Weil sie „stören“ ...

Herzlos-Berliner: Vorm Urlaub werden Hund und Katze ins Tierheim abgeschoben

In der Hauptstadt wurden seit Beginn der Sommerferien schon mehr als 100 Tiere im Tierheim Falkenberg abgegeben. 1500 Tiere leben hier inzwischen.

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Herzlos: Vor Beginn des Sommerurlaubs werden viele Tiere in die Tierheime abgeschoben.
Herzlos: Vor Beginn des Sommerurlaubs werden viele Tiere in die Tierheime abgeschoben.Martin Schutt/dpa

Wie kann man nur so herzlos sein? Seit Beginn der Sommerferien in Berlin wurden schon mehr als 100 Tiere im Berliner Tierheim abgegeben. Die Sommermonate seien eine besondere Herausforderung für das Heim, sagt eine Sprecherin. „Dann gibt es vermehrt Katzen und Katzenbabys und leider auch immer wieder Tiere, die wegen Urlaubsreisen schnell wegmüssen.“

Das Berliner Tierheim in Falkenberg hat seit Januar mehr als 2460 Tiere aufnehmen müssen. Wegen der Engpässe sei die Warteliste, um einen Hund ins Tierheim zu bringen, mittlerweile mehr als ein Jahr lang. Nach Angaben des Tierschutzbunds werden Tiere aus verschiedenen Gründen abgegeben: hauptsächlich wegen Überforderung, Zeitmangel und gestiegener Kosten für den Tierarzt. Manchmal sei der bevorstehende Sommerurlaub dann der entscheidende Punkt und ein Tier werde abgegeben.

Kein reines Berliner Problem: Die Tierheime in Deutschland sind nach Einschätzung der Tierschutzorganisation Peta ausgelastet. „Die Situation der Tierheime ist prekär und war es auch in den letzten Monaten“, heißt es. Immer wieder verhängten Tierheime Aufnahmestopps. Rund 350.000 Tiere warteten laut der Organisation bundesweit in einer Einrichtung auf ein neues Zuhause.

Im Berliner Tierheim sind mehr als 1500 Hunde, Katzen & Co. untergebracht

Einige Tierheime hätten durchaus mit vermehrten Aufnahmen von Tieren in der Sommerferienzeit zu kämpfen, heißt es vom Deutschen Tierschutzbund. Laut dem Dachverband, der unter anderem 550 Tierheime vertritt, seien die Heime mittlerweile in der Regel das ganze Jahr über „stark oder sogar voll belegt“.

In Berlin, im nach eigenen Angaben größten Tierheim Europas, sind mehr als 1500 Schützlinge untergebracht, darunter Hunde, Kaninchen, Schildkröten und Vögel. Zwischen Spielzeug und Decken kuscheln sich etwa fünf Katzenbabys in einem Gehege an ihre Mama und trinken um die Wette. Die Katze wurde trächtig im Berliner Tierheim abgegeben. Mit ihrem Nachwuchs lebt sie in einem der vier Katzenhäuser des Heims.

Gegen eine Vermittlungsgebühr können die heimatlosen Tiere adoptiert werden. Auf Social Media gibt es aber immer wieder Kritik an der Tiervermittlung in Heimen: Ein TikTok-User beschwert sich in einem Video: „Wollt ihr die Tiere vermitteln oder wollt ihr eigentlich nur allen sagen, dass es total schwer ist mit einem Tier?“ – der Mann hatte bei einem Tierheimbesuch in Berlin nach eigenen Angaben keine Katze mitnehmen dürfen. In anderen Beiträgen heißt es, die Heime setzten eine große Wohnung, einen Garten und am besten Zeit und Geld für gleich zwei Tiere voraus. „Die Anforderungen sind echt krass“, schreibt eine Nutzerin.

Zu viele Hunde im Tierheim Berlin: Wegen der Platzprobleme ist die Warteliste, um einen Hund ins Tierheim zu bringen, mittlerweile mehr als ein Jahr lang.
Zu viele Hunde im Tierheim Berlin: Wegen der Platzprobleme ist die Warteliste, um einen Hund ins Tierheim zu bringen, mittlerweile mehr als ein Jahr lang.Paul Zinken/dpa

Die Berliner Tierheimleiterin Mareen Esmeier entgegnet auf diese Vorwürfe, dass einige Interessenten unrealistische Vorstellungen über den zeitlichen oder finanziellen Aufwand der Tierhaltung hätten. Andere seien „definitiv ungeeignet“, sagt sie.  So seien viele Hunde im Heim Systemsprenger, die wegen schwieriger Hintergründe besondere Ansprüche an den zukünftigen Besitzer hätten.

„Aus einem deutschen Tierheim muss kein Tier ‚gerettet‘ werden“

Viele seien überzeugt, dass es den Tieren in den Heimen schlecht ergehe, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund. Das verzerrte Bild, Tierheime müssten „froh sein können“, wenn Interessenten einen Hund oder eine Katze aufnehmen, sei nicht richtig. „Aus einem deutschen Tierheim muss kein Tier ‚gerettet‘ werden“, sagt sie. Dass Heime überfüllt sind, liege auch an den Interessenten. So seien „unproblematische“, junge und dem Menschen zugewandte Tiere besonders beliebt, sagt Schmitz. In solchen Fällen könnten Heime die beste Lösung für das Tier wählen. Schwieriger sei es bei alten, kranken oder verhaltensauffälligen Tieren, die oft lange im Heimen blieben und Plätze blockierten. Für sie gebe es oft gar keine Interessenten.

Klappt es nicht im Heim, besteht die Gefahr, dass Interessenten sich ein Tier über das Internet besorgen. Laut Peta sei der Verkauf und Handel von Tieren über Online-Portale ein „riesengroßes Geschäft“. „Monatlich finden sich allein auf den 5 größten Onlineplattformen 20.000 Welpen, die zum Kauf angeboten werden“, sagt eine Fachreferentin der Tierschutzorganisation.

 „Menschen, die Tiere über Online-Kleinanzeigenportale kaufen, nutzen diese Möglichkeit meist deshalb, weil sie gewohnt sind, dort alles zu bekommen – und das unkompliziert und schnell“, sagt Lea Schmitz vom Tierschutzbund. Da es den Verkäufern in der Regel nur darum gehe, Profit zu machen, werde auch nicht geprüft, ob Mensch und Tier zueinanderpassen. Die Folge: Viele dieser Anschaffungen landeten am Ende in Heimen. „Genau deshalb, will man ein solches Vorgehen – sprich: unkompliziert und schnell – im Tierheim explizit nicht.“ ■