Schönleinstraße 19. Berlin-Kreuzberg. Die Mieten sind niedrig, hier wird noch mit Kohle geheizt. Jetzt aber haben die 17 Mieter Angst. Angst vor Luxussanierungen. Angst, die Mieten nicht mehr zahlen zu können. Angst, bald auf der Straße zu stehen. Das Haus wurde an einen Wiener Immobilienentwickler verkauft. Der Bezirk könnte helfen, er prüft das Vorkaufsrecht – doch die Zeit rennt.
„Die Zeit drängt, denn die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts endet am 7. Januar. Wenn ein Vorkauf nicht gelingt, sind die Mieter:innen von akuter Verdrängung bedroht“, erklärt Maria Haberer (Grüne), stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen in Friedrichshain-Kreuzberg, der Berliner Zeitung.
Drohanrufe und Telefonterror
Das Haus im Graefekiez wirkt, als wären die Berliner Boomjahre spurlos daran vorbeigegangen. Ein dunkler Hinterhof, vergitterte Fenster im Erdgeschoss. In den Wohnungen gibt es keine modernen Heizungen, vor den Wohnungstüren stehen auf den Treppenabsätzen Ascheeimer – hier wird mit Holz und Kohle geheizt. Manche Wohnungen haben noch nicht einmal Warmwasser.
Zu den Mietern gehören der Filmemacher Felix T. (41) und Pianist Tom Lips (68). Lips ist vor 40 Jahren in seine 50-Quadratmeter-Wohnung im Dachgeschoss eingezogen. „Damals war die Gegend um den Zickenplatz das heruntergekommenste und trostloseste Viertel der Stadt.“ Im Winter verfeuert er zwei Tonnen Eierbriketts für 1800 Euro. „Nur Außenwände“, sagt er. „Nach dem Krieg draufgesetzt. Das alte Dach hatte einen Bombentreffer.“
Sie erzählen, dass das Haus, in dem sie leben, an einen Wiener Immobilienentwickler verkauft wurde, der bekannt für Luxussanierungen sei. Die Immobilienfirma Winegg lässt in der Berliner Zeitung erklären, dass die bestehenden Mietverträge unverändert weitergelten würden. „Da die Käuferin eine Gesellschaft ist, sind Kündigungen aus Eigenbedarf ausgeschlossen. Die Fortsetzung der Mietverhältnisse ist somit rechtlich gesichert.“ Auf Anfrage ließ ein Vertreter der Immobilienfirma mitteilen, dass sich die Firma in vollem Umfang an die gesetzlichen Regelungen halten wolle, Modernisierungen oder Ausbauten nur in geringem Umfang durchgeführt werden dürften.
Doch die beiden Mieter glauben den Beschwichtigungen nicht. Sie berichten, dass der langjährige Eigentümer des Hauses im Jahre 2021 gestorben sei, die Immobilie von einer Erbengemeinschaft übernommen wurde. Dass die bei einem Besuch des Hauses „Entsetzen“ äußerte – darüber, dass die Mieten hier so niedrig und die Wohnungen so heruntergekommen seien.

Die Mieter berichten laut Berliner Zeitung von Drohanrufen und Telefonterror, von Autos mit ausländischen Kennzeichen, die zur Observation plötzlich vor dem Wohnhaus stehen. Winegg bestreitet, etwas damit zu tun zu haben. Doch die grüne Bezirkspolitikerin Maria Haberer bestätigt „Einschüchterungsversuche, denen die Mieter:innen seit Tagen ausgesetzt sind.“
Bisher steht der neue Eigentümer nur vorläufig im Grundbuch. Der Bezirk könnte noch das Vorkaufsrecht ausüben – wenn sich denn bis zum 7. Januar ein Käufer findet, der die Sanierung finanziert. „Wir fragen im Freundes- und Bekanntenkreis rum, wer Geld hat. Klar wollen wir uns beteiligen!“, erzählt Felix T. in der Berliner Zeitung. Viele Mieter seien aber „arm wie Kirchenmäuse“. Sie wollen kämpfen. „Denn wenn wir nichts machen, landen wir auf der Straße“, so die Mieter.
Das Haus kostet 1,4 Mio. Euro
Es ist viel Geld nötig, um das Haus zu übernehmen. In kurzer Zeit. Kaufpreis: 1,4 Mio. Euro. Spätere Sanierungs- und Modernisierungskosten liegen bei 900.000 bzw. 1,4 Millionen Euro. Bisher wurde kein Wohnungsunternehmen für die Übernahme gefunden. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erklärt, dass „ein Vorkaufsbegünstigter den Erwerb des Grundstücks und die anstehende Sanierung finanzieren können und dies auch nachweisen müsse“. Dies werde gerade geprüft.
In der Politik wird um das Haus in der Schönleinstraße gepokert. Stadtrat Florian Schmidt (Grüne) verspricht, mit Senat, der Gewobag, Mietern und interessierten Genossenschaften zu verhandeln. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger sieht den Bausenator in der Pflicht, heißt es in der Berliner Zeitung. Der Senat müsse dem Bezirk eine Finanzierungszusage des Kaufs durch ein landeseigenes Wohnungsbauunternehmen geben. Oder sich bereit erklären, die Genossenschaftsförderung für den Ankauf bereitzustellen.






