Was sollte man in Berlin besucht haben? Den Fernsehturm, den Reichstag und das Brandenburger Tor. Dann noch rüber zur Museumsinsel und ein Selfie mit Soldaten am Checkpoint Charlie. Berlin, die einst geteilte Stadt hat mit ihrer Geschichte jede Menge Potenzial, Besucher zu begeistern. Auch Nachtleben, Clubs und Kieze sind vielfältig und bunt. Dennoch hat Berlin in den letzten zehn Jahren weniger Touristen angelockt. Sind die guten Berlin-Tage vorbei und andere Ziele en vogue?
Die deutsche Hauptstadt ist kein Trendziel mehr, zumindest wenn man die Verkäufe eines der meistgelesenen Reiseführer betrachtet. Was kommt stattdessen? Wien vielleicht? Die Reiseführer-Verkaufszahlen zeigen jedenfalls, dass Städte wie London und Paris immer gut laufen, aber Berlin in den letzten zehn Jahren einen Absturz erlebt hat.
Laut Media Control gehörte „Berlin“ im Jahr 2014 zu den „Top Drei“ der in Deutschland am häufigsten verkauften Titel der Reiseführerreihe „Marco Polo“. Im Jahr 2024 war „Berlin“ dagegen nicht mal mehr in den Top Ten. Wien dagegen stieg auf – von Rang neun 2014 auf Platz zwei im vergangenen Jahr.
Statt Berlin und Barcelona lieber nach Lissabon und Kreta
Sogenannte Trendziele 2024 waren laut Verlag MairDumont, in dem die Reihe „Marco Polo“ erscheint, Kreta, Sardinien, Lissabon und Madeira, während es zehn Jahre zuvor Berlin, Barcelona, Amsterdam und Hamburg gewesen seien.
Am häufigsten verkauft wurden im vergangenen Jahr laut Media Control die folgenden „Marco Polo“-Titel: 1. London, 2. Wien, 3. Paris, 4. Mallorca und 5. Kreta. Im Jahr 2014 waren die Top Five – und zwar in dieser Reihenfolge – die Titel Mallorca, London, Berlin, Paris und Barcelona. Deutlich wird: London, Paris und Mallorca gehen in der deutschen Bevölkerung offensichtlich immer, andere Ziele unterliegen dagegen Trends und wechseln.

Berlin verpasst Anschluss an den Touri-Boom vor Corona
Berlin – die Stadt von Brandenburger Tor, Museumsinsel und dem legendären Club Berghain – hat in der Tat seit der Pandemie insgesamt weniger Touristen. Die deutsche Hauptstadt fand – anders als andere angesagte Großstädte – nicht wieder Anschluss an den Boom der Vor-Corona-Zeit.
Im Jahr 2019 wurden noch rund 14 Millionen Touristen gezählt. Im vergangenen Jahr besuchten nun rund 12,7 Millionen Menschen die Bundeshauptstadt. Immerhin: Erstmals seit 2019 verzeichnete das Gastgewerbe 2024 wieder mehr als 30 Millionen Übernachtungen. Übernachtungen bei Freunden und Bekannten oder auch über Plattformen wie Airbnb vermittelte Ferienwohnungen sind in der Statistik nicht enthalten.
Der typische Berlin-Besucher ist nach Erhebungen durchschnittlich 40,3 Jahre alt. 60 Prozent der Menschen, die Berlin als Reiseziel auswählten, kommen aus Deutschland. Die Hälfte stammt aus den drei bevölkerungsreichsten Bundesländern, aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Knapp 50 Prozent der Urlauber kommen zum wiederholten Mal, 36 Prozent sind zum ersten Mal in der deutschen Hauptstadt. Positiv: In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen 59 Prozent „sehr sicher“ oder „sicher“ wiederkommen – Berlin hat einfach viel zu bieten.
40 Prozent der Berlin-Besucher aus dem Ausland
Rund 40 Prozent der Berlin-Reisenden kommen aus dem Ausland. Die wichtigsten Herkunftsländer sind laut Tourismusverband Visit Berlin Großbritannien, die USA, die Niederlande, Italien und Spanien.
Wenn Gäste nach Berlin kommen, so sind sie laut „Qualitätsmonitor“ von Visit Berlin vor allem an den Sehenswürdigkeiten (63 Prozent) und am Kunst- und Kulturangebot (61 Prozent) interessiert. 53 Prozent der Reisenden entscheiden sich wegen der Vielfalt und der Qualität des Angebotes für Berlin, 37 Prozent wegen des Stadtbildes und der Architektur. Tradition und Geschichte bewegen 29 Prozent in die Stadt, 24 Prozent folgen einer Empfehlung. Events, das Nachtleben und gute Erlebnisse in der Vergangenheit ziehen jeweils 22 Prozent nach Berlin. Für ausländische Gäste sind die kulturtouristischen Aspekte von größter Bedeutung.

Der Flughafen BER als Problem für Touristen
Ein Problem Berlins ist es, keinen international relevanten Flughafen zu haben. Der BER gehört zu den wenigen großen Airports Europas, die heute nicht mindestens dasselbe Passagieraufkommen haben wie vor der Pandemie.
Touristen aus Amerika und Asien müssen für einen Berlin-Besuch oft mehr Aufwand betreiben und Reisestrapazen auf sich nehmen als etwa für London und Paris, aber auch Amsterdam und Madrid, Istanbul und Rom.
Aus historischen Gründen ist Deutschlands Drehkreuzflughafen Frankfurt, daneben noch München. Das hat natürlich mit der besonderen Geschichte Berlins im geteilten Deutschland zu tun. Im Ergebnis bleibt Berlin global und international etwas abgehängt.
Berlin ist vielen nicht sehr sympathisch, wie eine Umfrage ergab
Im deutschsprachigen Raum, in dem der Reiseführer „Marco Polo“ populär ist, ist Berlin oft umstritten. Die deutsche Hauptstadt gilt vielen keinesfalls als sehenswerteste Millionenstadt. So ergab eine Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur vor gut zwei Jahren, dass die Erwachsenen in der Bundesrepublik von den fünf deutschsprachigen Millionenmetropolen Berlin (und Köln) am wenigsten mögen. „Am sympathischsten“ finden die meisten Hamburg, vor München und Wien. ■