Mitten in der Nacht, im U-Bahnhof Jungfernheide: Schüsse hallen durch die Tunnel, Soldaten brüllen Kommandos, Verletzte schreien um Hilfe – zum Glück nur im Rahmen der Übung „Bollwerk Bärlin“. Das Szenario der so echt wirkenden Übung: Irreguläre Kräfte greifen an, Verkehrswege müssen freigekämpft, Kameraden evakuiert, Saboteure festgesetzt werden. Sicht gleich null, Adrenalin auf Anschlag.
„Wir müssen vom scharfen Ende her denken“, sagt Oberstleutnant Maik Teichgräber, Kommandeur des Wachbataillons, mit ernster Miene. Der Ernstfall? Ein Angriff auf die Bundesregierung. Der Einsatzort? Berlin. „Deshalb üben wir genau hier.“
Das U-Bahn-Szenario, bei dem Saboteure als feindliche Kräfte den Verkehr unterbrechen, bezeichnet der Oberstleutnant als „sehr realistisch“. Abhängig von der Verkehrslage und der Gesamtsituation sei die U-Bahn auch für die Streitkräfte ein „probates und zweckmäßiges Mittel“.
Die Soldaten lieferten im U-Bahnhof Jungfernheide sich dem Übungsszenario folgend einen längeren Kampf mit bewaffneten, irregulären Kräften und bringen Verletzte in Sicherheit.
Im U-Bahn-Tunnel: Schüsse peitschen und Hilferufe hallen
Bei der einwöchigen Übung „Bollwerk Bärlin“ geht es nun um das Freikämpfen von Verkehrswegen, die Evakuierung eigener Kräfte, das Festsetzen von Saboteuren und den Kampf bei eingeschränkter Sicht. Schüsse peitschen und Hilferufe hallen durch den Tunnel.
Was nach Hollywood klingt, ist für die rund 1000 Soldaten des Wachbataillons bittere Realität. Seit 2024 trainieren sie nicht nur für den perfekten Gleichschritt, sondern auch für den infanteristischen Kampf in der Großstadt – mit all seinen Tücken: enge Straßen, hohe Häuser, Funklöcher.

„Unser Minister hat es kriegsfähig genannt“, sagt Teichgräber. Und meint: Wenn’s knallt, muss auch das Ehrenbataillon schießen können. „Wir üben jetzt hier tatsächlich das scharfe Ende, den Spannungs- und Verteidigungsfall, weil das in meiner Bewertung letztlich für den Verband auch die höchste Eskalationsstufe ist.“

„Semper talis“ – immer gleich – steht auf den Fahnen des Traditionsverbands, der 1957 gegründet wurde und sich auf die „Langen Kerls“ von Friedrich Wilhelm I. beruft. Doch gleich ist hier längst nichts mehr. Die Zeiten, in denen das Wachbataillon nur für den protokollarischen Glanz zuständig war, sind vorbei. Jetzt heißt es: Drill mit Durchschlagskraft.
Russland im Blick: Die Berliner U-Bahn als Frontlinie
Verteidigungsminister Boris Pistorius warnte kurz vor der Übung vor hybriden Angriffen aus Russland: beschädigte Unterseekabel, Luftraumverletzungen, Drohnenüberflüge. „Das ist Strategie. Das sind Vorboten“, sagte er auf der Berliner Sicherheitskonferenz. Und NATO-General Ingo Gerhartz legte nach: Deutschland sei noch nicht reif genug für die neue sicherheitspolitische Realität.





