In Deutschland sind 34,3 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Raucher. Diese Angabe stammt aus einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums und entspricht dem Stand im Juli 2023. Im Vergleich dazu beträgt der Anteil der Raucher in England nur 14 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass Deutschland eine der schlechtesten Tabakkontroll-Politiken hat, wie Professor Heino Stöver betont, der Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences. Und das sei ein Skandal.
Der Wissenschaftler offenbart in der Berliner Zeitung, dass er selbst über einen Zeitraum von 15 Jahren ein leidenschaftlicher Raucher war, bevor er sein Leben dem Thema Rauchen verschrieb. „Das ist 40 Jahre her, ist aber seither mein Lebensthema. Denn ich weiß genau, wie schwer es ist, mit dem Rauchen aufzuhören, immerhin hatte ich es viele Male probiert, bevor es klappte. Und heute weiß ich, wie gut es sich anfühlt, nicht mehr zu rauchen.“
Letztendlich schaffte Stöver es, das Rauchen aufzugeben, als sein Kind zu früh geboren wurde und im Inkubator lag. Zu jener Zeit ging er immer wieder vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen, und ärgerte sich über sich selbst, da er dadurch nicht genug Zeit mit seinem Kind verbringen konnte. Also beschloss er, es zu lassen. Aber diese Art des Rauchstopps sei natürlich nicht empfehlenswert, scherzt der Suchttherapie-Experte.
Im Verlauf dieses Jahres veröffentlichte er ein Buch, in dem Fachleute die wirksamsten Strategien und Methoden zum Rauchstopp diskutieren. Dabei gehen sie der Frage nach, was am besten funktioniert und für welche Gruppen welche Ansätze geeignet sind.
34,3 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind Raucher
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt nachdrücklich die Einrichtung von Strategien zur Verringerung der Nachfrage und des Angebots von Tabakprodukten sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Gefahren des Rauchens. Laut dem Bundesgesundheitsministerium sind die Reduzierung des Tabakkonsums und ein umfassender Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens vorrangige gesundheitspolitische Ziele, die die Bundesregierung mittels koordinierter präventiver, gesetzlicher und struktureller Maßnahmen verfolgt.

In diesem Zusammenhang, so die Berliner Zeitung, führt die Behörde Maßnahmen wie Preiserhöhungen, Abgabeverbote von Zigaretten an Minderjährige, Präventionskampagnen, Einschränkungen bei der Werbung, Vorgaben zur Verpackungsgestaltung und den Schutz von Nichtrauchern am Arbeitsplatz auf.
Heino Stöver, Experte für Suchtfragen, betrachtet diese Erklärungen jedoch lediglich als wohlklingende Worte und weitgehend leere Formulierungen. Die von der WHO empfohlenen Maßnahmen seien wissenschaftlich belegt. England setze sie sehr gut um, weshalb die Raucherzahlen dort seit Jahren massiv zurückgegangen sind.
Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland
Im Gegensatz dazu ist in Deutschland immer noch Werbung für Zigaretten an Verkaufsstellen erlaubt, wenn auch nicht in dem Umfang wie früher, als der Marlboro-Mann über Bildschirme ritt und das in die Luft springende HB-Männchen als Aufkleber verteilt wurde. „Wir sind die Einzigen in Europa, die überhaupt noch Zigarettenwerbung zulassen“, sagt Heino Stöver. Außerdem stünden noch immer „340.000 frei zugängliche Zigarettenautomaten herum“, so der Wissenschaftler.
Besonders das Einstiegsalter ist ein Schlüssel zur langfristigen Reduzierung des Rauchens. Je länger man nicht raucht, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man im Erwachsenenalter damit beginnt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit und das Sterberisiko. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jährlich sterben hier über 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, betont das Bundesgesundheitsministerium.
Acht von zehn Rauchern vollen ihr Rauchverhalten ändern
Heino Stöver ist umso mehr verärgert darüber, dass Deutschland lediglich Selbstverpflichtungen hat, jedoch keine konkrete politische Strategie wie andere europäische Länder. Sowohl Frankreich als auch England streben an, bis 2030 rauchfrei zu werden, was bedeutet, dass höchstens fünf Prozent der Bevölkerung rauchen. Deutschland plane hingegen, sich bis 2040 Zeit zu lassen, sagt Stöver in der Berliner Zeitung.
Der Professor zweifelt daran, dass Deutschland dieses Ziel erreichen kann, wenn es im bisherigen Tempo weitermacht. Tatsache ist, so betont Heino Stöver, dass mehr als 80 Prozent der rauchenden Bevölkerung ihr Rauchverhalten verändern wollen. Die Motivation ist enorm, aber die verfügbaren Maßnahmen und Hilfestellungen seien äußerst begrenzt.
Dies beginnt bereits bei dem Ansatz, dass man am besten sofort und endgültig aufhören sollte. Dies gelinge den Wenigsten, da die Gewohnheit des Rauchens und das damit verbundene Ritual sowie die körperliche und psychische Abhängigkeit oft sehr stark sind, erklärt der Experte für Suchttherapien. Er schlägt stattdessen einen Mix aus Verhaltens- und Verhältnisprävention vor.
Ersteres beinhaltet, Menschen Techniken und Wissen beizubringen, damit sie verstehen, wie und was funktioniert. Die zweite Säule zielt auf eine Änderung der äußeren Umstände ab. Es sei erforderlich, die Zigarettenautomaten abzuschaffen und die Zigarettenschachteln einheitlich in Farbe und Schriftart zu gestalten. Des Weiteren sollten alle Tabakerzeugnisse aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden, einschließlich der Kioske und Läden. Sie müssten unsichtbar gemacht werden, führt Heino Stöver aus.

In England werden die Zigaretten hinter verschlossenen Schranktüren aufbewahrt, teilt der Wissenschaftler mit. Zusätzlich waren die Preise dort schon immer höher als hierzulande. Aus Sicht von Fachleuten könnte der Preis eine weitere Stellschraube sein, um den Zigarettenkonsum zu reduzieren.
Heino Stöver empfiehlt einen Preis von zehn bis zwölf Euro pro Packung. Parallel dazu sollten kostenlose Entwöhnungskurse angeboten werden, wie es bereits von einigen Krankenkassen praktiziert wird. Die wichtigste Erkenntnis, betont Heino Stöver in der Berliner Zeitung, ist, dass das Aufhören ein Prozess ist, der mit Höhen und Tiefen verbunden ist. Menschen mit anderen Süchten wie Alkohol oder Drogen kennen das: Man bleibt eine Zeit lang clean, hat dann einen Rückfall und beginnt von vorne.
Dies sei zwar mühsam, aber kein Grund zur Verzweiflung, so der Suchttherapeut. Rückfälle seien normal, und es brauche oft mehrere Anläufe, um das Rauchen endgültig aufzugeben. Das mag banal klingen, ist aber eine wichtige Erkenntnis, da es den Druck aus der Situation nimmt, erklärt Heino Stöver.
Rauchersatz- und Entwöhnungsprodukte wie Nikotinpflaster
Sein Rat lautet daher: Geben Sie Ihr Bestes, aber machen Sie sich keine Sorgen, wenn es nicht sofort zu hundert Prozent klappt. Sie können auch die Unterstützung von Ärzten in Anspruch nehmen, wenn Ihnen das weiterhilft. Gemäß der WHO wird die Abhängigkeit von Tabak als psychische Verhaltensstörung angesehen und ist im internationalen Klassifikationsschema aufgeführt. Dies spiegelt sich beispielsweise in den ICD-Codes wider, die auf Krankenmeldungen aufgeführt sind.
Für das Rauchen lautet das entsprechende Kürzel F17.1. In Zukunft sollen Rauchersatz- und Entwöhnungsprodukte wie Nikotinpflaster, -sprays und -kaugummis auf ärztliche Verschreibung hin erhältlich sein, allerdings nur einmal und bei besonders schwerer Abhängigkeit. Zusätzlich bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein kostenloses Entwöhnungspaket an, das man sich nach Hause schicken lassen kann.
Derzeit ist das Rauchfrei-Set, das einen Antistressball und einen 100-Tage-Kalender enthält, bedauerlicherweise vergriffen und nicht verfügbar. Laut der Behörde besteht jedoch auf der Website www.rauchfrei-info.de die Möglichkeit, sich kostenlos für das Rauchfrei-Ausstiegsprogramm der BZgA anzumelden. Teilnehmende werden hier über einen Zeitraum von 21 Tagen während ihres Entwöhnungsprozesses begleitet. Heino Stöver erklärt, dass ein Mix aus solchen Maßnahmen die beste Wirkung zeige.

Er betont, dass Menschen, die ohne Begleitung aufhören, zu 95 Prozent im ersten Jahr nach dem Start des Versuchs scheitern, wobei die meisten bereits in den ersten zwei Wochen rückfällig werden. In diesem Zusammenhang spricht sich der Wissenschaftler auch für weitere Hilfsmittel aus, die beim Aufhören helfen können: Viele Menschen berichten, dass ihnen Hypnose geholfen hat, das Rauchen aufzugeben. Es gibt dafür keine wissenschaftlichen Beweise, aber offensichtlich scheint es zu funktionieren. Das ist doch gut, also warum nicht? Gleiches gelte für die Akupunktur.
Versuch macht klug, betont der Berliner. Und eine Rauchfrei-Hypnose kann im schlimmsten Fall keinen Schaden anrichten. Sie könnten höchstens ein paar Hundert Euro investieren, während derzeit eine Schachtel Zigaretten in der Premiumklasse laut Zigarettenverband acht Euro kostet, wobei man 20 Zigaretten erhält. Bei einem Verbrauch von einer halben Schachtel pro Tag gibt man fast 1500 Euro pro Jahr aus.
Heino Stöver weiß, dass etwa 64 Prozent der Menschen, die das Rauchen aufgeben, auf E-Zigaretten und ähnliche Produkte umsteigen. Dies findet er völlig akzeptabel, solange es ein Schritt in Richtung tatsächliches Aufhören sei, eine gewisse Etappe sozusagen. Bei der Verwendung von E-Zigaretten wird ein Liquid erhitzt. Der entstehende Dampf wird eingeatmet und ausgeatmet, ähnlich wie bei einer herkömmlichen Zigarette.
Der Experte betont jedoch: Bei E-Produkten wird tatsächlich nur Dampf und nicht die Produkte einer Verbrennung eingeatmet, was zu den Schäden in Lunge, Rachen und anderen Körperteilen führt. Obwohl eine E-Zigarette auch nicht gesund ist, ist sie wesentlich weniger schädlich. Es ist die Inhalation von Teer, die herkömmliche Zigaretten besonders problematisch macht, erklärt er weiter.
Nichtraucher-Apps können ebenfalls nützlich sein
Wenn Sie darüber nachdenken, wie Sie am besten mit dem Rauchen aufhören können, rät der Wissenschaftler: Denken Sie darüber nach, was in der Vergangenheit bereits gut funktioniert hat. Bauen Sie darauf auf und fangen Sie wieder damit an. Er empfiehlt außerdem die Lektüre des Buches „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr (11 Euro, 288 Seiten).
Aus seiner Sicht hätte der Autor einen Nobelpreis verdient. Allen Carr war ein ehemaliger Raucher, der wusste, wovon er spricht. Das Buch ist gut geschrieben und fundiert. Leider sei er an Lungenkrebs gestorben. Sie können das Buch als Motivationsquelle und Unterstützung betrachten, da es Ihnen viel Wissen und Hilfestellung vermittelt und dazu beiträgt, dass Sie nicht frühzeitig aufgeben.
Darüber hinaus sollten Sie menschliche Unterstützung suchen. Nichtraucher-Apps, auch kostenfreie, können ebenfalls nützlich sein, da sie unter anderem auflisten, wie viele Tage Sie schon geschafft haben und wie viel Geld Sie seitdem gespart haben. Außerdem zeigen sie an, wie sich Ihr Gesundheitszustand verbessert und liefern motivierende Fakten.
Übrigens: Gesellige Zusammenkünfte, bei denen geraucht wird, können den Ausstieg erschweren. Daher wäre es ratsam, solche Treffen eine Weile zu meiden, bis man sich stark genug fühlt, nicht in Versuchung zu geraten.