Marzahn

Monatelang gefangen in der eigenen Wohnung

Seit drei Monaten können 22 Menschen in Berlin nicht aus ihrer Wohnung – der Fahrstuhl im Marzahner Plattenbau ist kaputt.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Rainer Glaser (73) seine Frau Anita (72). Die 72-Jährige braucht einen Rollator, aber wenigstens kann sie noch einkaufen gehen. 
Rainer Glaser (73) seine Frau Anita (72). Die 72-Jährige braucht einen Rollator, aber wenigstens kann sie noch einkaufen gehen. Sabine Gudath

Ein barrierefreies Wohnprojekt ist eine feine Sache. Wenn denn der Lift funktioniert. In der Köthener Straße 4 in Marzahn leben Menschen zusammen in einem Haus, die beeinträchtigt sind. Pflege-WGs, Senioren, Menschen im Rollstuhl. Sie alle können seit drei Monaten ihre Wohnungen nicht verlassen, wie der Fahrstuhl defekt ist.

In einem Bericht der Berliner Zeitung schildern die Bewohner ihren beklemmenden Alltag. Da ist Sven Wegner, der, als er das letzte Mal seine Wohnung verließ, den Sommerwind auf Armen und Beinen in T-Shirt und kurzen Hosen spürte. Drei Monate später fegt der Herbstwind um die Ecken des Hauses, für das die Degwo als Vermieterin zuständig ist.

„Es fühlt sich sehr beengend an, wenn man seine Wohnung seit Sommer nicht mehr verlassen kann“, sagt Sven Wegner. Der 37-Jährige erlitt 2018 einen Schlaganfall und lebt seitdem in der Pflege-WG.

Sven Wegner (37) würde gern wieder mit seinen Freunden zum Kartenspielen. 
Sven Wegner (37) würde gern wieder mit seinen Freunden zum Kartenspielen. Sabine Gudath

Wenn sich kein Besucher zu ihm aufmacht, hat er aus eigenen Stücken keine Möglichkeit, mit dem Rollstuhl das Haus zu verlassen. „Ich habe meine Freunde sonst wöchentlich zum Kartenspielen und Unterhalten getroffen, aber ich komme ja nicht mehr raus“, sagt er der Berliner Zeitung.

Spaziergänge mit Ehrenamtlichen fallen aus, soziale Kontakte sind eingeschränkt, selbstbestimmtes Leben ist kaum möglich. Einkäufe werden von den Pflegekräften mangels Lift in den dritten Stock getragen, ein untragbarer Zustand.

Neben den Pflege-WGs befinden sich in dem Plattenbau weitere Wohnungen, auch hier sind Menschen auf den funktionierenden Fahrstuhl angewiesen.

Rainer Glaser und seine Frau Anita etwa leben seit 2008 in der barrierefreien Wohnung an der Köthener Straße in Marzahn. Rainer Glaser hat sich wegen des defekten Aufzugs mehrfach an das Berliner Wohnungsbauunternehmen Degewo gewandt und auch an die Firma Schindler Deutschland, die für die Reparatur zuständig ist. „Gebracht hat das nichts“, sagt er. Zwar werde immer wieder beteuert, das Problem würde bald behoben, aber es tut sich nichts.

Die Bewohner des Hauses in der Köthener Straße 4 in Marzahn leben seit drei Monaten ohne Aufzug. Weil viele davon auf einen Rollstuhl angewiesen sind, haben sie seitdem keine Chance, aus dem Haus zu kommen.
Die Bewohner des Hauses in der Köthener Straße 4 in Marzahn leben seit drei Monaten ohne Aufzug. Weil viele davon auf einen Rollstuhl angewiesen sind, haben sie seitdem keine Chance, aus dem Haus zu kommen.Sabine Gudath

Glaser kann wegen einer schweren Rheuma- und Krebserkrankung nicht laufen und sitzt im Rollstuhl. Ohne seine Frau Anita käme er nicht zurecht. Seit August konnte er nicht mehr draußen spazieren fahren. Wenigstens für Arzttermine kann er einen Krankentransport bestellen.

Die Berliner Zeitung fragte auch bei der Berliner Wohnungsbaugesellschaft Degewo an, die kennt das Problem mit dem defektem Fahrstuhl nur zu gut: „Wir haben mit diesem Aufzug seit längerem Probleme, an denen wir aber arbeiten“, teilte ein Unternehmenssprecher der Zeitung mit. Leider seien Ersatzteile im Moment schwer lieferbar, noch im November solle der Lift aber wieder repariert sein. „Wir haben volles Verständnis für die Wut der Bewohner und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten. Wir bieten hier auch schon seit August umfangreiche Hilfe z.B. für Einkäufe über unser Tochterunternehmem ‚Sophia‘ an“, so der Sprecher weiter.

Die Firma Schindler Deutschland AG & Co. KG teilte durch eine Sprecherin mit, man erwarte eine Lieferung eines Ersatzteils am 17. November. Dann solle direkt die Reparatur vorgenommen werden.