Aus Berlin-Adlershof

Elf99 ist wieder da! Jetzt kommt der DDR-Fernsehkult auf die Bühne

35 Jahre nach der Erstausstrahlung: Die einstigen „Elf99“-Moderatoren Ines Krüger und Thomas Riedel wagen im Theater Ost den Neustart des legendären TV-Jugendmagazins.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Bunt und frech: So starteten Ines Krüger und Thomas Riedel im Herbst 1989 bei „Elf99“.
Bunt und frech: So starteten Ines Krüger und Thomas Riedel im Herbst 1989 bei „Elf99“.Gueffroy/imago

Es war schrill, bunt, frech und möbelte das staatsnahe DDR-Fernsehen gehörig auf: Das TV-Jugendmagazin „Elf99“, das vor 35 Jahren im Osten Berlins auf Sendung ging und an deren Machern gerade der KURIER erinnert hatte. Als wäre dies ein Weckruf gewesen, meldete sich jetzt die einstige Moderatorin Ines Krüger (58) bei uns. Sie verrät: „Elf99 ist wieder da! Die Kultsendung kommt auf die Bühne!“

Der Neustart findet an einem alten, bekannten Ort statt. Im Theater Ost auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens in Berlin-Adlershof. Schräg gegenüber befand sich das Studio D, aus dem am 1. September 1989 das erste Mal „Elf99“ (angelehnt an der alten Adlershofer Postleitzahl 1199) gesendet wurde.

Das knallbunte Magazin überzeugte die Zuschauer von der ersten Stunde an, dass man mit einem quietschbunten Outfit, mit Musik aus West und Ost sowie Beiträgen, die versuchten, das wahre Leben im SED-Staat zu zeigen, auch in der DDR ordentlich und modern Fernsehen machen konnte.

Jetzt kommt nach 35 Jahren das Comeback. Und Ines Krüger ist darüber mega-glücklich, zusammen mit ihrem einstigen Moderator-Kollegen Thomas Riedel (54) auf der Bühne des Theaters Ost zu stehen, um an dem erfolgreichen DDR-Jugendmagazin zu erinnern – unter dem Motto „Elf 99 – Die Legende lebt“ am 21. September.

„Ich kann es kaum erwarten, dass es losgeht“, sagt Ines Krüger. Im Sommer hatte sie mit Theater-Ost-Chefin Kathrin Schülein (59) die Idee, etwas zum „Elf99“-Jubiläum auf die Beine zu stellen. „Kathrin und ich studierten zusammen Ballett an der Palucca-Hochschule in Dresden, bevor ich am 1. Januar 1989 als jüngste Ansagerin des zweiten Programmes beim DDR-Fernsehen anfing. Thomas Riedel, mit dem ich sehr gut befreundet bin und der jetzt eine eigene TV-Produktionsfirma hat, war von unserer Idee sofort begeistert und machte mit.“

Auch die „Elf99“-Bühnenversion kommt aus Berlin-Adlershof

Thomas Riedel und Ines Krüger (r.) mit Theater-Chefin Kathrin Schülein vor dem Theater Ost in Berlin-Adlershof: Ganz in der Nähe startete vor 35 Jahren im Studio D die DDR-Kultsendung „Elf99“.
Thomas Riedel und Ines Krüger (r.) mit Theater-Chefin Kathrin Schülein vor dem Theater Ost in Berlin-Adlershof: Ganz in der Nähe startete vor 35 Jahren im Studio D die DDR-Kultsendung „Elf99“.Theater Ost

„Elf99“ auf der Theaterbühne: Es wird ein Abend voller Erinnerungen werden. „Wir werden Höhepunkte aus der Sendung präsentieren, die Thommi und ich im Deutschen Rundfunkarchiv gesichtet und selber zusammengeschnitten haben“, sagt Ines Krüger. „Es wird Musik aus jener Zeit zu hören sein und es werden ehemalige Mitarbeiter kommen, die berichten, wie es so hinter den Kulissen der Sendung ablief.“

Dazu gehört auch die Tatsache, dass es „Elf99“ ohne Margot Honecker nie gegeben hätte. „Es stimmt, dass ausgerechnet ihr Volksbildungsministerium es wollte.“ Es entschied, dass man dem „Programm des Klassenfeindes“ etwas entgegensetzen müsse, um die DDR-Jugend dazu zu bringen, wieder das DDR-Fernsehen einzuschalten.

„Es hält sich bis heute das Gerücht, dass die Moderatoren sich im FDJ-Blauhemd zeigen sollten. Doch dann standen wir in unseren bunten Klamotten da“, sagt Ines Krüger. „In dem Fundus, den es heute in abgespeckter Form noch gibt, fand ich jetzt sogar einen Blazer wieder, den ich bei ,Elf99‘ trug und der mir heute noch passt. Am 21. September werde ich das gute Stück beim ,Elf99‘-Abend in einem Teil der Show tragen.“

Er passt noch! Ines Krüger fand im Adlershofer Fundus noch einen Blazer, den sie bei „Elf99“ trug.
Er passt noch! Ines Krüger fand im Adlershofer Fundus noch einen Blazer, den sie bei „Elf99“ trug.privat/Ines Krüger

Kultsendung „Elf99“: Unglaublich! Ohne Margot Honecker hätte es die Sendung nie gegeben

Bunte Klamotten, poppige Musik-Clips, freche Sprüche: Doch das wahre Markenzeichen von „Elf99“ waren die Beiträge aus dem DDR-Alltag. Anfangs hatten die Reporter-Teams noch eine Art Aufpasser dabei, dass bei Umfragen Themen wie die Flucht der DDR-Bürger über Ungarn nicht direkt angesprochen wurde. Dennoch waren die Berichte so, dass jeder Zuschauer merkte, dass die „Elf99“-Macher den Mut hatten, auf die Geschehnisse im Land einzugehen und Dinge auszusprechen, wie es man bisher im DDR-Fernsehen nie gewagt hatte.

Thomas Riedel, Victoria Herrmann, Steffen Twardowski und Ines Krüger im „Elf99“-Studio
Thomas Riedel, Victoria Herrmann, Steffen Twardowski und Ines Krüger im „Elf99“-StudioKlaus Franke/imago

„Wir fanden immer einen Weg. Und das alles ging live über den Sender“, sagt Ines Krüger, die als Moderatorin bei der zweiten „Elf99“-Sendung am 30. Oktober einstieg, die von da an zweimal wöchentlich ab 15.45 Uhr über den Sender lief. „Unser Mut wuchs von Folge zu Folge“, sagt sie. „Bei uns wurde etwa erstmals der Rücktritt vom DDR-Gewerkschaftschef und Politbüro-Mitglied Harry Tisch gefordert.“

Legendär bis heute ist auch die „Elf99“-Reportage aus der Politbüro-Siedlung Wandlitz geblieben. „Wir konnten frei und offen sprechen, so wie wir und die Menschen da draußen die Dinge sahen. Wir waren mitten im Geschehen. Es war eine aufregende Zeit, die ich nie vergessen werde.“

In der „Elf99“-Bühnenversion werden Ines Krüger und Thomas Riedel auch an die schillernden Momente mit den internationalen Stars erinnern, die nach dem Mauerfall in dem Jugendmagazin zu sehen waren. Sogar Take That waren da. „So manche großen Künstler zeigten sich ganz anders als man dachte“, sagt Ines Krüger.

Zum Beispiel Andrew Eldritch von Sisters of Mercy: „Eldritch galt als fürchterlicher Punk. Doch als der Sänger am Redaktionsbüro vorbeiging, in dem ich rauchte, kam er auf mich zu, schnorrte von mir ganz höflich paar Zigaretten“, sagt Ines Krüger. „Wir saßen da, pafften und hatten ein Supergespräch.“

Die schwedische Pop-Band Army of Lovers bei einem Auftritt im „Elf99“-Studio 
Die schwedische Pop-Band Army of Lovers bei einem Auftritt im „Elf99“-Studio Gueffroy/imago

Moderatorin Ines Krüger: So ging es bei ihr nach „Elf99“ weiter

Mit dem Ende des DDR-Fernsehens (1991) wurde „Elf99“ von RTL und dann von Vox übernommen. 1994 war dann endgültig Schluss. Ines Krüger moderierte danach mehrere TV-Sendungen, unter anderem acht Jahre lang das ARD-Boulevard-Magazin „Brisant“. 2014 verabschiedete sie sich dann nach 25 Jahren aus dem TV-Geschäft.

Sie studierte Tanz- und Bewegungstherapie, war bei der Berliner Spastiker-Hilfe, später die Vorsitzende des Tierschutzvereins Berlin.

2018 legte sie ihr Amt nieder, als sie an Brustkrebs erkrankte. Zwei Tumore wurden bei ihr entdeckt. „Ich habe für mein Leben und meine Gesundheit gekämpft“, sagt Ines Krüger. „Seit sechs Jahren gelte ich als krebsfrei.“

Das „Elf99“-Team führte auch gekonnt Interviews mit Politikern aus dem Westen: hier Moderator Steffen Twardowski mit dem damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Otto Schily (1990).
Das „Elf99“-Team führte auch gekonnt Interviews mit Politikern aus dem Westen: hier Moderator Steffen Twardowski mit dem damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Otto Schily (1990).Gueffroy/imago

Und jetzt ist sie wieder da, genauso wie „Elf99“. „Ich bin nun mal eine Rampensau, freue mich riesig auf diesen Abend“, sagt Ines Krüger. „Es wird so wie vor 35 Jahren sein: Thomas Riedel und ich gehen heraus und moderieren drauflos. Der Rest wird sich zeigen.“

Im Unterschied zu damals habe man nun bei „Elf99“ kein so großes Budget, sagt Ines Krüger. Daher bedankt sie sich schon jetzt bei den vielen Mitstreitern hinter und vor der Bühne, die tatkräftig und teilweise ehrenamtlich dafür sorgen werden, dass dieser Abend im Theater Ost überhaupt stattfinden kann. Sollte die „Elf99“-Bühnenversion ein Erfolg werden, könnte es sogar Fortsetzungen geben. Da ist sich Ines Krüger ganz sicher.

„Elf99 – Die Legende lebt“ am 21. September im Theater Ost (Moritz-Seeler-Straße 1, 12489 Berlin): Beginn ist um 19.30 Uhr, der Eintritt kostet 29,99 Euro.