Am Dienstagmorgen legte ein Brandanschlag die Stromversorgung in einigen Ortsteilen im Südosten von Berlin lahm: 43.000 Haushalte und 7000 Firmen waren zunächst betroffen. Am Mittwoch hatte etwa die Hälfte wieder Strom. Eine Gruppe „Anarchist:innen“ bekannte sich auf einer linksradikalen Website zu der Tat. Ziel sei gewesen, Firmen im Technologiepark Adlershof zu treffen, da diese mit Rüstung zu tun hätten. Stromnetz Berlin arbeitet an der Schadensbehebung.
Stromausfall in Berlin: Wie ist der Stand der Ermittlungen?
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte nach dem Anschlag und dem Blackout-Chaos: „Wir kriegen euch!“ Doch laut Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es noch keine Festnahmen. „Zu konkreten Ermittlungen können aus ermittlungstaktischen Gründen keine Informationen mitgeteilt werden“, so die Staatsanwaltschaft. Ermittelt werde wegen Brandstiftung, Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe im besonders schweren Fall.
In linksradikalen Kreisen wird spekuliert, ob die Verfasser des Bekennerschreibens identisch mit den Tätern sind. Die Seite, auf der das Schreiben erschien, hat jedoch häufiger authentische Bekennerschreiben veröffentlicht. Die Täter handelten entweder mit Fachwissen oder nahmen hohe Risiken in Kauf. „Es kann lebensgefährlich sein, an Starkstromanlagen zu hantieren“, sagt Stromnetz-Sprecher Henrik Beuster.
Was wussten die Täter, die den Stromausfall in Berlin auslösten?
Ermittler vergleichen den Anschlag mit dem Angriff auf einen Strommast bei der Tesla-Fabrik in Grünheide 2024. Damals war offensichtlich, dass der Strommast direkt zur Fabrik führte. Beim aktuellen Fall in Adlershof war dagegen technisches Wissen nötig, um zu erkennen, dass die betroffenen Masten auch den Technologiepark versorgen. Offiziell wird Adlershof von einem anderen Unternehmen beliefert, doch dieses bezieht Strom aus dem Netz von Stromnetz Berlin.
Die beschädigten Masten sind sogenannte Endmasten, an denen Strom von Überlandleitungen in die Erde geleitet und dann verteilt wird. Stromnetz Berlin beliefert so auch den Versorger des Technologieparks. Die Firma teilte mit: „Der gesamte Wissenschaftsstandort Adlershof mit rund 1700 Netzkunden wird über die beschädigten 110 kV-Kabel versorgt und ist stromseitig komplett betroffen.“

Welche Hintergründe könnte der Brandanschlag auf die Strommasten haben?
„Es könnte sich tatsächlich um eine Anarchisten-Gruppe handeln“, sagte Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er stellt die Frage, ob die Täter Unterstützung erhielten. In Sicherheitskreisen wird spekuliert, ob auch Russland eine Rolle spielt – wie schon bei früheren Angriffen auf Infrastruktur oder Rüstungsunternehmen. Im Mai 2024 kam es in Lichterfelde zu einem Großbrand im Werk von Diehl, das u. a. Lenkwaffen produziert – auch dort bestand der Verdacht auf Sabotage durch Russland zur Verhinderung von Waffenlieferungen an die Ukraine.

Wer haftet für Schäden durch den Stromausfall in Berlin?
Ob Stromnetz Berlin für Schäden haftet, ist unklar. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gelten Krieg oder Terror als höhere Gewalt – in solchen Fällen haftet der Versorger nicht. Wie der aktuelle Fall eingestuft wird, ist offen. Stromnetz Berlin betont, selbst Opfer des Anschlags zu sein. Firmen könnten sich über Betriebsunterbrechungsversicherungen absichern, Privatleute über Hausrat-Zusatzversicherungen. Sollte ein Täter gefasst werden, könnte dieser haftbar gemacht werden – doch realistischerweise dürften die Täter nicht zahlungsfähig sein.
Zum Vergleich: Beim Stromausfall in Köpenick 2019, verursacht durch einen Bauarbeiter, wurde dessen Firma in Regress genommen. Dieses Mal sind mehr Haushalte betroffen als damals.haushalten Noch gibt es keine Schätzungen über die volkswirtschaftlichen Schäden – weder bei Unternehmen noch bei Privat, so Stromnetz-Sprecher Beuster. Auch die Reparaturkosten stehen noch nicht fest. Vorrang habe die Wiederherstellung der Stromversorgung. Der Vorteil sei, dass Stromnetz Berlin viele Arbeiten selbst erledigen kann, was Zeit und Geld spart.
Wann soll der Strom im Süden von Berlin endlich wieder fließen?
„Wir gehen davon aus, dass die Stromversorgung bis Donnerstagabend wieder steht“, sagt Beuster. Die Arbeiten verzögerten sich zunächst, weil der Staatsschutz Spuren sicherte. Erst danach konnte der Asphalt aufgerissen und Baugruben ausgehoben werden. In zwei Metern Tiefe müssen neue Kabel mit drei sogenannten Muffen verbunden werden – jede über zwei Meter lang, die Gruben jeweils etwa sieben Meter breit.
Die Muffen müssen fast unter Reinraumbedingungen installiert werden – weder Staub noch ein Sandkorn darf auf die Stromleitungen gelangen. Bei 110.000 Volt können kleinste Verunreinigungen elektrische Überschläge verursachen, was das Sicherheitssystem als Defekt wertet. Folge: automatische Abschaltung der Leitung.