
Sie ist über 50 Stundenkilometer schnell und lebt auch in Berlin: Der Riesenabendsegler, Europas größte Fledermaus, die unter anderem in Parks oder in der Zitadelle Spandau ihr Zuhause in der Hauptstadt hat. Der schnelle Flieger, der gerne in der Abend- und Morgendämmerung unterwegs ist, macht nicht nur Jagd auf Insekten. Er killt auch unsere Singvögel.
Das haben spanische Forscher in Zusammenarbeit mit Berliner Wissenschaftlern herausgefunden. Mithilfe von Senderdaten wurde nachgewiesen, dass Riesenabendsegler nicht nur die Singvögel jagen, sondern diese Beute sogar in großer Höhe und während des Flugs verspeisen, ohne zu landen.
Geleitet wurde die Untersuchung von Laura Stidsholt von der Universität Aarhus, die unter anderem die Flugdaten der Tiere am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung mit der Fledermausforschungsgruppe von Prof. Christian Voigt auswertete. Die Untersuchungen fanden auch in Spanien statt, wo die Forscher Riesenabendseglern mit Mini-Sendern ausstatteten. Mit Hilfe der Daten rekonstruierte das Team detailliert, wie die Fledermäuse Jagd auf Singvögel machen und diese in der Luft verzehren.

Die schnellen Jäger werden vor allem dann zum Problem, wenn sich in Europa Milliarden von Singvögel auf dem Weg von ihren Brutgebieten im Norden zu ihren wärmeren Überwinterungsgebieten im Süden machen. Viele Arten legen die Strecke nachts und in großen Höhen zurück, um Fressfeinden auszuweichen. Trotzdem sind sie nicht vollkommen vor Gefahren geschützt: Fledermäuse jagen in der Dunkelheit. Die neue Untersuchung zeigt, dass bestimmte Fledermausarten ihre Flughöhe erheblich steigern, um hoch fliegende Singvögel als Beute zu entdecken.
Eine detaillierte Analyse der Biologger-Aufzeichnungen zeigte, dass von mehr als 600 überwachten Jagdflügen zwei Riesenabendsegler besonders auffielen: Während übliche Jagden auf Insekten lediglich wenige Sekunden dauern und in einer durchschnittlichen Höhe von 53 Metern stattfinden, erreichten die Fledermäuse bei der Jagd auf Vögel erhebliche Höhen und begannen die Verfolgung mit schnellen Echoortungslauten. In steilen, lang anhaltenden Sturzflügen setzten die Tiere zur Jagd an.
Berliner Riesenfledermäuse: Sie jagen erbarmungslos Vögel
Eine Fledermaus gab nach 30 Sekunden die Verfolgung auf – offenbar war der angegriffene Vogel beim Ausweichen erfolgreich. Aber eine zweite Fledermaus fing ihre Beute, ein Rotkehlchen, nach beinahe drei Minuten Jagd in Bodennähe. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Riesenabendsegler ihre Beute mit kräftigen Bissen töten und anschließend die Flügel abtrennen – vermutlich, um Flugwiderstand und Gewicht zu minimieren. Laut der Forscher ist es wahrscheinlich, dass die Fledermäuse die Haut zwischen den Hinterbeinen wie einen Beutel ausbreiten, um Vögel während des Flugs zu verspeisen.

„Wir wissen, dass Singvögel tagsüber wilde Ausweichmanöver wie Loopings und Spiralen ausführen, um Beutegreifern wie Falken zu entkommen – und nachts wenden sie dieselben Taktiken gegen Fledermäuse an. Es ist faszinierend, dass Fledermäuse sie nicht nur fangen, sondern auch töten und fressen können, während sie fliegen. Ein solcher Vogel wiegt etwa halb so viel wie die Fledermaus selbst – das wäre so, als würde ich beim Joggen ein 35 Kilogramm schweres Tier fangen und essen“, sagt Forscherin Laura Stidsholt.