Was ist da los?

Plötzlich Asbest im DDR-Spaßbad: Will der Senat das SEZ schon 2025 abreißen?

Seit Oktober ist das Land Berlin im Sport- und Erholungszentrum. Und offenbar will man es nicht mehr weiter nutzen, weil technische Anlagen gefährlich seien und Schadstoffe im Gebäude entdeckt wurden.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Das Sport- und Erholungszentrum an der Landsberger Allee: Vor Tagen waren dort Arbeiter mit einem Mini-Bagger im Einsatz.
Das Sport- und Erholungszentrum an der Landsberger Allee: Vor Tagen waren dort Arbeiter mit einem Mini-Bagger im Einsatz.Markus Wächter/Berliner KURIER

Was ist da eigentlich los im SEZ? Seit der Zwangsvollstreckung am 1. Oktober hat das Land Berlin wieder die Schlüsselgewalt über das einstige DDR-Spaßbad in Berlin-Friedrichshain. Und die Mieter, die etwa Tanz- oder Yoga-Veranstaltungen durchführen, sollten erst einmal bleiben – bis zu einem Abriss des SEZ. Doch nun sollen sie offenbar ganz schnell raus, weil man plötzlich Schadstoffe, darunter Asbest, im Gebäude gefunden hat. Das geht aus einer Senatsantwort an die Linkspartei hervor, die dem KURIER vorliegt. Die Frage stellt sich: Will der Senat das SEZ schon im neuen Jahr abreißen?

Als am 1. Oktober die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) das SEZ übernahm, keimte Hoffnung auf. Zunächst war mit der Zwangsvollstreckung der jahrelange Rechtsstreit mit einem sächsischen Unternehmer beendet, der das Haus fast zwei Jahrzehnte hatte. Und da waren die Menschen, die das einstige Spaßbad noch zu DDR-Zeiten mit viel Freude erlebten und nun hofften, dass der alte Glanz wieder zurückkäme.

Für den Erhalt des Gebäudes machte sich auch die Bürgerinitiative „SEZ für alle“ stark. Ihre Hoffnung ruhte vor allem auf die Mieter, die im SEZ Veranstaltungen durchführten oder Filme drehten. Laut BIM sollten diese Firmen nach Prüfung auch bleiben.

„So wenig Leerstand wie möglich soll Vandalismus und Lost-Places-Tourismus im Objekt verhindern“, sagte damals BIM-Geschäftsführerin Birgit Möhring. Denn die BIM strebte eine Zwischenlösung des Hauses bis zum Abriss an. Die Bagger würde Bausenator Christian Gaebler (SPD) am liebsten heute als morgen rollen lassen, um auf dem Areal 500 Wohnungen zu bauen, die Berlin nach seiner Meinung so dringend brauche.

Doch seit Tagen geschehen Dinge am und im SEZ, die aufhorchen lassen. So sagte einer der Mieter, der Techno-Veranstalter „Odyssee Berlin“, seine Silvester-Party „Odyssee 2025“ ab. Grund: „… trotz aller Bemühungen und der bereits erteilten Genehmigungen durch die Behörden, haben wir nun von der BIM die finale Location-Absage erhalten“, steht auf der Odyssee-Internetseite.

Schluss mit Party im SEZ? Eine Techno-Silvesterfeier musste schon abgesagt werden

Eine Woche vor Weihnachten tauchten dann Arbeiter einer Elektrofirma vor dem SEZ mit einem Mini-Bagger auf, angeblich wäre ein Stromanschluss gekappt worden. Dazu kamen Berichte, dass die BIM Gutachter in das SEZ schickte, die nun auch Schadstoffe gefunden hätten. Das Wort Asbest machte die Runde.

Damiano Valgolio, Abgeordneter der Linkspartei aus Friedrichshain, wollte nun genau wissen, was aktuell mit dem SEZ los sei und stellte dem Senat eine parlamentarische Anfrage. Die Antwort, die der Abgeordnete jetzt aus der zuständigen Finanzverwaltung erhielt, lässt aufhorchen.

Die Schlussfolgerung des Abgeordneten: „Der Senat hat offensichtlich vor, das SEZ weiter verfallen zu lassen und eine Zwischennutzung zu verhindern“ sagt Valgolio dem KURIER. Das sei ein Skandal. „Verfallen lassen, bis nur noch der Abriss bleibt – das ist offensichtlich die Strategie des CDU-SPD-Senats.“

Kämpft für das SEZ: Damiano Valgolio, Abgeordneter der Linkspartei aus Friedrichshain
Kämpft für das SEZ: Damiano Valgolio, Abgeordneter der Linkspartei aus FriedrichshainVolkmar Otto

Diesen Eindruck bekommt man tatsächlich, wenn man die Antworten des Senats auf die Fragen des Linke-Abgeordneten liest. Schon gleich am Anfang des Papiers bekommt man Zweifel, ob der Senat wirklich noch eine SEZ-Zwischennutzung will. Denn die Finanzverwaltung teilt mit, dass bereits am 1. Januar 2025 das Spaßbad-Areal an die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) übertragen wird.

Das ist genau die Gesellschaft, die dort schließlich Wohnungen bauen soll, wo noch das SEZ steht. Nach Ansicht von Bausenator Gaebler gibt es in Berlin keinen Bedarf für ein Spaßbad– und daher käme nur der Abriss des SEZ infrage. Soll dieser schon 2025 beginnen, wenn die WBM die Herrschaft über das Areal übernimmt? Wozu dann noch eine Zwischennutzung?

„Die Übertragung an die WBM Anfang Januar macht eine Zwischennutzung noch unwahrscheinlicher, da die WBM keinerlei Erfahrung mit dem Betrieb von Sport- und Freizeiteinrichtungen oder Zwischennutzungen hat“, sagt dazu der Abgeordnete Valgolio.

Der Senat schildert in seinen Antworten an den Abgeordneten, dass man natürlich nicht grundsätzlich gegen eine Zwischennutzung des SEZ bis zum Abriss sei. Aber: Nach der Inbesitznahme am 1. Oktober „ergaben sich sofort Zweifel, ob sich das Gebäude in einem Zustand befindet, der eine Vermietung zulässt.“

So sah es früher einmal aus: Blick in das SEZ, dem einstigen DDR-Spaßbad.
So sah es früher einmal aus: Blick in das SEZ, dem einstigen DDR-Spaßbad.PEMAX/imago

Daher hätte man den fünf Zwischennutzern (die Bürgerinitiative spricht von sieben) Mietverträge in Aussicht gestellt, falls weitere Prüfungen ergeben würden, dass eine Vermietung zulässig ist. „Die bisherigen Prüfungen fielen jedoch negativ aus“, heißt es in dem Senatsbericht.

Dann wird aufgezählt, was der von der BIM beauftragte Schadstoff-Gutachter nach der Erstbegehung im SEZ feststellte. So würden sich im Klub-Bereich Liegestaubablagerungen zeigen, „die zum Teil deutlich durch künstliche Mineralfasern geprägt seien. Im Liegestaub sei mit lungengängigen Fasern zu rechnen, die Karzinogenität (also krebserregend, d. A.) aufweisen könnten“.

Weiter heißt es: „Über die nicht staubdichten räumlichen Verbindungen und durch Nutzung würden schadstoffhaltige Stäube vermutlich fortlaufend im und aus dem Gebäude verschleppt.“

Gutachter im SEZ: Asbest-Fund auf Türklinke

Und dann kommt es dicke in dem Bericht: „Zudem sah der Gutachter zunächst einen Asbest-Verdacht. Darüber hinaus bestünden im Gebäude für Nutzer mögliche Gefahren durch unsachgemäße Abfalllagerungen und die Lagerung von Chemikaliengebinden. Auf dieser Grundlage hat die BIM alle Nutzungen innerhalb des Gebäudes untersagt.“

Doch dann muss man im Senatsbericht zugeben: „In einer Innenraumluft-, Liegestaub- und Materialprobenannahme und der laboranalytischen Untersuchung im Bereich der früheren Kegelbahn bestätigte sich der Asbestverdacht nur hinsichtlich einer Brandschutztür, deren Schloss ausgebaut ist; am Türschlossfutter wurde Chrysotil-Asbest nachgewiesen.“ Statt Sperrung soll nun der Gutachter „bauliche Maßnahmen zur Beseitigung der Schadstoffe“, empfohlen haben.

Auch andere Gefahren gebe es: „Gerade bei Veranstaltungen bestehe Gefahr für Leib und Leben, weil Fluchtwege nicht ausreichend beleuchtet und ausgewiesen seien; wegen fehlender elektrischer Schutzmaßnahmen bestehe massive Brandgefahr“, habe der Gutachter laut Senatsbericht festgestellt.

Nur noch trostlos: So sieht es heute in dem einstigen DDR-Spaßbad aus.
Nur noch trostlos: So sieht es heute in dem einstigen DDR-Spaßbad aus.Markus Wächter/Berliner KURIER

Der Abgeordnete Valgolio zieht daraus andere Schlüsse: „Der Senat setzt offensichtlich alles daran, die bisherigen Nutzer aus dem Gebäude zu bekommen. Die Begründungen wirken vorgeschoben. Es ist lächerlich, wenn versucht wird, die Nutzungsuntersagungen damit zu begründen, dass Fluchtwege nicht ausreichend beleuchtet seien, an einem einzigen Türschloss Asbest festgestellt worden sei oder zu viel Staub herumliege“, sagt er

Seine Anfrage, ob Schadstoffbelastungen vorliege, die eine Zwischennutzung ausschließen und was gegebenenfalls eine Beseitigung kosten würde, „beantwortet der Senat bewusst nicht“.

In der Tat steht in dem Bericht nur, in welchem offenbar schlechten Zustand das SEZ im Innern laut Gutachter sein soll. Stromanlagen müssten abgeschaltet werden. „Der Weiterbetrieb könne als grob fahrlässig angesehen werden. Die Anlagen seien seit mindestens zehn Jahren nicht gewartet worden“ und sei ein Sicherheitsrisiko. Möglich, dass dies die Anwesenheit der Elektrofirma vor Tagen vor dem SEZ erklärt.

SEZ: Will der Senat einstiges DDR-Spaßbad weiter verfallen lassen?

In dem Bericht wird das Fazit des Gutachters wiedergegeben: Eine Sanierung „der vorhandenen Anlagen sei sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus technischer Sicht nicht sinnvoll; eine komplette Neuinstallation werde empfohlen. Dafür sei ein Zeitraum nicht unter sechs Monaten nötig“.

„Statt das SEZ weiter verfallen zu lassen, muss jetzt gemeinsam mit Anwohnern, Initiativen und den bisherigen Nutzern ein Konzept für eine Zwischennutzung erstellt werden. Damit dort so schnell wie möglich wieder ein Sport- und Freizeitangebot entsteht“, sagt der Abgeordnete Valgolio.

Doch der Senat macht in der Antwort an den Linke-Abgeordneten sehr deutlich, was er will:  Grundsätzlich sei man zwar für eine Zwischennutzung bis zum Abriss des SEZ, aber „sie muss sicher, zulässig und wirtschaftlich sein“.

Bisher sei aber nicht erkennbar, „dass eine Instandsetzung des Gebäudes bzw. Abkapselung und Instandsetzung nur bestimmter Gebäudeteile gegenüber einem Leerstand bis zum Abriss vorteilhaft wäre“. Das dürfte das Todesurteil für das SEZ gewesen sein. ■