Bei Macrons Berlin-Besuch

Frankreichs berühmteste Nazi-Jäger werden in Berlin geehrt

Einst ohrfeigte die Berlinerin Beate Klarsfeld den deutschen Bundeskanzler. Jetzt erhalten Beate und Serge Klarsfeld in Berlin französische Verdienstorden.

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Berühmte Nazi-Jäger: Serge und Beate Klarsfeld. 
Berühmte Nazi-Jäger: Serge und Beate Klarsfeld. AFP

Für die frühere Nazijägerin, die einst einen Bundeskanzler ohrfeigte, ist es eine späte Genugtuung: Die 85 Jahre alte Beate Klarsfeld soll in ihrer Heimatstadt Berlin eine der höchsten französischen Auszeichnungen erhalten. „Für mich war es wichtig, dass es in Deutschland geschieht“, sagt Klarsfeld, die 1968 den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) wegen dessen Nazi-Vergangenheit öffentlich geohrfeigt hatte, in einem AFP-Gespräch in Paris.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will das Ehepaar Klarsfeld am Montag am Rande seines Staatsbesuchs in Deutschland auszeichnen: Beate Klarsfeld erhält die Groß-Offizierswürde, ihr Mann Serge das Großkreuz der Ehrenlegion. Die Zeremonie findet in der französischen Botschaft in Berlin statt, nach Macrons Besuch des Denkmals für die ermordeten Juden Europas zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

„Ich galt ja lange als Nestbeschmutzerin“, sagt Beate Klarsfeld mit Blick auf ihr Verhältnis zu Deutschland. Zwar habe ihr Heimatland sie „nach langem Kampf“ 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, die Zeremonie habe jedoch in Paris in der deutschen Botschaft stattgefunden. „Die Anerkennung meiner Arbeit (durch Deutschland) hat lange gedauert“, sagt sie.

Die aus Berlin stammende Französin Beate Klarsfeld beschimpft während einer Bundestagssitzung 1968 Bundeskanzler Kiesinger als „Nazi“ und „Verbrecher“. Im selben Jahr ohrfeigte sie ihn und wurde mit dieser Tat berühmt.
Die aus Berlin stammende Französin Beate Klarsfeld beschimpft während einer Bundestagssitzung 1968 Bundeskanzler Kiesinger als „Nazi“ und „Verbrecher“. Im selben Jahr ohrfeigte sie ihn und wurde mit dieser Tat berühmt.dpa

Auschwitz-Plan über dem Schreibtisch

Beate Klarsfeld und ihr Mann Serge sind nicht nur als Nazijäger bekannt, die weltweit untergetauchte Nazis aufspürten und vor Gericht brachten, sondern auch als unermüdliche Forscher, die das Schicksal der aus Frankreich deportierten und ermordeten Juden dokumentiert haben. Serge Klarsfelds Vater war einer von ihnen. Über seinem Schreibtisch hängt bis heute der Plan des Vernichtungslagers Auschwitz. Die junge Deutsche Beate, die als Au-pair-Mädchen in Frankreich war, hatte er 1960 in Paris kennengelernt.

Die Stimme der Klarsfelds, die in Paris wohnen, hat in Frankreich Gewicht. Auch Macron wusste es sehr zu schätzen, als das Paar 2017 vor der Stichwahl zwischen ihm und der Rechtspopulistin Marine Le Pen mit ganzseitigen Anzeigen zu seiner Wahl aufrief.

„Dies sind die Landschaften, die die Rechtsextremen in Europa hinterlassen haben“, hieß es zu einem Bild eines Stacheldrahtzauns, der an ein Vernichtungslager erinnerte. „FN 2017? Niemals“ stand darunter. FN war das damalige Kürzel von Le Pens Partei Front National, die sich inzwischen in Rassemblement Nationale (RN, Nationale Sammlungsbewegung) umbenannt hat.

Marine Le Pen hat sich gewandelt

Seitdem sind sieben Jahre vergangen und die Klarsfelds haben eine spektakuläre Wende vollzogen: „Wir denken, dass der RN sich positiv entwickelt hat, vor allem mit Blick auf seine Haltung zu den Juden“, sagt der 88-jährige Serge Klarsfeld. Marine Le Pen habe sich von den antisemitischen Positionen ihres Vaters und Parteigründers Jean-Marie Le Pen - der dafür mehrfach verurteilt wurde - deutlich entfernt.

„Wir meinen, dass diese Partei allmählich in den Kreis der republikanischen Parteien eingetreten ist“, fügt er hinzu. Er verwies auf Marine Le Pens Verurteilung des Nazi-Kollaborateurs Philippe Pétain und der Razzia des Vél d'Hiv, bei der 1942 mehr als 13.000 Juden in Frankreich festgenommen wurden, um sie zu deportieren.

Auf die Frage, ob er davon überzeugt sei, dass dieser Wandel der rechtspopulistischen Partei mehr als eine Wahlkampfstrategie sei, sagt Serge Klarsfeld: „Wir setzen darauf, dass sie es ernst meinen.“

Die deutsche AfD halten die Klarsfelds hingegen für eine „gefährliche Partei“. „Die AfD muss man bekämpfen, sie ist antieuropäisch und antisemitisch“, sagt Beate Klarsfeld. Sie zeigt sich zufrieden, dass der RN nun der AfD die Zusammenarbeit im Europaparlament aufgekündigt hat.

Die politische Wende der Klarsfelds hat in Frankreich viele vor den Kopf gestoßen. Die Organisation SOS Racisme warf den beiden vor, zur „Banalisierung des Rechtsextremismus“ beizutragen. Auch Macron dürfte es weniger leicht fallen, ihr Engagement zu würdigen als noch vor einigen Jahren. ■