Wenn Sahin Sezer (38) spricht, wird es deutlich im Gerichtssaal. Und unbequem. Denn der Vorsitzende Richter am Amtsgericht Tiergarten nimmt kein Blatt vor den Mund – und genau das macht ihn zum Hoffnungsträger in einem Berlin, das sich mehr Rückgrat wünscht.
In einer Stadt, die täglich zwischen Toleranz und Tabubruch balanciert, sorgt Richter Sahin Sezer mit mutigen Urteilen und deutlichen Worten für Aufsehen – und für Haltung. Sein jüngstes Urteil: drei Jahre Haft für einen antisemitischen Gewalttäter. Und dazu eine Botschaft, die noch lange nachhallt.
Donnerstag, Gerichtssaal Tiergarten. Der israelische Student Lahav S. (32) wurde von seinem Kommilitonen Mustafa A. (24) brutal attackiert – mit Fäusten zu Boden geprügelt, ins Gesicht getreten, schwer verletzt. Das Urteil: drei Jahre Gefängnis.
Richter spricht Klartext in Berlin
Und Sezers Begründung? Ein Weckruf: „Antisemitismus ist nicht von Meinungsfreiheit gedeckt. Antisemitische Gesinnung legt die Axt an unsere Werteordnung. Wir verzeichnen einen massiven Anstieg antisemitischer Straftaten. Wir müssen die Menschen abschrecken von solchen Gewalttaten. Und Menschen müssen darauf vertrauen können, dass Derartiges hart geahndet wird. Extremisten sind die Feinde der offenen Gesellschaft“, so der Richter.
Die Strafe fällt sogar härter aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Der Angeklagte hatte sich geständig gezeigt, sich entschuldigt, 5000 Euro mitgebracht – aber Richter Sezer ließ sich nicht blenden.
„Was Sie gestanden haben, war nicht von Reue getragen, sondern Salami-Taktik“, so sein knallhartes Urteil. Und weiter: „Weniger Lächeln bei der Entschuldigung am Ende wäre auch besser gewesen.“

Mustafa A., früherer Lehramtsstudent, in Berlin geboren, Eltern aus dem Libanon – hätte Lehrer werden können. Doch stattdessen ließ er sich von Hass leiten. Sezer findet klare Worte: „Sie hätten so viel Gutes tun können. Aber Sie konnten sich nicht von den Konflikten Ihrer Vorfahren lösen. Sie stehen noch in 20 Jahren vorm Spiegel und sagen: Da hätte mehr sein können.“
Richter Klartext beendet Karriere von jungem Polizisten
Die erschütternde Tat hinterlässt nicht nur ein Opfer mit Hirnblutung und Gesichtsfraktur – sondern auch ein klares Zeichen: Wer hasst, verliert. Der Angeklagte kann aber noch Berufung einlegen.
Doch Sezers Gerechtigkeitssinn endet nicht bei politischen Extremisten. Anfang März musste ein Polizist seine Konsequenz spüren. Theo J. (27), Beamter auf Probe, hatte Gefangene geohrfeigt – einen Ladendieb, einen Drogendealer. Seine Ausreden? Mitleid mit sich selbst. Seine Erklärung: „Meine Freundin hatte mich verlassen.“
Für Sezer keine Entschuldigung: „Sie verhielten sich wie ein Gangster in Uniform. Das können wir in Deutschland nicht brauchen.“ Neun Monate Haft auf Bewährung, dazu ein laufendes Disziplinarverfahren. Die Karriere des jungen Polizisten: beendet.
Ob Antisemitismus oder Polizeigewalt – Sahin Sezer bleibt seiner Linie treu: Gerechtigkeit braucht Mut. Und der wird sichtbar, wenn einer den Finger in die Wunde legt. So wird aus einem Richter aus Berlin eine Stimme gegen Hass – und für die Werte unserer offenen Gesellschaft. Wer Klartext will, muss nur in den Saal von Sahin Sezer kommen. ■