Die Islamfeindlichkeit in Deutschland nimmt weiter zu, und die Zahl der islamfeindlichen Straftaten steigt ebenfalls. Für 2022 wurden nach Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) deutschlandweit 610 solcher Straftaten gemeldet. Oft wurden dabei Moscheen attackiert. Die Anzahl der registrierten islamfeindlichen Straftaten im Jahr 2023 lag in den ersten drei Quartalen mit 686 über der Gesamtzahl des Vorjahres. Ein Berliner Politiker zieht daraus jetzt Konsequenzen.
Berlins SPD-Fraktions- und Parteivorsitzender Raed Saleh plädiert dafür, in der Landesverfassung nicht nur den Kampf gegen Antisemitismus, sondern auch gegen Islamfeindlichkeit und Rassismus festzuschreiben. Das Thema soll in einer Enquete-Kommission beraten werden, die der schwarz-rote Senat geplant hat. „Die Kommission hat die Aufgabe, mit allen Parteien auch über verfassungsändernde Fragen zu diskutieren“, sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Berlin sagen, in unserer vielfältigen Stadt verankern wir in der Verfassung den Kampf gegen Antisemitismus, den Kampf gegen Islamfeindlichkeit und gegen Rassismus.“
Wegner und Kiziltepe hatten im Kampf gegen Antisemitismus bereits vorgelegt
Den Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Verfassung zu verankern, hatte Mitte November bereits der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner (CDU) und noch davor Berlins Sozial- und Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) vorgeschlagen.
Saleh ging nun noch darüber hinaus. „Wenn nicht in Berlin, in welcher Stadt sonst?“, fragte er. „Die Stadt der vielen Religionen, die Stadt, in der es egal ist, an wen jemand glaubt oder ob man glaubt, die Stadt, in der man zu Hause sein kann in zweiter, fünfter oder zehnter Generation.“
Dem SPD-Politiker geht es darum, ein klares Signal zu senden: „Wir sagen, wir dulden in unserer Stadt keinen Antisemitismus. Und wer die Grenzen überschreitet, bekommt es mit der wehrhaften Demokratie zu tun“, sagte er. „Wir dulden keine Islamfeindlichkeit, wir dulden keinen Rassismus.“
Saleh warnt vor zunehmenden Antisemitismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit
Nach dem 7. Oktober habe die Zahl der Straftaten und der Beleidigungen von Menschen jüdischen Glaubens zugenommen. „Das ist für uns in Berlin nicht hinnehmbar“, so Saleh weiter. „In unserer Gesellschaft gehört Islamfeindlichkeit zum Alltag. Wir hören täglich Berichte von Übergriffen auf Muslime. Und wir hören permanent von strukturellem Rassismus.“ Am 7. Oktober 2023 hatte die islamistische Terrororganisation Hamas bei einem großangelegten Angriff etwa 1200 Menschen im Süden Israels getötet und über 200 Personen als Geiseln nach Gaza verschleppt.
Es sei wichtig, die Gesellschaft zusammenzuführen, so Saleh. Der gesellschaftliche Prozess müsse vorankommen, Berlin könne eine Vorbildmetropole für andere Städte sein, erläuterte der SPD-Landeschef. „Wir sind die Stadt, die es geschafft hat, Mauern einzureißen, wir sind die Stadt, die es schaffen muss, Brücken zu bauen.“
Saleh will in der Enquete-Kommission „Islamfeindlichkeit“ mitarbeiten
Eine Enquete-Kommission kann das Abgeordnetenhaus einsetzen, um Entscheidungen über besonders umfangreiche oder komplexe Sachverhalte vorzubereiten. Nach Abschluss ihrer Arbeit gibt die Kommission ihre Ergebnisse in einem Bericht an das Parlament weiter. CDU und SPD in Berlin hatten sich im November darauf verständigt, ein solches Gremium zur Antisemitismus- und Rassismus-Prävention einzusetzen.
„Aufgrund der Bedeutung dieses Themas werde ich meiner Fraktion vorschlagen, selbst in die Kommission zu gehen“, kündigte Saleh an. „Ich gehe davon aus, dass sich die anderen demokratischen Fraktionen ähnlich entscheiden werden, damit die Kommission das Gewicht und die Kraft bekommt, Verabredungen zu treffen für die kommenden Jahrzehnte.“
Von den etwa vier Millionen Muslimen, die in Deutschland leben, sind übrigens nur einige in religiösen Gemeinschaften oder Vereinen organisiert. Religiöse Gemeinschaften sind nicht verpflichtet, Mitgliederzahlen offenzulegen, daher gibt es keine genaue Übersicht.