Viele Berlin-Besucher starten ihre Entdeckungstour mit den klassischen Sehenswürdigkeiten: das Brandenburger Tor, eine Bootstour auf der Spree, das DDR-Museum oder einen Spaziergang entlang der Überreste der Berliner Mauer. Und natürlich stattet man auch den Souvenirshops einen Besuch ab. Denn Tassen mit dem Fernsehturm oder bunte Betongbröckel, die angeblich Teile der ehemaligen Mauer waren, gehören für manche einfach dazu.
Ich bin frisch nach Berlin gezogen – gerne und oft empfange ich seither Freunde aus dem Norden. Und jedes Mal muss ich natürlich die Top 5 Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt herzeigen! Die Touri-Klassiker, wie das Brandenburger Tor, der Fernsehturm, nette Stellen der Spree, der Checkpoint Charlie.
Und natürlich landen wir auch in Souvenirshops. Da stehen wir also, halten diese bröseligen Betonstückchen, teils besprüht mit buntem Graffiti, in den Händen. „Ob die wohl echt sind?“, fragt einer meiner Schweden-Freunde.

In der morgendlichen KURIER-Konferenz lachen die KURIER-Kollegen: „Echt? Die Souvenirs waren doch schon damals nie echt!“, scherzt einer. Echt oder nicht – am Ende war’s meinen schwedischen Freunden egal, glaube ich, denn sie zahlten für die kleinen Betonbrocken und schauten sie bei unserem Berlin-Spaziergang noch oft und fasziniert an. Ob beim Weintrinken am Holzmarkt an der Spree, bei Pommes rot-weiß-Essen an der Warschauer Straße oder beim Fotosmachen vom Fernsehturm am Alex. Diese Souvenirs sind für viele Touristen das greifbare Erbe eines historischen Moments.
Die Berliner Mauer im Taschenformat – gefragtes Mitbringsel
Schon in der Nacht des 9. November 1989 hatten die ersten Stücke herausgebrochen – ein Akt der Selbstermächtigung. „Wir haben Bilder von der Mauer vor dem Brandenburger Tor am 9. November in der Nacht, wo Menschen mit Hammer und Meißel anfangen, auf der Mauer herumzuhauen, Stücke rauszubrechen, sich diese Stücke mitzunehmen,“ sagte Cornelia Thiele von der Stiftung Berliner Mauer zur Deutschen Presse Agentur, dpa.

Die Berlin-Mauer als Mitbringsel kleingehackt und neu besprüht!
Für einige Händler war dies der Beginn eines Geschäfts, das bis heute boomt. Seit Anfang des Jahres betreiben auch die Brüder Sebastian und Julian Sacha das Geschäft mit der Berliner Mauer. Die beiden Westberliner übernahmen im Januar von Volker Pawlowski, der nach der Wende schnell einen Riecher dafür hatte, dass mit der Mauer Geld zu verdienen wäre. Die Brüder Sacha beliefern mit ihrem Großhandel ‚Berlin Souvenirs‘ nach eigenen Angaben rund 40 Prozent der Berliner Souvenir-Läden mit Mauerteilen – ein ziemlich staubiges Geschäft.
Denn das Zerkleinern der Mauer und das Zusammenstellen der Souvenirs sind echte Handarbeit. Doch bevor die Mauer zerkleinert wird, kommt neue Farbe darauf. Denn die alte blättert mittlerweile ab – und bunt soll das kleine Souvenir dann bitte doch sein. Nach Angaben der dpa verkaufen sie eine Bananenkiste mit Mauersteinen täglich. Und zwar nicht nur an Berliner Souvenirläden, sondern über ihren Online-Shop in die ganze Welt. Vorrat haben sie nach eigenen Angaben noch für rund zehn Jahre – vorausgesetzt das Geschäft läuft so weiter.

Allein auf dem Hof in Reinickendorf ragen noch mehrere Mauerelemente in den Himmel. Der offizielle Name der Stützwandelemente der Grenzmauer 75 lautet UL12.41. Ein Stück wiegt 2,6 Tonnen, ist 3,20 Meter hoch, 1,20 Meter breit und – wegen des Fußes – 2,1 Meter tief. Was macht den Reiz des steinernen Souvenirs aus?
Erinnerung in Beton: Berliner Mauer als Souvenir
Cornelia Thiele, die Kuratorin für die Sammlung und das Archiv der Stiftung Berliner Mauer ist, erinnert an den historischen Moment: Direkt nach dem Mauerfall sei es für viele der sogenannten Mauerspechte ein Akt der Selbstermächtigung gewesen, erstmals an die Grenze heranzukommen und Teil des Abrisses zu werden, sagt sie. Für andere seien die Gesteinsbrocken eine Siegertrophäe gewesen, die zeige, dass man etwas überwunden habe.
Aber warum kaufen viele Touristen noch heute, 35 Jahre später, Einzelteile der Mauer? Alexandra Hildebrandt leitet das Mauermuseum am Checkpoint Charlie in Berlin – ein Ort über die Flucht aus der DDR und den friedvollen Kampf für die Menschenrechte genau dort, wo früher Grenzsoldaten standen.
Sie verweist vor allem auf den Wandel, den die Bedeutung der Mauer erfahren habe: „So lange sie stand, war sie ein Symbol der Teilung“, sagt Hildebrandt zur dpa. Heute sei sie ein Symbol der Freiheit. Auch Cornelia Thiele betont, dass die Grenze mittlerweile ein positives Symbol sei, ein Symbol der Überwindung. ■