Noch 25 Tage – und dann wird die erste Rate der neuen Grundsteuer fällig. Stichtag ist der 15. Februar. Viele Berliner sind wütend. Nicht nur über die neuen Grundsteuerforderungen, die sich bei manch einem mehr als verzwanzigfachen (KURIER berichtete). Nein, auch darüber, dass die Finanzämter anscheinend nicht auf die Einsprüche gegen fehlerhafte Grundsteuerbescheide reagieren. Hunderte warten immer noch auf Bearbeitung und Post vom Amt. Und fragen sich jetzt: Muss ich trotzdem die neue Grundsteuer zahlen?
Die neuen Grundsteuerbescheide beschäftigen nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Gerichte. Schon 2023 gab es deutschlandweit über sieben Millionen Einsprüche gegen die ersten Bescheide. Doch bearbeitet werden sie nur langsam. Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland und der Bund der Steuerzahler Deutschland unterstützten deshalb in vier Musterfällen Untätigkeitsklagen gegen die jeweiligen Finanzämter – in Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen.
Die Reaktion der Finanzämter? Meist gar keine
Kein Glück vor Gericht hatten in erster Instanz die beiden Berliner, die gegen die Ermittlung des Grundsteuerwertes nach dem sogenannten Bundesmodell klagten und die Auffassung vertraten, dass die zugrundeliegenden Wertermittlungsvorschriften verfassungswidrig seien. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat im Dezember in beiden Fällen (Az. 3 K 3170/22 und 3 K 3142/23) die Klage abgewiesen – aber eine Revision zugelassen.
Aber was ist mit den Berlinern, die Einspruch gegen fehlerhafte Berechnungen des Finanzamtes einlegten? Bis Ende Dezember wurden in Berlin rund 750.000 Bescheide verschickt, in über 1000 Fällen ist bereits Einspruch eingelegt worden. Die Reaktion der Finanzämter? Meist gar keine. Trotz des immer näher rückenden Zahlungstermins.
Grit S. aus Berlin-Friedrichshagen hat schon am 15. November Einspruch gegen ihren Grundsteuerbescheid und den ihrer Eltern eingelegt. Auf ihrem gemeinsam genutzten Grundstück gibt eine Remise, beide Parteien nutzen davon je 14 Quadratmeter. Doch der eine soll dafür jetzt 17,82 Euro pro Quartal zahlen, der andere 51,34 Euro.
Bisher war die Grundsteuer für beide Parteien exakt die gleiche: 9,29 Euro pro Quartal. Die Antwort vom Amt: bisher keine! Im Brief ans Finanzamt schreibt Grit S.: „Es muss doch möglich sein, aufgrund der alten Daten, die der ersten Steuerberechnung von 2005 bzw. 2007 zugrunde lagen, eine Berichtigung vorzunehmen. Die Größe der Räume und das Baujahr haben sich ja nicht verändert.“ Auch Jürgen H. aus Pankow warten seit Wochen auf Antwort. Bei der Berechnung seiner Grundsteuer hat das Finanzamt einfach mal die Eigentumswohnung um acht Quadratmeter vergrößert – macht eine um rund fünf Prozent zu hohe Grundsteuer.
Trotz Einspruch: Neue Grundsteuer wird ab 15. Februar fällig
Wichtig für alle Betroffenen, die auf Antwort aus den Schlafmützen-Finanzämtern warten: Trotz eines noch nicht entschiedenen Einspruchs ist man verpflichtet, die geforderte Grundsteuer vorerst zu zahlen. Denn ein offener Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung auf die Zahlungspflicht, wie es auf der Seite von steuertipps.de heißt. Deshalb rechtzeitig den entsprechenden Dauerauftrag bei der Bank ändern.
Andere Berliner, die uns schreiben, haben den Kampf inzwischen aufgegeben. Sie sind nur noch enttäuscht von der Politik, fühlen sich alleingelassen. Wie Sabine H. aus Müggelheim. Für sie ist das Grundsteuergesetz eine „indirekte Enteignung“. Die Rentnerin besitzt ein 840 Quadratmeter großes Grundstück in Müggelheim, geerbt von ihrem verstorbenen Mann. Auf dem Grundstück befindet sich nur ein nicht winterfestes Gebäude ohne jede Heizung. „Nun soll ich jährlich 890 Euro Grundsteuer zahlen. Letztes Jahr waren es noch 35 Euro“, klagt sie uns. Das ist mehr als das 25-Fache! „Ich habe auf dem Grundstück über 50 Jahre lang viele schöne Stunden verlebt. Daher hänge ich sehr daran. Als Rentnerin fällt es mir schwer, eine so hohe Grundsteuer zu zahlen“, sagt Sabine H.
Und Horst W. berichtet uns, dass sie einst ihr Wochenendgrundstück als Oase für ihre behinderte Tochter gekauft hätten, sie hätten nie die Absicht gehabt, darauf zu bauen. Bisherige Grundsteuer: 78 Euro.„ Jetzt sollen wir eine Grundsteuer von 1008 € bezahlen, also mehr als das Zehnfache!“, erklärt er. „Da verliert man jedes Vertrauen in die Politik.“ ■