Marco S. ist ein Mann der Zahlen. Ganz genau kann er auf einer App auf dem Smartphone ablesen, welchen Ertrag die beiden Solarpaneele an seinem Balkon gerade bringen. Die Daten rattert er in Kilowattstunden herunter, immer wenn die Sonne scheint, stellt er pünktlich die Waschmaschine an und lädt seinen E-Roller. 3,52 kWh macht er an sonnigen Tagen. Der Logistik-Manager liebt es, wenn er mithilfe der Sonne Strom erzeugt, so der Umwelt hilft und sein Portemonnaie entlastet.
Die Energiewende im Kleinen, sie könnte so schön gelingen, wenn da nur nicht der Vermieter wäre. Der will nämlich, dass er sein Balkonkraftwerk wieder abbaut und senkrecht am Geländer montieren lässt, statt schräg wie jetzt. Dass dabei im Sommer 35 bis 50 Prozent Energieertrag flöten gehen, wie Steinkrüger schätzt, und die Umbaukosten den Gewinn zusätzlich schmälern, interessiert die Wohnungsbaugenossenschaft nicht.
Gefördertes Balkonkraftwerk läuft wie am Schnürchen
Doch von vorn: Marco S. hat sich vor etwas mehr als zehn Monaten in stundenlanger Arbeit durch den Antragswust für ein gefördertes Balkonkraftwerk gewühlt. Er bekam die Förderung in Höhe von 500 Euro und beauftragte eine Fachfirma, ihm die Solarplatten an den Balkon zu montieren. Selbstredend hatte er vorher seinen Vermieter, die WGLi, um Erlaubnis gefragt. Der hatte auch zugestimmt, ohne weitere Auflagen zu machen. Man begrüße „den Einsatz regenerativer Energien bei der Energieversorgung der Gebäude“ hieß es.
Zehn Monate und mehrere starke Stürme später, Marco S. sparte an jedem Sonnentag bereits über einen Euro an Stromkosten, wandte sich die Wohnungsbaugenossenschaft an den Mieter und verlangte plötzlich den Umbau der Anlage. Bei einer Begehung sei aufgefallen, dass das Balkonkraftwerk nicht den „erforderlichen Montagerichtlinien“ entspreche. Das Modul solle spätestens bis zum 3. September oben und unten am Balkon befestigt sein.

Marco S. erkundigt sich bei der Fachfirma. „Ein Umbau würde mich wieder 350 Euro kosten“, sagt er. Das Balkonkraftwerk müsste zwei Jahre laufen, nur um das wieder einzuspielen. Außerdem ist die geneigte Anbringung die technisch korrekte. Im Sommer sorgt erst der Neigungswinkel für den besten Ertrag.
Marco S., der im Homeoffice arbeitet und gern seinen Beitrag zu grüner Energieversorgung leisten will, versteht die Welt nicht mehr. Und der Berliner Mieterverein gibt dem 33-Jährigen recht.
„Solarpaneele müssen fachmännisch und so angebracht werden, dass keine Gefährdung anderer drohen durch z.B. herabstürzende Teile“, führt Wibke Werner auf Anfrage des KURIER aus. „Mieter benötigen die Zustimmung des Vermieters, die aber nur noch bei unzumutbaren Gründen versagt werden darf“, sagt sie.
Mieterverein: Wenig Beratung wegen Balkonkraftwerk
Anderswo läuft die Energiewende im Kleinen auch geräuschlos ab: „Beim Mieterverein ist das Beratungsaufkommen zu Balkonkraftwerken sehr gering“, so Wibke Werner. Werner schätzt, dass der Hauptgrund für die Verweigerung der Genehmigung eher die Außenansicht der Hausfassade sei. Bei Steinkrüger wird dieser Grund nicht ins Feld geführt. Grundsätzlich gibt es jedenfalls keine Regelung, die vorschreibt, dass ein Balkonkraftwerk immer senkrecht angebracht werden muss. Wie das bei WGLi gehandhabt wird, wollte der KURIER von der Genossenschaft wissen, auch, warum die Paneele senkrecht stehen sollen, wo sie doch auch schräg bombensicher sind, wollten wir wissen.
„Um insbesondere unserer Verkehrssicherungspflicht Genüge zu tun, haben wir seinerzeit einen Statiker mit der Begutachtung der in unserem Wohnungsbestand in unterschiedlicher Form vorhandenen Balkontypen beauftragt. Entsprechend der Empfehlungen des Statikers fordern wir für den Großteil unserer Wohnungen eine senkrechte Anbringung der Balkonkraftwerke, um Abstürze aufgrund von Sturm etc. zu verhindern“, heißt es von der WGLi.
Auch damit die Feuerwehr im Brandfall ihre Leitern anstellen kann, sollen die Paneele senkrecht angebracht werden, erläutert die WGLi.