Wenn Sie Eltern mit kleinen Kindern im Freundeskreis haben, gibt es derzeit in Berlin wohl kaum ein anderes Thema: Streiken die Beschäftigten an den landeseigenen Kitas bald wochenlang? Nun gibt es eine endgültige Antwort auf die bange Frage vieler Eltern. Die Gewerkschaft Verdi teilte mit, dass der vor einigen Tagen angekündigte unbefristete Streik in kommunalen Kitas nun definitiv am Montag beginnen werde. Gespräche, um den Schaden von Kindern und Eltern abzuwenden, blieben ohne Ergebnis.
Die Folge: Tausende Berliner Eltern können ihre Kinder ab der kommenden Woche womöglich nicht mehr in der Kita betreuen lassen, müssen Einschränkungen in der Betreuungszeit oder Notbetreuung hinnehmen.
Kita-Streik, der Supergau für gebeutelte Eltern und Kinder
Einige Kitas haben bereits durchblicken lassen, dass es wie in der Coronapandemie Berufsgruppen geben wird, deren Kinder bevorzugt betreut werden. Für alle anderen heißt es: Das überstrapazierte Netzwerk aus Familie und anderen Eltern aktivieren oder im Homeoffice zerrieben werden. Eine Super-Katastrophe für die eh schon durch zahlreiche Streiks gebeutelten Eltern.
Verdi schiebt den Schwarzen Peter in Richtung Politik: Mit seiner „unkonstruktiven Haltung“ provoziere der Senat den Streik und trage damit die Verantwortung für die Belastung der Eltern und Kinder, hieß es in der Verdi-Mitteilung. Der bevorstehende Streik ist am Vormittag auch Thema einer Debatte im Abgeordnetenhaus.
„Von Verdi-Seite liegen die Karten schon lange auf dem Tisch. Es ist unverantwortlich vom Senat, dass er alle Möglichkeiten verstreichen lässt, konstruktive Verhandlungen aufzunehmen“, erklärt die Verdi-Landesbezirksleiterin für Berlin-Brandenburg, Andrea Kühnemann.
Knapp zehn Prozent der rund 2.900 Kitas in Berlin gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte etwa 35.000 Kinder - rund ein Fünftel aller Kita-Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben.
Schon vor dem nun anstehenden Streik sind Eltern scharenweise zu privaten Trägern gewechselt, weil das Betreuungsangebot in den kommunalen Kitas oft nicht zuverlässig war.
Die Gewerkschaften Verdi und GEW fordern vom Senat bereits seit einigen Jahren, mit ihnen einen Tarifvertrag zur Entlastung der Beschäftigten städtischer Kitas und für bessere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Dort sollen unter anderem Regelungen zu Gruppengrößen und zum Ausgleich von Belastungen verankert werden.
Der Senat lehnte das mit Verweis auf die Mitgliedschaft Berlins in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder bisher ab - die Hauptstadt könne hier keinen Sonderweg gehen. Zuletzt signalisierte Verdi, dass man nicht auf einem Tarifvertrag beharre, wenn es auch andere Lösungen im Sinne der Beschäftigen gebe.
Aus Sicht von Verdi ist ein Tarifvertrag die gewünschte, aber nicht die einzige Lösung. Ziel sei eine rechtssichere, verbindliche Vereinbarung haben, die nachher auch individuell einklagbar ist, heißt es aus Verdi-Kreisen.

In Niedersachsen gibt es derzeit einen ähnlichen Fall, Verdi will dort die Entlastung von Angestellten der Medizinischen Hochschule Hannover erreichen. Das Land hat sich dort inzwischen zu Verhandlungen bereiterklärt, das Ergebnis wird am Ende aber rechtlich betrachtet wohl kein Tarifvertrag, sondern ein anderes Vertragswerk sein.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bedauerte, dass Verdi die Gespräche abgebrochen hat. „Das Land Berlin hat in den Gesprächen erhebliches Entgegenkommen gezeigt und war bereit, substanzielle Angebote zu machen. Dazu gehörte insbesondere die Anerkennung der angespannten Bedarfssituation sowie die Bereitschaft, über wirksame, verlässliche und rechtssichere Entlastungsregelungen für die pädagogischen Beschäftigten zu verhandeln.“
Diese Verhandlungsbereitschaft sei von Verdi nicht gewürdigt worden. „Statt gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, setzt die Gewerkschaft auf Eskalation und gefährdet dadurch eine verlässliche Betreuung unzähliger Kinder und Familien in Berlin.“
Im Herbst findet in den Kitas oft die Eingewöhnung neuer Kitakinder statt, diese sensible Phase wird nun durch die Streiks torpediert. Durch immer wieder tageweise Streiks ausgelaugte Eltern müssen wieder mit Betreuungszeit und Job jonglieren. Und das diesmal auf unbestimmte Zeit.
„Angesichts der kompromisslosen Haltung der Gewerkschaft, mit der auch die Kita-Eigenbetriebe beim gestrigen Versuch, eine Notdienstvereinbarung zu verhandeln, konfrontiert wurden, behält sich das Land nunmehr rechtliche Schritte vor“, so Katharina Günther-Wünsch. ■