In Späthsfelde geht die Angst unter den Kleingärtern um. Anstatt die letzten Herbstarbeiten zu erledigen, Äste zu schneiden und Zwiebeln für das Frühjahr zu stecken, bereiten sie sich auf einen Winter des Widerstands vor. Dreizehn Kleingartenanlagen in Späthsfelde, zwischen Königsheide, Autobahn 113 und Britzer Verbindungskanal in Treptow-Köpenick, viele davon schon über 100 Jahre alt, sollen weichen, damit hier ein neues Stadtquartier entstehen kann.
Einige verlieren einzelne Parzellen, andere – wie „Holunderbusch“, „Lerchenhöhe“, „Kuckucksheim“ und „Baumfreunde“ – sollen komplett verschwinden. Das darf nicht passieren, machten bei einer Veranstaltung des Senats mit Baudirektorin Petra Kahlfeld die Kleingärtner deutlich.
Mit Vogeltrillern zur Demo
Vor der Demo hatte Marcus van der Heyden, Chef der Kleingartenanlage Britzer Allee, Warnwesten verteilt, seine Frau Mary gab Vogelpfeifen an die am Vereinshaus versammelten Kleingärtner aus. Gemeinsam brach man zur Demonstration vor den Späth’schen Baumschulen auf.

Kleingärtner aller Bezirke vereinigt euch!
Der Landesverband der Gartenfreunde Berlin hatte zuvor berlinweit dazu aufgerufen, sich mit den Treptowern solidarisch zu zeigen. Und die Kleingärtner aller Bezirke vereinigten sich. Sie kamen aus „Reinickendorf, aus Pankow, aus Lichtenberg, aus Charlottenburg, aus Neukölln und aus Wedding“, zählt der Präsident der Gartenfreunde, Berlins Herr der Kleingärten, Gerd Schoppa auf.
Schließlich wecken überall in der Stadt die 70 000 Laubengrundstücke Begehrlichkeiten, muss der Erhalt von Kleingarten-Grün gegen Wohnungsbau und wachsende Infrastruktur verteidigt und abgewogen werden.
500 Lauben könnten plattgemacht werden
Im Dreieck Späthsfelde nun stehen 500 Kleingärten zur Debatte. Und das, obwohl erst im vergangenen Jahr Bausenator Christian Gaebler den Laubenpiepern etwas anderes versprochen hatte.
„Beim Tag der offenen Gärten hat Gaebler betont, dass nur ganz wenige Kleingartenflächen für Erschließungsmaßnahmen betroffen sind“, sagt Mary van der Heyden. Die im Sommer erstmals öffentlich vorgestellten, aktuellen Planungsentwürfe für das Dreieck Späthsfelde sehen jetzt eine Nutzung von etwa 500 Kleingartenflächen für Wohnungsbau und andere Zwecke vor.
Laubenpieper seit Generationen
Manche der Laubenpieper, die um ihre Beete fürchten, beackern ihre Gärten schon seit der Wende. Generationen haben hier ihre Freizeit verbracht. „Eine Dame kommt auch mit 92 Jahren noch regelmäßig in ihren Garten“, erzählt Mary van der Heyden. Man passe aufeinander auf.
Berlins Kleingärten sind Sozialräume, in denen das Miteinander auch über Kulturgrenzen funktioniert. „In den Anlagen sind Menschen aus über einem Dutzend Nationen dabei“, sagt Chefin des Kleingartenverbands Treptow, Ramona Schneider in ihrer Rede.

Sie erntet bei der Vorstellung der Pläne in einem Gewächshaus der Späth'schen Baumschulen tosenden Beifall, als sie fordert: „Schluss mit dem Flächenfraß!“ Man brauche nicht noch eine Straßenschneise, für die Kleingärten geopfert würden. Ebenso wenig wie überall leer stehende Bürogebäude oder Brachen, auf denen nicht gebaut werde. „Wir stehen an der Frontlinie zwischen Beton und Natur“, ruft sie den Gartenfreuden zu und die jubeln.
Dass sich einer von ihnen eine der geplanten 2000 bis 4000 Wohnungen, die ab 2030 entstehen sollen, leisten kann, ist sowieso unwahrscheinlich.

Und wie die Gartenverbands-Chefin bejubelt wird, wird Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeld ausgebuht, als sie von einem „lebenswerten, neuen Stadtquartier“ spricht, das auf dem 100 Hektar großen Areal entstehen soll. Auch die Planer, die ihre Entwürfe vorstellen sollen, sind mit einem wütenden Publikum konfrontiert, das nicht die pittoresken Details diskutieren will, sondern Gewissheit für den Erhalt ihrer Gartengrundtücke fordert.
Bezirk und Umweltverbände gegen Bebauung
Umweltverbände wie den BUND und den Bezirk Treptow-Köpenick haben die Gärtner auf ihrer Seite: Köpenicks Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung Claudia Leistner (Grüne) sagt: „Ich glaube, dass es sinnvoll ist, Wohnungsbau woanders entstehen zu lassen.“
Der Bezirk sehe die Möglichkeit, „dass man diese Flächen nutzt als potenzielle Ausgleichsflächen, nämlich für Wohnungsbau an anderer Stelle“, so Claudia Leistner. Man setze sich im Bezirk „sehr intensiv mit dem Thema Freiflächen“ auseinander, sagte sie. Aktuell werde die „Strategie Grün“ erarbeitet. Wenn immer mehr Wohnungsbau entstehe, brauche es die Freiflächen für die Erholung der Menschen, aber auch als Hitzeschutz. Ebenso angesichts zunehmender Starkregenereignisse und längerer Trockenperioden.

Die Späth’schen Baumschulen seien ein „Wahrzeichen des Bezirks“, zudem sei die Verkehrsanbindung „sehr schwierig“ – die Späth- und Baumschulenstraße sind überlastet. „Und dafür gibt es bisher aus meiner Sicht auch ehrlicherweise keine Lösung. Und auch nicht eine Lösung, die ich bisher in den Plänen gesehen habe, die seitens des Senats gezeigt werden. Und das haben wir auch immer in den Gesprächen deutlich gemacht, dass wir das sehr kritisch sehen“, so Leistner weiter.
Auch die Späth’schen Baumschulen, die dem Gebiet einen historisch gewachsenen Stempel aufdrücken, seien ein „wirklich ein kulturelles, ökologisches Highlight hier bei uns im Bezirk. Wir als Bezirk stellen uns dahinter und sagen: Die müssen erhalten bleiben.“

Der Berliner Senat treibt seine Bebauungspläne für das Dreieck Späthsfelde genannte neue Stadtquartier in Treptow-Köpenick dennoch voran. Wo sich heute Kleingärten, Wiesen, Felder, ein Arboretum und bis heute landwirtschaftlich genutzten Flächen der Späth’schen Baumschule befinden, sollen Wohnungen, Gewerbe, Infrastruktur und Straßen entstehen.
In einem nächsten Schritt wird Ende Oktober von einer Fachjury einer der drei Entwürfe ausgewählt. Eine Machbarkeitsstudie ist für 2027 veranschlagt. Auch wenn eine Umsetzung noch Jahre dauert, heute werden die Flanken für das Mega-Projekt verhandelt. Die Kleingärtner bestehen darauf, dass das mit ihnen und nicht gegen sie geschieht.