Seit nunmehr acht Monaten sind in den Pankower Höfen an der Ossietzkystraße die völlig intakten Grünflächen in den Innenhöfen mit Bauzäunen abgesperrt. Pro Monat kostet das und die installierte Kameraüberwachung die Gesobau nach Berechnungen der Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“ 100.000 Euro. Drei Männer vom Wachschutz schlagen die Zeit innerhalb des Zaunes tot, ihre Gehwege haben sich staubig in die Wiese gegraben. Diesen Zustand wollen die Anwohner nicht länger hinnehmen und suchen nun nach neuen Partnern, um ihre Vorstellung von einer schonenden Nachverdichtung zu verwirklichen.
Seit der ersten öffentlichen Bekanntgabe des Gesobau-Vorhabens, in den Pankower Höfen nachverdichten zu wollen, sind fünf Jahre vergangen. Seit Verabschiedung des Aufstellungsbeschlusses für den B-Plan vergingen drei Jahre, in denen im Grünen Kiez Pankow am Schloßpark keine einzige Wohneinheit neu entstanden ist.
Weil weder Senat noch Gesobau oder Bürgermeister Kai Wegner sich in der verhärteten Situation zum Gespräch bereit zeigen, fordert die Bürgerinitiative nun drastischere Schritte.
„Wir wollen die Scheidung“, sagt Britta Krehl, die Sprecherin der Initiative. Derzeit sei man auf der Suche nach Genossenschaften, Stiftungen und anderen Akteuren, die gemeinsam mit den Anwohnern anstelle der Gesobau das Quartier nachhaltig und lebensfreundlich für langjährige und neue Bewohner gestalten wollen.
In Pankow läuft Artenschutz-Ausnahmeverfahren der Gesobau
Im Hintergrund läuft derweil im Pankower Bezirksamt ein artenschutzrechtliches Ausnahmeverfahren. Die Gesobau hat es angestrengt, um mit den Baumrodungen und dann mit dem per Sonderbaurecht durchgeboxten Bau zweier massiver Häuser für 420 Geflüchtete beginnen zu können. Die als Ausgleichsmaßnahme von der Gesobau gepflanzten Sträucher sind unterdessen mickrig anzusehen und vertrocknen.
Wir akzeptieren nicht, dass uns die Nutzung unserer Wohngrünflächen weiterhin verwehrt bleibt!
Die Zeit bis zur Entscheidung im Bezirksamt Pankow wollen Bürger und Verbände nicht ungenutzt verstreichen lassen und versuchen nun auch, neue Bündnispartner zu finden.
„Wir akzeptieren nicht, dass uns die Nutzung unserer Wohngrünflächen weiterhin verwehrt bleibt!“, schreiben die Bürger in einer Mitteilung. Ebenso wenig nehme man hin, dass Dutzende von Bäumen gefällt werden. Immerhin hat Pankow 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Rückendeckung bekommen die Pankower bei ihren Forderungen von zahlreichen Umweltschutzverbänden.
Genossenschaft im Grünen Kiez Pankow
Inspiriert vom Pankower Tuntenhaus, das von einer Stiftung gekauft und von einer Genossenschaft saniert werden soll, rufen die Anwohner zu einem Call-to-Action auf! „Wir suchen für unser Vorhaben Verbündete wie Genossenschaften oder Stiftungen, die sich am landeseigenen Gesobau-Quartier beteiligen und die Ideen des B-Plans mit uns gemeinsam ökologisch, sozial und partizipativ umsetzen möchten.“
Ein Modellkiez soll entstehen, in dem gezeigt wird, wie natur- und sozialverträgliches Bauen in einer sich zuspitzenden Klimakrise gelingen kann.
Mit einer moderaten Bebauung, die dennoch 70 Wohneinheiten bereithielte, aber fast alle alten Bäume rettete, mit dem Erhalt des Spielplatzes und weniger Versiegelung soll ein für alle gesundes Wohnumfeld geschaffen werden.
Bei der Umsetzung dieser Planung bliebe auch Platz, mit neuen Bewohnern in Kontakt zu kommen. „68 Kiezkonzerte haben wir hier schon veranstaltet, wir würden gern das 69. und 70. machen“, sagt Britta Krehl. Integration brauche auch Begegnungsräume.

Wenn sich der Kompromiss nicht mit der Gesobau verwirklichen lasse, wofür sich die BI immer noch offen zeigt, dann müssten eben neue Akteure gefunden werden. In Pankow gebe es längst preisgekrönte Wohnungsgenossenschaften wie die EWG oder Berlinovo, die nachhaltiger bauen, erklärt Britta Krehl. Auch Pankows Bezirksstadtrat für Bauen, Cornelius Bechtler, kämpft weiter für eine schonende Nachverdichtung.
„Der Bezirk Pankow ist weiterhin der Überzeugung, dass eine schonende Nachverdichtung in klimaneutraler Bauweise mit Erhalt des Baumbestands sowie der Grün- und Spielflächen vor Ort möglich ist. Ich stehe daher jederzeit für konstruktive Gespräche bereit und hoffe sehr, Senatsverwaltung und Gesobau dazu bewegen zu können, sich dafür mit der Initiative und uns als Bezirk an einen Tisch zu setzen“, so Bechtler.
Was heute gebaut wird, steht Jahrzehnte
„Das, was heute gebaut wird, steht noch in Jahrzehnten. Aber wir werden in einer anderen Welt leben, in der extreme Wetterereignisse häufiger auftreten. Man müsse beim Bauen gegensteuern und mit Grünflächen die Stadt zukunftstauglich machen“, erläutert Gerrit Naber von der Bewegung Klimaneustart, die die Pankower unterstützt.
„Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind wegen steigender Zinsen unter großem Druck und bekommen zunehmend Finanzierungsprobleme, genossenschaftliche Modelle sind da interessanter“, erklärt Architektin Theresa Keilhacker. Vielleicht wäre ein Umdenken in der verfahrenen Situation also auch für die Gesobau eine Chance, ein lästiges Projekt aus den Finanzen zu bekommen?

„Auf dem Weg zur Klimaneutralität sollen die klimaschädlichen CO₂-Emissionen bis 2030 um mindestens 70 Prozent und bis 2040 um mindestens 90 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 sinken. Mit diesen im EWG Bln (Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz) festgelegten Klimaschutzzielen will Berlin seinen Beitrag zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Paris leisten. Im Koalitionsvertrag steht: Wir streben eine ‚Netto-Null-Versiegelung‘ an. Hier macht sich ein Bezirk auf, vorbildlich mit einem Klimaschutzkonzept voranzugehen und dieses in Einklang mit dem Bedarf neuen Wohnraums zu bringen, aber der Senat zieht das Verfahren an sich, um alle integralen Bemühungen zu konterkarieren. Das ist weder ökologisch noch sozial ausgewogen“, so Theresa Keilhacker, die sich auch für das Bündnis Klimastadt Berlin 2030 engagiert.