Urabstimmung und Schlichtung

Verdi-Geheimnistuerei um Dauerstreik: Was läuft da bei der BVG?

Kein Streik mehr bei der BVG – dank der Schlichtungsverhandlungen. Doch es brodelt. Die Urabstimmung endet, ein Dauerstreik zu Ostern droht. KURIER erklärt, was gerade hinter den Kulissen läuft.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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750 Euro mehr im Monat: Die Forderungen von Verdi für die BVG-Beschäftigten ist klar und deutlich. Ein Dauerstreik droht.
750 Euro mehr im Monat: Die Forderungen von Verdi für die BVG-Beschäftigten ist klar und deutlich. Ein Dauerstreik droht.Michel Winde/dpa

Halbzeit in der streikfreien Zeit bei der BVG. Seit einer Woche läuft die Schlichtung in dem Tarifstreit. Bis zum 10. April soll noch verhandelt werden. So lange haben die Berliner Ruhe vor einem Ausstand, solange werden die Busse, Straßen- und U-Bahnen garantiert rollen. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Denn ausgerechnet in der Schlichtung-Halbzeit endet jetzt am 4. April die Urabstimmung zum Dauerstreik.

Den letzten Warnstreik haben wir noch gut in Erinnerung. 48 Stunden fuhr in der Vorwoche fast gar nichts mehr bei der BVG. Zuvor hatte Verdi die Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite scheitern lassen. Der Knackpunkt: Verdi forderte 750 Euro mehr Monatsgehalt für die 16.600 BVG-Beschäftigten. Die BVG will die Summe nicht zahlen.

Der 48-Stunden-Streik war noch nicht ganz beendet, da kündigten am 27. März Verdi und BVG die Schlichtungsverhandlungen an. Die einstigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (Brandenburg, SPD) und Bodo Ramelow (Thüringen, Linke) sollen für eine Einigung sorgen. Bis zum 10. April haben sie Zeit, in der es keine Streiks geben darf.

Dennoch schert Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt aus der Reihe. Zwar sagt er: „Es ist gut, dass wir mit Unterstützung der Schlichter jetzt versuchen, eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln, was die Arbeit der BVG-Beschäftigten heute wert sein sollte.“ Auf der anderen Seite bläst er zum „Rambazamba“-Tanz und startet  trotz Schlichtung die Urabstimmung zum unbefristeten Streik unter den Verdi-Mitgliedern bei der BVG.

75 Prozent müssen zustimmen, damit es zu einem Dauerstreik bei der BVG noch zu Ostern kommt, sollten die Schlichtungsverhandlungen scheitern. Doch welches Ergebnis auch immer am Freitag (4. April) vorliegen wird: Die sonst so wortgewaltige Gewerkschaft Verdi wird darüber schweigen.

Verdi-Landessprecher Kalle Kunkel erklärte dem KURIER: „Das Ergebnis wird nur betrieblich bekanntgegeben.“ Auch über den jetzigen Stand oder zur Stimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern bei der BVG will der Sprecher nichts sagen.

Mit Rauchtöpfen demonstrieren Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe vor dem Roten Rathaus. Sie sind kampfbereit. Ein Dauerstreik ist sicher, sollte die Schlichtung scheitern.
Mit Rauchtöpfen demonstrieren Beschäftigte der Berliner Verkehrsbetriebe vor dem Roten Rathaus. Sie sind kampfbereit. Ein Dauerstreik ist sicher, sollte die Schlichtung scheitern.Michel Winde/dpa

Die Geheimnistuerei von Verdi zu der Dauerstreik-Abstimmung hat einen guten Grund. Offenbar möchte die Gewerkschaft die Schlichtungsgespräche am 4. April nicht mit der Nachricht über eine mögliche Zustimmung für einen unbefristeten Arbeitskampf belasten.

Geheimnistuerei um Dauerstreik bei BVG: Ist das sie Taktik der Gewerkschaft?

Jedenfalls soll die Nachricht nicht von Verdi öffentlich verkündet werden. Das wäre taktisch unklug, dies könnte schlimmstenfalls zum Scheitern der Schlichtung führen. Und dann geht das ganze Theater mit den Tarifverhandlungen von vorne los – mit einem Dauerstreik als Zugabe.

Verdi weiß aber auch, dass das Ergebnis der Urabstimmung nicht lange geheim bleiben kann. Aus den Reihen der BVG-Beschäftigten könnte es ganz schnell nach außen dringen. Kommt es zu diesem „Zufall“, wäre Verdi fein raus.

Und die Gewerkschaft hätte sogar einen Vorteil, könnte mit der Ergebnis-Nachricht (ohne sie öffentlich verkündet zu haben) sogar noch Druck auf die Schlichtung ausüben, um ihr Ergebnis am Ende zu erreichen. Das geht aber nur, wenn es ein Votum für einen Dauerstreik gibt. Und das gilt als sehr sicher.

Die Verdi-Geheimnistuerei um das Ergebnis der Urabstimmung: Auch die BVG-Arbeitgeberseite und ihr Schlichter Matthias Platzeck gehen davon aus, dass das Votum in Richtung Dauerstreik gehen kann.

Um diesen zu verhindern, wird man Zugeständnisse machen. „Am Ende bekommt Verdi die geforderten 750 Euro mehr Monatsgehalt für die BVG-Belegschaft – nur über einen größeren Zeitraum verteilt und nicht in einem Gesamtpaket“, sagt ein Insider.

Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt und BVG-Persomalchefin Jenny Zeller-Grothe
Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt und BVG-Persomalchefin Jenny Zeller-GrotheJens Kalaene/dpa

Der Insider ist sicher: Verdi wird zustimmen. Denn die Gewerkschaft weiß auch, dass sie mit einem Dauerstreik sich bei den Berlinern beliebt macht. Allerdings: Mit einer Zustimmung zu einer Kompromisslösung würde Verdi möglicherweise auch Probleme mit ihren Mitgliedern bekommen.

Denn diese wollen 750 Euro mehr pro Monat – und das auf einen Schlag. Daher sind sie auch bereit, in einen Dauerstreik zu gehen. Für die Belegschaft wäre eine Zustimmung eines Kompromisses ein Einknicken der Gewerkschaft. Für Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt wäre es ein Imageverlust, der so vollmundig tönte, es würde „Rambazamba“ geben.

Ein „Aktionskomitee Verkehrsarbeiter“ versucht gerade, Stimmung in der Belegschaft gegen Verdi zu machen. „Es gibt viele Anzeichen, dass Verdi hinter unserem Rücken bereits … bereit ist, einem Ergebnis zuzustimmen, das mit unseren Forderungen nichts zu tun hat“, heißt es in einer Mitteilung an die Kollegen. „Wir wollen nochmal daran erinnern, dass unsere Forderung nach 750 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von 12 Monaten nach jahrelanger Reallohnsenkung das Minimum ist.“

Welches Klima derzeit bei der Schlichtung herrscht, darüber kann man nur spekulieren. Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite haben Stillschweigen vereinbart. Bevor nicht ein Ergebnis bis zum 10. April da ist, wird es keine öffentlichen Statements geben.