Tim Cadogan ist CEO von GoFundMe, der größten Spendenplattform der Welt. Dort kann jeder mit wenigen Mausklicken Spenden oder einen Spendenaufruf starten. Einst vor allem genutzt, um die Härten des amerikanischen Sozialsystems abzufedern, wächst heute kein anderer Markt so schnell wie der in Deutschland. Bei seinem Besuch in Berlin erzählt Cadogan, wie spendabel die Berliner sind und erinnert sich an eigene harte Zeiten in Kreuzberg vor 30 Jahren. Da wäre er fast selber einmal auf Spenden angewiesen gewesen.
Tim Cadogan arbeitete 1989 für ein paar Monate in West-Berlin als Umzugshelfer bei der Firma Franz Pietsch und schleppte in den heißen Sommermonaten für amerikanische GIs Kisten und Möbel. Seine Mutter ist Deutsche, er sollte in Berlin Deutsch lernen. „Ein harter Job“, erinnert sich der 54-Jährige. Und das Schlimmste: Für die Bars in Berlin hatte er trotz Buckelei nicht genug Geld. Ob ein Spendenaufruf damals geholfen hätte?
„Wir könnten jeden Tag zehn Drehbücher für Hollywoodfilme schreiben“
Heute ist das Spenden für Menschen in echter Not mit Plattformen wie GoFundMe leichter als je zuvor. „Doch ohne die emotionalen Storys derjenigen, die Spenden sammeln wollen, geht gar nichts“, sagt Cadogan. „Wir könnten jeden Tag zehn Drehbücher für Hollywoodfilme schreiben.“ Menschen sammelten vor allem Spenden, wenn es einscheidende Erlebnisse in ihrem Leben gebe. Bei Krankheit, Verlust oder nach Unfällen. Aber auch für Feiern, soziale Projekte oder Klimaschutzprojekte werden Geber gesucht.
Dabei wägen die Menschen den Schritt, in die Öffentlichkeit zu gehen, meist genau ab. Immerhin teilen sie mit Fremden dann oft sehr persönliche Geschichten. Da ist etwa die Mutter mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Oder eine Beerdigung, die finanziert werden soll. Auch letzte Wünsche werden gesponsert.
Berliner spendeten für Unioner Torwart
In Deutschland gebe es, anders als in Amerika, zwar eine gute medizinische Versorgung, so Cadogan, dennoch drehten sich auch hierzulande die meisten Spendenaufrufe um eine bessere Versorgung bei Krankheiten. Die größte Spendenbereitschaft der Berliner erfuhr dabei Unions U19-Torwart Berkin Arslanogullari. 325.000 Euro kamen für den an Knochenkrebs Erkrankten zusammen.

Seit dem Start von GoFundMe in Deutschland im Jahr 2017 wurden in Berlin über 40.000 Spendenaktionen und 40 Millionen Euro gespendet. 14 Millionen davon allein 2024.
Derzeit laufen die unterschiedlichsten Aktionen in Berlin: Das Käthe Kollwitz Gymnasium sammelt für die Ausrichtung des Abiballs, ein Wanderer will 1000 Euro für die Suppenküche Pankow zusammen bekommen. Es sind die kleinen und die großen Schicksale, die auf der Plattform sichtbar werden.
„Wir alle brauchen irgendwann in unserem Leben Hilfe“, so Tim Cadogan. „Wir haben das simple und archaische Konzept vom einander Helfen in die Moderne transportiert und sehr einfach gemacht“, beschreibt er die Idee von GoFundMe. Verwerflich mit der ureigenen menschlichen Hilfsbereitschaft als Unternehmen auch noch Geld zu verdienen, findet er das Konzept nicht.
„Ich arbeite lieber für ein Unternehmen, das Gutes tut“, sagt Cadogan. Mit den Einnahmen, die ebenfalls auf Spendenbasis erzielt werden, könne man unter anderem die Teams für Glaubwürdigkeits-Checks finanzieren und so gewährleisten, dass das Spendengeschäft wirklich sauber und transparent abläuft. Pro Transaktion gehen 2,9 Prozent Gebühren und 25 Cent automatisch an die Finanzdienstleister wie PayPal & Co. GoFundMe lebt nur vom freiwilligen Trinkgeld, das man per Klick geben kann, aber nicht muss. Den Rest erhält der oder die Bedürftige. „Wir wollen so viel Geld wie möglich an die Person weitergeben, die das Geld braucht“, so Tim Cadogan.

„Menschen wollen helfen“, weiß Tim Cadogan. Bei seinen Vorträgen gingen stets alle Hände hoch, wenn er frage, wer gerne anderen helfe. Altruismus ist in unserer DNA fest verankert.
Und für die Menschen, denen geholfen wird, ist es ermutigend zu sehen, wie viele sich für das eigene Schicksal interessieren. „Die finanzielle Unterstützung ist das eine, die emotionale Unterstützung aber ist mindestens genauso wichtig“, so Cadogan.
Dabei sind die als schroff geltenden Berliner durchaus großzügig. Nach Hamburg liegt Berlin beim Spendenaufkommen der Bundesländer auf Platz zwei. Glaubt man manchmal gar nicht, wenn man im Berliner Alltag unterwegs ist.