Kommentar

Herrlich! Ein ganz normaler Streiktag in Berlin

Neben den Lokführern streiken heute in Berlin auch die Erzieher in Kitas und Schulen – und das sei gut so, findet unsere Autorin.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Der Bahnsteig am Bahnhof Südkreuz ist leer. In Berlin werden die S-Bahnen bestreikt.
Der Bahnsteig am Bahnhof Südkreuz ist leer. In Berlin werden die S-Bahnen bestreikt.Markus Waechter/BK

Dieser Donnerstag wirft in vielen Familien Planungen um. Die Lokführer unter Frank Weselsky streiken, am Morgen kommt man per S-Bahn nicht zur Arbeit und am Nachmittag nicht zurück. Wer kann, nimmt das Rad oder bleibt gleich ganz zu Hause. So weit, so nervig.

Auch wer Kinder hat, könnte am Donnerstag angehalten sein, die Kleinen schon nach dem Unterricht abzuholen. Denn in den Berliner Schulen und Kitas streiken auch die Erzieherinnen. Man wolle den Arbeitgebern der Länder zeigen, dass auch Sozialarbeiterinnen und Erzieherinnen gehört und gesehen werden müssen. „Sie leisten so viel und werden leider oft übersehen“, wie Martina Regulin, Vorsitzende der GEW Berlin, erklärte.

Die Frau hat recht. Ebenso wie Frank Weselsky von der Gewerkschaft der Lokführer GDL recht hat. Das hart erkämpfte Streikrecht muss genutzt werden, um auf Missstände in den Branchen hinzuweisen, die essenziell für das Funktionieren unseres Alltags sind.

Die Streikenden halten kaputte Systeme am Laufen

Die Gewerkschaften geben Arbeitnehmern die Gelegenheit, ihre Stimmen laut zu erheben. Und das ist dringend nötig. In den Schulen und Kitas fahren wir gerade die Bildung einer ganzen Generation vor die Wand, weil es zu wenige, zu schlecht bezahlte, zu frustrierte Erzieherinnen und Sozialarbeiter nicht schaffen, all das aufzuarbeiten, was in den Familien versäumt wird. Mehr und mehr Bürokratie und immer mehr Kindern mit Bedarf an besonderer Aufmerksamkeit stehen erschöpfte, ausgedünnte Crews an Erziehern gegenüber.

Schmerzensgeld für die Arbeit bei der Bahn

Das gleiche Spiel bei der Bahn: Ein kaputtes System wird nur noch von denen getragen, die nun weniger Arbeitszeit im Schichtdienst und mehr Geld – Schmerzensgeld muss man sagen – fordern. Solidarisieren wir uns mit den Streikenden. Wenn nicht einmal mehr diejenigen die Missstände benennen dürften, die jeden Tag tapfer weiter gegen sie ankämpfen, stünde es schlecht um uns. Die Alternative wäre, sich damit abzufinden, dass sich die Konzern-Chefs sehr großzügig Gehälter zahlen, während das Fußvolk auf der Schiene weiter den Kopf für ihre schlechte Planung hinhält. Es hieße, sich damit abzufinden, dass diejenigen, die es sich leisten können, ihre Kinder auf Privatschulen schicken, während die anderen in staatlichen Einrichtungen mehr verwahrt als gefördert werden. Streik ist das einzige Mittel, gegen mangelhafte Führung aufzubegehren. Nutzen wir es. ■