Erst Gerichtsposse, dann Straßenfest: Über 500 Menschen feierten in Berlin-Mitte die umstrittene Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße. Doch trotz der vollzogenen Namensänderung: Der Streit um die Mohrenstraße ist noch lange nicht vorbei.
Denn vor Gericht sind noch immer Verfahren gegen die behördliche Anordnung des Bezirksamtes Mitte offen. Es sind Anwohnerklagen, die sich gegen den Beschluss des Bezirksparlamentes (BVV) von 2020 wehren, dass die Mohrenstraße verschwinden und einen neuen Namen erhalten soll. Die Grünen und die SPD waren damals dafür.
Dass die Kläger nun mit der vollzogenen Umbenennung den eingeschlagenen Gerichtsweg verlassen werden, gilt als unwahrscheinlich. Für sie ist die behördliche Umbenennung nach wie vor eine mit „ideologischem Eifer“ betriebene Sache. Und dagegen wolle sie sich weiterhin wehren.

Seit über 20 Jahren lodert der Streit. Vor allem Initiativen der Schwarzen Community in Berlin forderten, dass die Mohrenstraße verschwindet. Begründung: Der Straßenname sei mit der Geschichte der Versklavung direkt verbunden. Er wurde im 18. Jahrhundert vergeben, als Preußen unter König Friedrich I. die Kolonialfestung „Groß-Friedrichsburg“ im heutigen Ghana errichtete.
Der neue Name Anton-Wilhelm-Amo-Straße soll dagegen einen Afrikaner ehren, der um 1703 im heutigen Ghana in Westafrika geboren wurde und als Kind nach Deutschland verschleppt wurde. Er war hierzulande der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft.
Trotz Ende der Mohrenstraße: Die Kritik an Umbenennung verstummt nicht
Die Kritiker waren es auch, die die Umbenennung samt Straßenfest am Samstag juristisch stoppen wollten. Mit einem Eilantrag hatte eine Bürgerinitiative bereits das Verwaltungsgericht Berlin überzeugt. Die Richter stoppten die Umbenennung wenige Stunden vor der Zeremonie.
Doch kaum hatte am Donnerstagabend das Gericht mitgeteilt, dass der Namenswechsel aufgrund einer offenen Klage gegen das Bezirksamt Mitte nicht rechtens sei, wurde auf einmal die Behörde mit einer Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aktiv. Das Gericht kassierte den Umbenennungsstopp mit der Begründung, die Anwohnerklage hätte eh keinen Erfolg. Die Mohrenstraße durfte quasi in letzter Minute noch umbenannt werden.

Die Gerichtsposse hat nun ein politisches Nachspiel. Unmut gegen das Bezirksamt von Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) wird laut. Etwa von dem BSW-Politiker Alexander King, der als Fraktionsloser im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Er erinnert daran, dass in dem Kiez um die neue Anton-Wilhelm-Amo-Straße noch immer Verkehrsschilder „den Weg zum vor fünf Jahren stillgelegten Flughafen Tegel“ weisen.
„Und genau das Bezirksamt, das es nicht hinbekommt, die Straßen von Mitte korrekt auszuschildern, hat für die Straßenumbenennung Überstunden gemacht, genau wie das Oberverwaltungsgericht. Am sehr späten Freitagabend wurde nach hektischem Hin und Her doch noch zugunsten der grünen Bürgermeisterin entschieden, die also keine Rücksicht auf anhängige Klagen ihrer Bürger gegen die Umbenennung nehmen muss und zur Tat schreiten kann“, sagt King dem KURIER.
Umbenennung Mohrenstraße: „Ideologischer Eifer im grünen Bezirksamt“
Der Politiker kritisiert: „Dieser ideologische Eifer, der im grünen Bezirksamt ungeahnte Energien freisetzt, ist schon fast unheimlich. Wir erleben ihn sonst nur bei der Errichtung von Pollern. Ansonsten kann es mit dem Verwaltungshandeln auch gerne mal länger dauern. Diese unterschiedlichen Geschwindigkeiten sorgen für Verdruss beim Bürger – zu Recht.“
Kritik kommt auch von der CDU. Auch sie beklagt, dass im Verfahren zur Umbenennung der Mohrenstraße die betroffenen Anwohner unzureichend eingebunden und gehört wurden. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Bezirk Mitte, Sebastian Pieper, sprach gegenüber dem RBB von einem „Geschenk“ der Grünen an die „linke Community“.
Die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße ist aus Sicht der Grünen ein Ergebnis „beharrlicher demokratischer Arbeit“. „Für viele schwarze Menschen war dieser Straßenname eine tägliche Erinnerung an Ausgrenzung – jetzt setzen wir ein klares Signal für Respekt und Vielfalt“, sagt Tuba Bozkurt, Sprecherin für Antidiskriminierungspolitik der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus.