nachfahren domestizierter Brieftauben und als Nahrungsmittel gezüchteter Tauben sind auf Menschen und ihren Lebensraum in der Stadt angewiesen. Mit Wildtauben verpaaren sie sich nicht.
Es sind also menschengemachte Nachbarn, die nun einmal da sind. „Es nützt nichts, das Problem zu verdrängen, es führt lediglich dazu, dass es immer wieder auftauchen und Konflikte verursachen wird“, sagt Wiebke Mollenhauer. Und hofft, dass sich im grundsätzlichen Umgang mit den Tieren endlich etwas ändert.