Krankenkassen-Studie

Von wegen „Männerleiden“: Grippewelle Berlin erwischt mehr Frauen

Eine gesetzliche Krankenkasse hat jetzt die Grippe-Krankschreibungen ihrer Berliner Versicherten genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist überraschend.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Von wegen Männer leiden mehr an Grippe als Frauen: In Berlin ist es umgekehrt.
Von wegen Männer leiden mehr an Grippe als Frauen: In Berlin ist es umgekehrt.Westend61/imago

Immer wieder heißt es: Bei Grippe oder einer leichten Erkältung leidet das angeblich so starke Geschlecht besonders. Von dem berühmten „Männerleiden“ ist dann die Rede. Frauen dagegen hätten kaum Probleme. Doch ein Krankenkassen-Bericht zur aktuellen Grippewelle in Berlin scheint jetzt mit diesem Mythos Schluss zu machen.

Husten, Schnupfen, Glieder- und Kopfschmerzen sowie hohes Fieber: Die Grippewelle hat auch uns Berliner ganz schön im Griff. Das sieht man vor allem an den Krankmeldungen in den Unternehmen der Hauptstadt.

Den Krankenstand hat sich nun auch eine gesetzliche Krankenversicherung angeschaut. Dabei kamen zwei überraschende Erkenntnisse heraus, wie jetzt die Barmer mitteilt. Zunächst diese, dass die Grippewelle die Hauptstadt nicht so schlimm getroffen hat, wie man vermutete.

Die Krankschreibungen wegen Grippe und Erkältung liege in anderen Bundesländern wesentlich höher, fand das Instituts für Gesundheitssystemforschung der Barmer heraus. Demnach waren im Zeitraum zwischen 27. Januar bis 2. Februar in Berlin 154 Erkrankte je 100.000 Versicherte  wegen Influenza arbeitsunfähig.

Der Bundesdurchschnitt lag bei 180 Erkrankten je 100.000 Versicherte. Am höchsten liegen die Krankschreibungen in Rheinland-Pfalz mit 223 und am geringsten in Hamburg mit 115 je 100.000 Versicherte.

Laut der Studie wird in Berlin auch mit dem Mythos aufgeräumt, die Männer würden besonders an der Erkältung und an der Grippe leiden. Der Grund ist angeblich genetisch bedingt und hat im unterschiedlichen Hormonsystem der Geschlechter seine Ursache.

In mehreren medizinischen Studien wurde festgestellt: Das Immunsystem von Frauen geht schneller und aggressiver gegen Krankheitserreger vor als das von Männern, da das weibliche Sexualhormon Östrogen die Vermehrung von Abwehrzellen anregt. Das männliche Geschlechtshormon Testosteron stimuliert dagegen nur wenig die körpereigenen Abwehrkräfte.

Grippewelle: Warum sind in Berlin mehr Frauen als Männer krank?

Warum Frauen immunstärker sind als Männer? Forscher haben bis heute keine eindeutigen Antwort darauf. Es gibt aber die Vermutung, dass Frauen deshalb ein besseres Immunsystem haben, weil sie immerhin für den Erhalt der Menschheit zuständig sind.

Tödliche Infekte während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren der Kinder wären fatal gewesen. Dazu passt, dass das Hormon Östrogen nicht ein Leben lang einen immunstärkenden Effekt hat: Es ist vor allem zwischen Pubertät und Menopause aktiv – in der Lebensphase also, in der Frauen Kinder gebären können.

Nun, in Berlin scheint das bei der jetzigen Grippewelle offenbar nicht ganz zuzutreffen. Im Gegenteil: Die Barmer-Studie dreht das ganze auf den Kopf. Denn wie aus den Daten  hervorgeht, waren in dem angegebenen Zeitraum mehr Frauen (183 je 100.000 Versicherte) als Männer (122 je 100.000 Versicherte) wegen Grippe krankgeschrieben.

Warum? Um dieses Phänomen zu erklären, braucht man keine Mediziner zu bemühen. Ein Blick in das Statistische Jahrbuch von Berlin reicht, um die Frage zu klären.

Leider liegen nur die Zahlen für 2023 vor. Aber sie könnten möglicherweise schon begründen, warum in unserer Stadt das weibliche Geschlecht bei der Grippe mehr leidet als das männliche.

Denn laut Statistik lag Ende 2023 die Anzahl der in Berlin lebenden Frauen bei rund 1,92 Millionen. Somit lebten zu diesem Zeitpunkt etwa 62.000 mehr Frauen als Männer (1,8 Millionen in der Hauptstadt. ■