Es dröhnt am Himmel über Berlin. Seit Wochen nimmt der Fluglärm über Stadtteile wie in Hohenschönhausen verstärkt zu, obwohl es ihn dort seit der Schließung des Flughafens Tegel (Ende 2020) nicht mehr geben dürfte. Bisher ließ uns der Senat glauben, dass nur bei Gewittern und Unwettern von den festgelegten BER-Routen abgewichen wurde. Der KURIER und zwei CDU-Abgeordnete hakten nach. Jetzt gibt der Senat zu, dass generell an den BER-Flugrouten gedreht wird.
Zugegeben, jeder von uns fliegt gerne in den Urlaub. Und irgendwie müssen Flugzeuge nun einmal über Gegenden fliegen, die Lärm verursachen, wenn sie vom Flughafen BER starten oder dort landen wollen. Dafür wurden schließlich Flugrouten festgelegt. Doch an diesen wird sich offensichtlich nicht gehalten.
Ein Verdacht tat sich bei den CDU-Abgeordneten Danny Freymark und Martin Pätzold auf, als vor Wochen vor allem Anwohner in Hohenschönhausen über verstärkten Fluglärm klagten, obwohl es dort seit dem Ende von Tegel keine Überflüge mehr geben dürfte. Die Politiker konfrontierten in einer parlamentarischen Anfrage damit den Senat, über die der KURIER berichtete.
Die damalige Antwort der Senatsverkehrsverwaltung war überraschend. In dieser wurde die Deutsche Flugsicherung (DFS) zitiert, die erklärte, dass es Ausnahmefälle gebe, bei der Flugzeuge von den festgelegten Routen abweichen, um den Flugverkehr „geordnet, sicher und flüssig abzuwickeln“.
Als Ausnahmefall wurden „ungewöhnliche Wetterbedingungen“ angeführt, „die wiederholt zu heftigen Gewittern geführt haben“. „Daher war es teilweise erforderlich, die Luftfahrzeuge, um die Gewitterzellen herumzuführen oder sie auf einen verkürzten Endanflug zu leiten“, hieß es in der Senatsantwort.

Flugroutenabweichungen nur bei Gewitter? Daran glaubt doch kein Berliner!
Daraufhin meldeten sich viele Berliner beim KURIER und schilderten, dass es auch in anderen Stadtteilen wie Pankow, Reinickendorf oder dem Südwesten Berlins, über die keine BER-Routen führen, plötzlich mehr Flugverkehr am Himmel herrschte – und nicht nur, wenn es am Himmel blitzt und donnert. Den dazugehörigen KURIER-Bericht nahmen die CDU-Abgeordneten Pätzold und Freymark zum Anlass, noch einmal beim Senat nachzufragen, was da am Berliner Himmel wirklich los ist.
Wie kann es sein, dass es auch wetterunabhängig zu regelmäßigen Flugrouten-Abweichungen kommt, wie es viele Berliner berichten und die auch so im Internetportal „Flightradar24“ nachvollzogen werden können, wollten die Abgeordneten in ihrer erneuten Anfrage vom Senat wissen. Die Antwort darauf liegt jetzt dem KURIER exklusiv vor.

Also doch! Abweichungen von festgelegten BER-Routen sind „ausdrücklich erlaubt“
Der Senat erklärt eingangs erneut, „dass es möglich ist, von den veröffentlichten Flugverfahren abzuweichen, um den Luftverkehr geordnet, sicher und flüssig abzuwickeln. Die Luftfahrzeuge werden durch individuelle Freigaben der Lotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) zum Endanflug auf den Verkehrsflughafen Berlin-Brandenburg (BER) geführt. Dies ist ein Standardverfahren und wird für alle Anflüge auf den Verkehrsflughafen BER durch die DFS angewendet.“
Und auf die Nachfrage, ob der Senat es für denkbar hält, dass aus Kosten- und Zeitgründen von der Flugsicherung Freigaben für abweichende Flugrouten genehmigt werden, heißt es ausweichend: Die Verordnung über die Durchführung der Flugsicherung „erlaubt ausdrücklich Abweichungen von den veröffentlichten Flugverfahren (also den festgelegten Flugrouten, Anmerk. der Red.)“.
Denn zu den Aufgaben der Flugverkehrskontrolle, die am BER im „alleinigen Verantwortungsbereich der DFS“ liegt, gehöre laut der Verordnung nun einmal die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Luftverkehrs. Ansonsten müsse man sich an die festgelegten Routen halten.
Diese Antwort lässt den Abgeordneten Martin Pätzold aufhorchen. „Damit gibt der Senat zu, dass in Berlin von den Flugrouten stärker abgewichen wird, als bisher angenommen“, sagt er dem KURIER.
„Senat gibt zu, dass von BER-Flugrouten stärker abgewichen wird, als bisher angenommen“
Überraschend ist auch, was der Senat zu den „wetterbedingten Abweichungen“ erklärt. Ob diese überhaupt notwendig seien, „entscheiden ausschließlich die verantwortlichen Luftfahrzeugführerinnen und Luftfahrzeugführer“, heißt es. „Diese erhalten entweder durch Sichtkontakt oder durch ein Wetterradar Informationen über unerwünschte Wettererscheinungen, die nicht durchflogen werden dürfen. Solche Entscheidungen können sehr kurzfristig getroffen werden.“
Diese könnten auch Zeit- und Kostengründe implizieren, meint Pätzold. „Dazu werden wir noch einmal beim Senat nachhaken.“ Auch bei einem anderen Punkt. Denn die CDU-Abgeordneten wollten in ihrer Anfrage wissen, auf welche Weise der Senat den in der KURIER-Berichterstattung geschilderten Beobachtungen der Berliner nachgehen wird und welche möglichen Konsequenzen daraus gezogen werden.
Denn der Senat erklärte, dass man den Bericht zur Kenntnis genommen habe. „Angelegenheiten des Fluglärmschutzes im Zusammenhang mit dem BER werden, sofern erforderlich, durch den Senat in der Fluglärmschutzkommission BER thematisiert und erörtert“, heißt es weiter. „Wie oft diese Kommission tagte und wie weit auch dort das aktuelle Anliegen verfolgt wurde und wird, werden wir beim Senat nachfragen“, sagt Pätzold. ■