Wer in der DDR ein Auto besaß, war schon megaglücklich. Doch hatte man noch eine Garage für seinen Trabi oder Wartburg, war das Glück auf Erden perfekt. Seit Jahren droht nun dieses östliche Erbe zu verschwinden, die nahe von Wohnsiedlungen entstanden. Auch in der Hauptstadtregion sollen DDR-Garagen weg oder den Besitzer wechseln. Grund: Die Kommunen wollen die Flächen als Bauland haben oder mittels neuer Verträge richtig Miete abkassieren. Dabei arbeiten die Behörden nicht immer juristisch sauber, um die DDR-Garagen zu bekommen.
DDR-Garagen sind so etwas wie ein kleines Kulturgut. Solche Komplexe, in denen sich mehrere Verschläge aneinander reihen, sind in fast jeder Stadt oder Gemeinde im Osten Deutschlands zwischen Wohnblöcken und Kleingartenanlagen zu finden. Und für so einige Besitzer waren diese Garagen wie ein zweites Zuhause, in denen es nicht nur um Autos ging.
Man staunt, wenn einige Eigentümer die hölzernen Türen ihrer Garage öffnen. Darin stehen nicht nur mehr Trabis aus dem Osten oder ein aktuelles West-Fabrikat. Da türmen sich wahre Schätze auf, wenn Garagenbesitzer diese als Unterstellraum für Modelleisenbahnen, alte Möbel oder für ihre Motorradsammlung nutzen. Andere haben sich eine Bar dort eingebaut, um mit Nachbarn oder Kumpels zu feiern. Andere nutzen die Garagen schlicht und einfach als Werkstatt.

Dieses ostdeutsche Garagen-Leben – an vielen Orten wird es seit Jahren kaputt gemacht. Etwa in Berlin-Karlshorst, wo 197 DDR-Garagen an der Kötztinger und Zwieseler Straße noch im ersten Quartal 2025 abgerissen werden sollen.
197 DDR-Garagen: In Berlin-Karlshorst werden sie für das Bundeskanzleramt vernichtet
Autos standen darin. Eine Truppe von Männern nutzten einen Verschlag, um dort ihre Motorräder zu hegen und zu pflegen. 135 Euro haben sie Pacht pro halbes Jahr für die Garage gezahlt. Das war einmal. All das ist längst vorbei. Die DDR-Garagen, die Mitte der 70er-Jahre an dieser Karlshorster Ecke entstanden, stehen seit 2022 leer.
Die Behörden hatten den Pächtern einfach gekündigt. Sie mussten die Garagen räumen, die jetzt aus einem völlig irren Grund verschwinden sollen.
Denn das Bundeskanzleramt in Tiergarten braucht mehr Mitarbeiter-Büros. Um diesen Erweiterungsbau mit 400 Büros plus Hubschrauberlandeplatz bauen zu können, wurde dort ein Wäldchen aus rund 180 Pappeln und Robinien gefällt. Dafür muss jetzt ein gesetzlich vorgeschriebener Grün-Ausgleich geschaffen werden. Und dieser ist ausgerechnet das DDR-Garagen-Idyll in Karlshorst.

Doch nicht immer kündigen Kommunen alte Ost-Verträge, nur weil sie DDR-Garagen wegen Bauland platt machen wollen, so wie in Berlin-Karlshorst. Ganz im Gegenteil: Die DDR-Garagen sind sogar in vielen Regionen Ostdeutschlands sehr beliebt. Die Nachfrage ist so gut, dass so einige Eigentümer ihre Geschäfte mit dem Ost-Erbe machen, in dem sie ihre Garagen weiterverkaufen oder untervermieten. Und das sehen die Kommunen nicht so gerne. Sie wollen selber an dem Geschäft verdienen.
DDR-Garagen: Kommunen wollen sie sich mit „unsauberer Methoden“ aneignen
Daher bedienen sich einige Kommunen „unsauberer Methoden“. Möglich machen dies unter anderem die Umstände, die für das Entstehen der DDR-Garagen überhaupt verantwortlich sind.

„In der DDR hat man Bürgern die Gelegenheit gegeben, eigene Garagen zu bauen. Die Grundstücke dafür wollte man ihnen aber nicht verkaufen“, sagt Dr. Hagen Ludwig vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) dem KURIER. „So entstand Gebäudeeigentum auf fremden Grund und Boden. Meist waren das kommunale Grundstücke.“ Die Garagenbesitzer bezahlten einen geringen Obolus oder Pacht, kamen für die Baukosten auf. Das war’s.
Doch dies ist eine juristische Besitzregelung, die das bundesdeutsche Gesetz nicht kennt. Um das einzigartige Ost-Erbe zu schützen, trat am 1. Januar 1995 das Schuldrechtsanpassungsgesetz in Kraft. „Darin ist geregelt, dass das selbstständige Gebäudeeigentum so lange fortbesteht, bis eine der beiden Seiten den DDR-Vertrag kündigt oder eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen wird“, sagt Ludwig. „Erst wenn das DDR-Vertragsverhältnis endet, geht die Garage automatisch in das Eigentum des Grundstückseigentümers über.“
In den meisten Fällen wären es die ostdeutschen Kommunen und das Land Berlin. Und einige Behörden versuchen da ganz schön an der juristischen Schraube zu drehen, um an die DDR-Garagen zu kommen, in dem sie den Garagen-Eigentümer die alten Verträge kündigen und ihnen neue Mietverträge aufschwatzen.

Davon weiß auch Hagen Ludwig vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer. „Vielerorts wird jetzt behauptet, dass das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht mehr gilt“, sagt der Experte dem KURIER. „Die Wahrheit ist: Es gibt für dieses Gesetz kein Ablaufdatum. Es gilt also weiter, solange der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber nichts anderes beschließt. Auch die DDR-Verträge können weiterlaufen. Es gibt keine gesetzlich begründete Pflicht, daran etwas zu verändern.“
DDR-Garagen: Die Verträge zu ändern ist „ist eine bewusste kommunalpolitische Entscheidung“
Abgesehen von Anpassungen der Pacht – warum sollten auch die DDR-Garagen-Verträge geändert werden? Wenn also diese Verträge gekündigt werden, „ist das also eine bewusste kommunalpolitische Entscheidung“, sagt VDGN-Experte Ludwig. „Die Kommunen müssen das nicht tun. Und sehr viele Kommunen tun das auch nicht, denn de facto führt das ja zu einer Enteignung der Garageneigentümer und damit ihrer Bürger und verständlicherweise zu Protesten.“
Außerdem funktionierte das aus der DDR-Zeit übernommene Modell vielerorts gut. „Die Garageneigentümer kümmern sich selbstständig um Ordnung und Sicherheit auf den Garagenhöfen. Die Höfe werden oft von den Vereinen selbst verwaltet“, sagt Ludwig.
Und dennoch wird in vielen Kommunen genau das Gegenteil gemacht. Etwa im brandenburgischen Templin. Dort gibt es noch 1024 Garagen mit DDR-Verträgen, die auf Flächen errichtet wurden, die sich heute im Eigentum der Stadt befinden. Das wurde im Dezember 2024 in der Stadtverordnetenversammlung erklärt. Erklärt wurde auch, dass man den Besitzern dieser Garagen die alten Verträge zum Ende dieses Jahres kündigen will.
Die Stadtverordneten argumentieren, dass ja so manche Garagen-Besitzer mit Weiterverkäufen oder Untervermietung ihr finanzielles Süppchen kochen wollen – und das an der Stadt vorbei, der ja das Land gehört, aber nicht die Garage, die darauf steht.
Nun habe man in Templin die Eigentumsverhältnisse von anderen DDR-Garagen schon zugunsten der Stadt geregelt. Die Pacht- und Mieteinnahmen für Garagen spülen bisher jährlich 60.000 Euro in die Stadtkasse, berichtet der Nordkurier. Die Einnahmen würden aber beträchtlich wachsen, wenn noch die übrigen DDR-Garagen dazu kämen.
Denn laut Bericht schwebt den Stadtverordneten da so eine Garagenmiete von 45 Euro pro Monat vor, in den Ortsteilen sollen es nur 25 Euro sein. Das sei ortsüblich. Und wenn alles gut läuft, würde die Stadt Templin jährlich über eine halbe Million Euro (!) mit allen Garagen in der Stadt verdienen.