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Berliner Schandfleck: Kot, Junkies, Dealer und Müll vor der Kita

Das Problem mit der Drogenszene am Leopoldplatz breitet sich längst in angrenzende Kieze aus. Nun schlagen auch hier die Anwohner Alarm.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Beliebter Platz für Junkies: der Eingang zur Kita an der Reinickendorfer Straße. An diesem Morgen muss eine Urinlache weggewischt werden. 
Beliebter Platz für Junkies: der Eingang zur Kita an der Reinickendorfer Straße. An diesem Morgen muss eine Urinlache weggewischt werden. Markus Wächter

Die erste Mitarbeiterin, die im Kinderladen Umpalumpa an der Reinickendorfer Straße in Berlin den Dienst antritt, macht normalerweise erst einmal sauber. Urin, Kot und Unrat liegen regelmäßig vor der Eingangstür, durch die schon wenig später kleine Kinder gehen sollen.

Der Kiez um den Nauener Platz hat ein Müllproblem und – viel schlimmer – er hat ein Drogenproblem. Während alle Augen auf den nahen Leopoldplatz gerichtet waren, hat sich die Crack-Szene auch in die umliegende Kieze verlagert. Nun schreiben hier die Anwohner Brandbriefe an die Bezirkspolitik. Auch dem KURIER liegt ein solcher Brief vor.

Brandbrief aus dem Drogenkiez

„Ich wende mich an Sie, weil wir seit Beginn dieses Jahres besorgniserregende und schier kaum mehr auszuhaltende Entwicklungen im Nauener Kiez im Wedding beobachten müssen“, schreibt eine Anwohnerin.

Offenbar sei der Nauener Platz und anliegende Einrichtungen, wie das Familienzentrum am Nauener Platz, ein Seniorenheim der Kaiser Wilhelm- und Augusta-Stiftung sowie die gesamte Wiesenfläche zwischen diesen beiden Einrichtungen zu einem Drogenhandel- und Konsumplatz geworden, der in Berlin seinesgleichen suche.

Seit Monaten schon beobachten die Anwohner den regen  Drogenhandel und -konsum. Eine idyllische Ecke war der Platz am U-Bahnhof Nauener Platz noch nie, doch mit jedem Jahr sei die Verwahrlosung im öffentlichen Raum schlimmer geworden, berichten Anwohner.

Junge Männer lungern auf dem Spielplatz herum

Als wir vor Ort sind, fallen sogleich junge Männer mit Bauchtaschen auf, die auf dem Spielplatz herumstehen und schnell verschwinden, als wir uns mit der Kamera nähern. Ein Polizeiwagen in der Nähe scheint sie indes nicht zu stören. Auf den Spielplätzen in der Umgebung liegen auch am Vormittag noch schlafende Menschen. Kein Ort, um unbeschwert mit Kindern zu spielen.

Ein Obdachloser schläft auf einem Spielplatz im Nauener Kiez. 
Ein Obdachloser schläft auf einem Spielplatz im Nauener Kiez. Markus Wächter

Die Leiterin des Kinderladens muss sich jeden Tag mit den Folgen des offenen Drogenkonsums vor den Fenstern der Kita beschäftigen. Sie spricht dann Konsumenten im Eingang meist freundlich an und bittet sie, sich einen anderen Ort zu suchen. „Ich muss freundlich bleiben, weil ich nicht will, dass sie aggressiv werden, oder Dinge beschädigen“, sagt sie. Dauerhaft vertreiben lassen sich die Süchtigen und die Dealer nicht.

Mit dem Laufrad ins Drogengeschäft rollern

Wenn sie mit den Kindern auf einen Spielplatz in der Nähe gehen wollen, müssen die Erzieherinnen sie manchmal sogar daran hindern, mit dem Laufrad mitten in Drogengeschäfte zu rollern, berichtet die Leiterin. 

Die meisten Anwohner fahren eine Strategie des Rückzugs, auch wenn sich Akteure im Kiez wie das Familienzentrum zu Aktionsrunden treffen und gemeinsam überlegen, wie man den Kiez wieder lebenswerter machen kann.

Das Zusperren von Spielplätzen sei jedenfalls Fall keine Lösung, „dann sind wir alle bestraft“, sagt die Leiterin des Kinderladens. Mehr Putz-Einsätze, mehr Kontrolle aber würden aus ihrer Sicht schon ein Anfang sein. 

Armut und Drogensucht ist in den Straßen rund um die Reinickendorfer Straße sichtbar. 
Armut und Drogensucht ist in den Straßen rund um die Reinickendorfer Straße sichtbar. Markus Wächter

Anwohner sehen im Nauener Kiez Politik in der Pflicht

Andere Anwohner sehen die Politik in der Pflicht: „Leider kann der ständige Einsatz der Kollegen und Kolleginnen der Polizei (für den wir sehr dankbar sind!) das Problem nicht lösen – sondern die Politik!“, heißt es in dem Brandbrief.

Bis die aber tätig wird, bleibt den Mensch vor Ort wie der Erzieherin nichts als den Drei- und Vierjährigen zu sagen: „Dort drüben sind böse Menschen, die ungesunde Dinge tun, geht nicht dorthin“, wenn auf den Gehwegen oder auf dem Gelände des Altersheimes oder vor der Kita Drogenkonsumenten ungestört ihre Crackpfeifen anzünden.

Wenn sich nichts ändere, zögen „immer mehr Normalbürger, die es sich leisten können, aus diesem Sodom und Gomorrha in andere Stadtteile bzw. ganz aus Berlin weg“, fürchtet die Anwohnerin, die seit zehn Jahren im Kiez lebt. 2024 sei der bisherige Tiefpunkt der Anarchie und politischen Vernachlässigung des Kiezes.

Regelmäßige Putzeinsätze verbessern nur wenig

Immer wieder beseitigen Mitarbeiter des Grünflächenamtes den Dreck. Doch sie kommen kaum hinterher. 
Immer wieder beseitigen Mitarbeiter des Grünflächenamtes den Dreck. Doch sie kommen kaum hinterher. Markus Wächter

Ist es schlimmer geworden, mit dem Dreck? Auch der Mann, der im Auftrag des Grünflächenamtes Mitte auf dem Spielplatz am Nauener Platz Müll wegräumt und fegt, sieht die zunehmende Verwahrlosung. Acht große schwarze Säcke sind in dieser Woche schon voll geworden und warten auf Abtransport. Einige mehr wurden schon abgeholt. Spritzen, Fäkalien, Müll, es gibt wenig, was er hier nicht schon weggeräumt hätte, was er hier nicht schon gesehen hätte. Die Augen vor dem Problem verschließen? Das wollen die Anwohner, Kinder und Eltern hier nicht mehr. 

Dealer- und Junkie-Treff: eine Grünanlage am Nauener Platz. 
Dealer- und Junkie-Treff: eine Grünanlage am Nauener Platz. Markus Wächter

Dem Bezirk ist die aktuelle Lage und die „Versprengung der Szene in das Umfeld vom Leopoldplatz bekannt“. „Dies ist die Folge von regelmäßigen Polizeieinsätzen am Leopoldplatz, die dazu führen, dass sich die Dealer und damit auch die drogengebrauchenden Menschen nur noch temporär am Leopoldplatz aufhalten. Die erhöhte Sicherheit auf dem Leopoldplatz führt somit zu einer Verdrängung in die Nebenstraßen“, heißt es in einer Antwort auf eine KURIER-Anfrage. 

Die Maßnahmen am Leopoldplatz seien nach wie vor vorhanden und werden in Anspruch genommen. „Darüber hinaus sind die Hilfsangebote nun auch mobiler geworden. Beispielsweise der Träger Fixpunkt e.V. bietet nun nicht mehr ausschließlich Beratung und Hilfe vor Ort an, sondern ist wieder verstärkt aufsuchend im Bezirk Mitte tätig. Ziel ist es die Menschen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten und entsprechend Unterstützungsangebote zu machen.“

Der Bezirk Mitte verweist auf die Notwendigkeit, landesweite Strategien zu erarbeiten: „Die Problemlage einer Versprengung und höheren Mobilität der Szene macht an Bezirksgrenzen nicht halt. Dies zeigt, dass eine bezirksübergreifende Landesstrategie nötig ist, um auf die wachsenden Probleme im öffentlichen Raum zu reagieren. Hier sind Maßnahmen der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege geplant, wie beispielsweise überbezirkliche Straßensozialarbeit für drogengebrauchende Menschen. Auch wenn dies nicht ausreichend ist, so ist es jedoch ein erster Schritt, vernetzt und übergreifend zu denken.“  ■

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