Die Charité Berlin, Kinderonkologie. Kleine Patienten, die an Schläuche angeschlossen daliegen, blass. Das Bild wirkt auf einen so falsch, das dürfte doch gar nicht sein. Philipp, gerade mal zwei Jahre alt, ein Junge aus Hellersdorf kämpft hier um sein Leben. Seine Mutter Rebecca erzählt von Fiebernächten, dem Moment der Diagnose und einem Alltag, der keiner mehr ist.
Rebecca (40) öffnet die Tür zum Stationsflur, ihre Augen sind rot, sie trocknet die Tränen weg, richtet die Maske, erklärt: „Er hatte gerade eine Schmerzattacke. Die Schmerzmittel helfen nicht.“ Wir setzten uns an einen Tisch. Der Regen trommelt gegen die Fenster, draußen gewittert es. Seit dem 11. April ist bei Familie Roloff aus Hellersdorf nichts mehr wie zuvor.
„Er wollte nicht mehr essen, nicht einmal Kuchen oder Schokolade“
„Ich hatte es geahnt“, sagt Rebecca. „Schon im Januar. Aber man will es nicht wahrhaben.“ Es begann schleichend. „Mal Schnuppi, mal Fieber, Infekte, eine Mittelohrentzündung, Antibiotika, aber eigentlich nichts Ungewöhnliches bei einem Kleinkind, das gerade in der Kita angefangen hat.“ Aber das Fieber kehrte immer wieder, und immer wieder suchte Rebecca Hilfe. „Er wollte nicht mehr essen, nicht einmal Kuchen oder Schokolade.“
Einmal gerann sein Blutbild. Der Kinderarzt sagte: „Wir warten bis Mai.“ Im Nachhinein ist klar, das war zu lang. Als erneut ein großes Blutbild gemacht wird, geht alles Schlag auf Schlag. Noch am selben Tag, abends um 23 Uhr, kommt der Anruf: „Packen Sie das Nötigste. Ihr Sohn muss sofort ins Krankenhaus.“

Der Befund reißt der Familie den Boden unter den Füßen weg: akute myeloische Leukämie (AML). Eine seltene, aggressive Form von Blutkrebs. Dabei bildet das Knochenmark zu viele unreife, weiße Blutkörperchen, sogenannte Myeloblasten. Diese verdrängen die gesunden Blutzellen, mit schweren Folgen – Infekte, Blutarmut, Schwäche und starke Schmerzen. Zu Hause warten zwei Teenager auf ihre Eltern und den Bruder. „Wie sagt man seinen Kindern, dass ihr Bruder todkrank ist?“, fragt Rebecca. Es war ein Zusammenbruch.
Was dann folgt, sind Monate im Krankenhaus. Kräftezehrende Chemos. Nächte voller Schmerzen. Philipp teilt sich ein Zimmer mit einem anderen kranken Kind. Zwei Betten, zwei Mütter und kaum Privatsphäre. „Aber wir versuchen hier etwas wie Alltag zu schaffen.“
Eine Familie geht vorbei. Ein Kind sitzt im Buggy, nur noch ein paar Haare auf dem Kopf. Rebecca folgt ihnen mit dem Blick. „Schlimm, oder? Ich kann es bis heute nicht wahrhaben, es ist so ungerecht.“

Es hat aufgehört zu gewittern. Sonnenlicht fällt durch die dunklen Flure der Charité. Beleuchtet die Spielsachen und Kinderbücher. In Phillips Krankenzimmer ist es still. Er schläft, sein Gesicht sieht im Schlaf irgendwie besorgt aus.
Philipp ist erst zwei Jahre alt. Der Jüngste von drei Brüdern, „unser Sonnenschein“, sagt Rebecca. Der Junge, der so gern mit Autos spielt und beim Sandmann kuschelt, liegt nun im Berliner Krankenhausbett mit kahlem Kopf und blassen Wangen. Die dritte Chemotherapie hat ihn gezeichnet, sogar die Wimpern sind ausgefallen sowie sein dichtes, blondes Haar. Die Lippen scheinen farblos.
Krebs mit zwei Jahren: Wie ein kleiner Junge ums Überleben ringt
Neben dem Kopfkissen steht ein kleiner Korb mit Spielzeugautos. Marco (36), Philipps Vater, sitzt an seinem Bett, beobachtet den Herzmonitor. Schon seit Wochen meiden die Eltern ihre Mitmenschen, um den Sohn vor Keimen zu schützen. „Und immer wieder die Angst: ‚Wird er sterben?‘ Schon die kleinsten Infekte und Keime können für ihn verheerend sein“, sagt Rebecca. Während des KURIER-Interviews wacht Philipp nicht auf.

Das Laufen hat der Zweijährige wieder verlernt, zu viel Zeit hat er im Krankenbett verbringen müssen. „Momentan ist er zu schwach, aber das lernt er wieder.“ Wenn seine Immunwerte es zulassen, soll schon in wenigen Stunden die vierte Chemotherapie gestartet werden.
Versteht er, warum er hier ist? „Ja, ich glaube, er versteht alles. Wir haben ein Pixibuch gelesen, ‚Max hat Leukämie.‘ Er hat es verstanden. Er ist so tapfer, aber auch seine Kräfte schwinden langsam, aber wir werden die Hoffnung nie verlieren“, sagt Rebecca. „Er ist doch noch so klein und hat hoffentlich noch sein ganzes Leben vor sich.“
„Da die finanziellen Mittel der Familie begrenzt sind, hoffen wir nun auf eure Unterstützung“, schreibt die Familie auf der Spendenplattform gofundme. Der Vater ist krankgeschrieben, die Mutter als Hausfrau ohne eigenes Einkommen. 4822 Euro wurden bisher gespendet.








