Abteilung Schönfärberei

ADAC-Analyse zeigt: So tricksen BVG und S-Bahn die Berliner Öffis pünktlich

Neue Zahlen beweisen, dass eigentlich nur rund die Hälfte aller Berliner S- und U-Bahnen fahrplanmäßig unterwegs sind, doch die Unternehmen melden anderes.

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Volle Bahnhöfe, verspätete Züge: Auch bei der S-Bahn läuft es in Berlin nicht rund.
Volle Bahnhöfe, verspätete Züge: Auch bei der S-Bahn läuft es in Berlin nicht rund.Markus Wächter

Berliner Öffi-Nutzer ärgern sich tagtäglich: über S- und U-Bahnen, die ausfallen oder wieder mal zu spät kommen. Doch BVG und Berliner S-Bahn melden immer wieder Zahlen, die mit der erlebten Realität überhaupt nichts zu tun haben. Die Berliner S-Bahn spricht für das Jahr 2023 von einer Pünktlichkeit von 93,6 Prozent, die U-Bahn sogar von 98,4 Prozent. Doch eine ADAC-Analyse zeigt jetzt, dass die gemeldeten Zahlen durchweg aus der Abteilung Schönfärberei stammen.

„Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“. Das sagte einst der englische Staatsmann Sir Winston Churchill. Man muss nicht immer fälschen, aber manchmal reicht es einfach, die Parameter so zu verschieben, dass das Ergebnis wohlgefälliger klingt. Auf die Berliner Öffis angewandt, heißt das: Hier werden in der Statistik selbst Züge als pünktlich erfasst, die eigentlich superunpünklich sind.

Berlin: So werden unpünktliche Züge pünktlich getrickst

Nach dem Verkehrsvertrag des Senats mit der BVG gilt eine Fahrt mit der U-Bahn auch dann noch als pünktlich, wenn sie zwischen 90 Sekunden vor und bis 210 Sekunden nach der eigentlichen Fahrplan-Abfahrtszeit stattfindet. Das heißt: Bis zu anderthalb Minuten Verfrühung und bis zu dreieinhalb Minuten Verspätung sind okay. Aber nicht für Fahrgäste, die mal wieder einen Anschlusszug verpasst haben oder zu spät zu einem Termin kommen.

Bei der Berliner S-Bahn werden Züge mit einer Verspätung von bis zu 3:59 Minuten am jeweiligen Bahnhof noch als pünktlich gewertet. Die Pünktlichkeitsquote der Deutschen Bahn, zu der die S-Bahn gehört, berücksichtigt auch keine komplett ausgefallenen Züge. Immerhin: Neue Zugverbindungen im Teilnetz Ring gelten ab einer Minute Verspätung als unpünktlich – bundesweit ein Novum und aus ADAC-Sicht vorbildlich.

Eine ADAC-Umfrage ergab, dass „gefühlt“ nur zwei von drei S-Bahnen in Deutschland (63 Prozent) pünktlich sind. Diese subjektive Wahrnehmung berücksichtigt sowohl Verspätungen als auch Ausfälle. Die Nutzer liegen im Schnitt gar nicht so falsch, wie die ADAC-Analyse in Berlin, Hamburg und Frankfurt zeigt.

Denn: Wenn man nur eine Toleranz von bis zu einer Minute ansetzt und Ausfälle einbezieht, sinken die Pünktlichkeitsquoten in Berlin erheblich. Nur 47,8 Prozent der U-Bahnen und 52,7 Prozent der S-Bahnen hatten im September 2024 weniger als eine Minute Verspätung. Selbst nach drei Minuten erreichten in Berlin es nur 83,2 bzw. 85,6 Prozent der Züge das Ziel. 5,9 Prozent der U-Bahnen und 9,3 Prozent der S-Bahnen waren fünf Minuten oder mehr verspätet. 97 beziehungsweise 94 Prozent der Züge kamen letztlich an.

Für die Untersuchung, deren Schwerpunkt im September lag, hatte das IT-Unternehmen Cognizant im Auftrag des ADAC hunderttausende Echtzeitdaten über Schnittstellen der Verkehrsverbünde erfasst und ausgewertet. Dabei galten auch ausgefallene Züge als verspätet.

Verspätungen sorgen auch bei der U-Bahn dafür, dass Fahrgäste ihre Anschlüsse verpassen.
Verspätungen sorgen auch bei der U-Bahn dafür, dass Fahrgäste ihre Anschlüsse verpassen.Contini/imago

Ursachefür die Verspätungen waren laut ADAC vor allem Bauarbeiten an der Schieneninfrastruktur, die größtenteils von der Deutschen Bahn betrieben wird. Dazu kamen zum Beispiel bei der Berliner U-Bahn auch Personalmangel (U-Bahnfahrer) und defekte Züge, wie der KURIER schon mehrmals berichtete.

In neuen Monaten: 107.470 S-Bahnen verspätet

Auch neue Zahlen machen bei der Berliner S-Bahn wenig Hoffnung. Wie der Tagesspiegel berichtet, kamen nach einem Bericht der Deutschen Bahn an das Abgeordnetenhaus in den ersten neun Monaten dieses Jahres 107.470 Züge zu spät. Am unpünktlichsten: Züge auf den Nord-Süd-Strecken. Nur 91,6 Prozent aller S-Bahnen rollten hier fahrplanmäßig. Nach der geschönten Statistikberechung – in Wirklichkeit dürfte die Zahl der Verspätungen also noch viel höher liegen.

Bei der ADAC-Analyse schnitt übrigens Hamburg am besten ab. Beim strengen Maßstab (weniger als eine Minute Verspätung) kommt die S-Bahn in der Hansestadt auf 77 Prozent Pünktlichkeit, die U-Bahn auf 93 Prozent. Innerhalb der 3-Minuten-Toleranz sind 91 Prozent der S-Bahnen und 98 Prozent der U-Bahnen. Noch schlimmer als in Berlin geht es allerdings bei den Öffis in Frankfurt am Main zu. Nur 33 bzw. 46 der Züge sind hier weniger als eine Minute verspätet.

Wie sind ihre Erfahrungen mit den Öffis in Berlin? Schicken Sie uns Ihre Mails an leser-bk@berlinerverlag.com. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten! ■