U-Bahnbauer unter Druck

Traditionsstandort in Pankow: Bahnprofi Stadler in Not

Wo einst Bergmann-Borsig baute, wird bei Stadler unter anderem die neue U-Bahn für Berlin gefertigt. Nun bangen sie in Pankow um die Zukunft des Traditionsstandortes.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Die neue JK-Serie der Berliner U-Bahn wird bei Stadler Pankow gebaut.
Die neue JK-Serie der Berliner U-Bahn wird bei Stadler Pankow gebaut.Markus Wächter

Diese Ansprache schlug ein wie eine Bombe. Als am Montag die Geschäftsführung von Stadler Deutschland auf einer Belegschaftsversammlung verkündete, dass es am Standort Berlin-Pankow harte Einschnitte und Maßnahmen geben müsse, um die internationale Wettbewerbs- und dadurch Zukunftsfähigkeit zu sichern, gingen Schockwellen durch die Belegschaft.

Stadler glaube zwar an den Standort, es müsse aber jetzt bessere Ergebnisse geben, hieß es. Ansonsten stehen Beschäftigungsabbau und eine Teilstandortschließung im Raum. Arbeiter – vom Fließband bis in die Chefetage – sollen alle einen Beitrag leisten, damit es ihrem Arbeitgeber wieder besser geht. Wenn Beschäftigte etwa auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, könnten Stellen erhalten bleiben.

Stadler Deutschland unter Druck

„Trotz guter Auslastung und wichtiger Zukunftsprojekte für den Standort in Berlin-Brandenburg steht Stadler Deutschland unter erheblichem wirtschaftlichem Druck“, teilte das Unternehmen mit. Prozesse müssten dringend und schnell optimiert werden. „Dies betrifft alle Bereiche an den Standorten in Berlin, Velten und Hennigsdorf“, hieß es.

Als Gründe für den wirtschaftlichen Druck gibt die Geschäftsführung die gravierenden Folgen des Zusammenbruchs der Lieferketten infolge der Pandemie, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den daraus resultierenden Preissteigerungen für Energie und Rohmaterial an.

Mit der Inflation stiegen die Stadler-Gehälter

Mit der Inflation stiegen zudem die Gehälter. „Diese Situation hat bei einer gut ausgelasteten Produktion zu einer ungünstigen Verkettung geführt und die wirtschaftliche Lage verschärft. Um Stadler am Industriestandort Deutschland nachhaltig in der Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, müssen wir jetzt einschneidende Maßnahmen beschließen und schnell umsetzen“, sagte Jure Mikolčić, CEO von Stadler Deutschland.

„Damit ist für die Beschäftigten von Stadler in Berlin alles unklar. Es wurden von Stadler keine Zahlen genannt und was genau geplant sei. Wir fordern eine Zukunft für Stadler und alle seine Beschäftigten in Berlin”, hieß es zu den Ankündigungen von der Gewerkschaft IG Metall.

Neue S-Bahn in neuer Stadler-Montagehalle in Pankow. Die Halle wurde 2021  für 70 Mio. gebaut. Nun will der Schweizer Schienenfahrzeughersteller Stadler sparen.
Neue S-Bahn in neuer Stadler-Montagehalle in Pankow. Die Halle wurde 2021 für 70 Mio. gebaut. Nun will der Schweizer Schienenfahrzeughersteller Stadler sparen.imago images/Jürgen Heinrich

„Stadler in Berlin ist ein wichtiger Industrie-Player, der Bahnen für Berlin und Deutschland baut. Der Standort hat eine große Zukunft. Wir haben gute Ideen für den Berliner Standort, die dauerhaft Arbeitsplätze sichern würden. Wer Industriearbeitsplätze von rund 1.700 Beschäftigten in Gefahr bringt und mit Teilschließung droht, wird unseren erbitterten Widerstand zu spüren bekommen. Wir kämpfen gemeinsam mit den Beschäftigten um jeden Arbeitsplatz. Schließlich geht es um die Existenz der Menschen und ihrer Familien“, so Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Berlin. Die IG Metall rief die Beschäftigten für den heutigen um 12 Uhr zu einer Kundgebung auf.

Stadler hat seit dem Start im Jahr 2001 in Berlin und Brandenburg die Anzahl der Mitarbeitenden von 197 auf aktuell rund 2000 erhöht – ohne jemals Mitarbeitende abgebaut zu haben, wie das Unternehmen mitteilte. In Pankow werden moderne Züge für die U-Bahn gebaut, dabei kommen die Wagenrohlinge aus der Schweiz per Lkw und werden in Pankow komplettiert. Fertige Züge werden per Schiene von Pankow an den Besteller ausgeliefert.

2020 hatte Stadler Deutschland die U Bahn-Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe für sich entschieden. Noch in diesem Jahr sollen die neuen U-Bahnen aus Pankow auf die Schiene.

Kritik von der Gewerkschaft gibt es auch an den Standortbedingungen: „Jetzt brauchen wir die klare Unterstützung der Politik. Wir müssen jetzt eine Entscheidung für den Standort Deutschland als Standort für den Schienenfahrzeugbau treffen. Auftragsvergabe, Vertragsausgestaltung und Finanzierungsmodalitäten sorgen immer wieder dafür, dass materialintensiven Unternehmen, speziell im Schienenfahrzeugbau, schlichtweg Geld fehlt, welches letztlich die Belegschaften kompensieren sollen.“

Die Beschäftigten bei Stadler hätten schon öfter auf Gehalt und die Reduzierung der Arbeitszeit verzichtet, um das Unternehmen zu stärken, so Jan Otto.  „Die längst fällige Angleichung an den Flächentarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie bei den Entgeltprozenten und der Arbeitszeit wurde immer wieder verschoben. Jetzt mit Teilstandortschließung zu drohen, ist nicht fair.“ ■