Fast jeder, der in der DDR aufwuchs, kannte sie. Schauspielerin Urte Blankenstein (81), die als Puppendoktor Pille von 1968 bis 1988 im „Abendgruß“ des Sandmännchens im DDR-Fernsehen zu sehen war und noch immer in dieser Rolle auf der Bühne stand. Nun kann sie nicht mehr die Kinder erfreuen. Ihre Sprechstunden, von denen sie noch so viele geplant hatte, müssen für immer abgesagt werden. Denn Urte Blankenstein ist tot.
„Hast du Kummer oder Sorgen, dann schreib gleich morgen an Frau Puppendoktor Pille mit der großen runden Brille!“ Ja, das war Urte Blankenstein. Sie hatte stets ein Ohr für ihre Mitmenschen, ob es nun die Kinder vor den Bildschirmen oder in den Theatersälen waren – oder die Erwachsenen. Wer sie in ihrer kleinen Wohnung am Sterndamm in Berlin-Johannisthal privat besuchen durfte, erlebte einen unbeschreiblich großherzigen Menschen.

Seit Sonntag, dem 27. April, hat das große Herz von Urte Blankenstein für immer aufgehört zu schlagen. In einem Krankenhaus starb sie, wie ihr Sohn Mathias der Super-Illu mitteilte. Sie starb nach kurzer schwerer Krankheit. „Mutti hatte mal zu mir gesagt: ,Wenn ich nicht mehr auftreten kann, möchte ich nicht mehr leben.‘ Diesen Wunsch hat sie sich nun quasi selbst erfüllt, indem sie friedlich eingeschlafen ist“, sagt ihr Sohn.
In Ostpreußen kam Urte Blankenstein zur Welt. „Wir lebten nach dem Krieg in Wismar. Meine Mutter gehörte zu den vielen Frauen, die ihre Kinder allein aufziehen mussten, weil die Männer im Krieg gefallen oder noch in Gefangenschaft waren. Mein Vater war weg, weil er uns wegen einer anderen Frau verlassen hat“, erzählte sie vor Jahren dem KURIER. Die Folge: Urte Blankenstein und ihre Schwester wuchsen eine Weile lang in einem Kinderheim auf.
Frau Puppendoktor Pille: Mit 7 Jahren kam sie für eine Weile in ein DDR-Kinderheim
Das war 1951, da war Urte Blankenstein sieben Jahre alt. „Mama musste einen richtigen Beruf erlernen, um uns gut versorgen zu können. Sie hatte ja vor dem Krieg nur die Hauswirtschaftsschule besucht. So ging Mama an die Medizinische Fachschule Magdeburg, um später Gemeindeschwester zu werden. Sie lebte in einem Wohnheim, wo kein Platz für uns Kinder war. Verwandte gab es nicht, so blieb Mama nichts anderes übrig, als uns in ein Heim ins nahe Schönebeck zu schicken, bis sie 1955 mit der Ausbildung fertig war.“

Die Zeit im Kinderheim war prägend für Urte Blankenstein. Sie sollte auch ihr weiteres Leben beeinflussen. Es war eine schöne Zeit, sagte sie damals zu uns. „Wir gingen gemeinsam mit den Kindern aus der Kleinstadt in die Schule, wir hatten genug zu essen, was damals sehr wichtig war, wir spielten mit den Tieren auf dem heimeigenen Bauernhof, gingen ins Kino. Das alles empfand ich wie ein Ferienlager.“
Frau Puppendoktor Pille: 1968 sprach sie für diese Rolle vor
In dem Kinderheim weckte man bei Urte auch die musikalische Begabung, die Lust am Auftreten auf der Bühne. Und sie kam auf die Bühne und 1968 zu ihrer Rolle, die die Rolle ihres Lebens wurde. „Ich sprach damals beim Kinderfernsehen der DDR für Frau Puppendoktor Pille vor“, sagte Blankenstein damals im KURIER-Gespräch.
Da gab es auch einen Mann, der sie im wahrsten Wortsinn verzauberte: DDR-Star-Magier Peter Kersten (starb 2023). Über das DDR-Kinderfernsehen kam „Zauberpeter“ zu „Frau Puppendoktor Pille“. Blankenstein: „Das war 1981, Peter trat als Zauberer in meinem Bühnenprogramm auf.“

Später ging Urte Blankenstein als seine Assistentin mit dem Magier auf Tournee. „Wir reisten quer durch Westeuropa, waren in Afrika. In Mosambik ließ er mich in einem Schwimmbad auf einem Zehn-Meter-Turm in der Luft schweben. Ich hatte da oben echt Panik!“
Wenn Urte Blankenstein die Geschichten aus ihrem Leben erzählte, war sie so fröhlich. Es machte Spaß, ihr zuzuhören. Auch den Kindern, für die sie sogar an ihrem 80. Geburtstag als Frau Puppendoktor Pille auf der Bühne stand. Und auch für Erwachsene machte sie Programme. Doch die Kinder waren ihr wichtiger.

Urte Blankenstein dachte noch lange nicht daran, den Arztkittel an den berühmten Nagel zu hängen. Warum auch? „Ich habe sehr gute Gründe, um weiterzumachen“, sagt die Künstlerin vor einem Jahr dem KURIER. „Es gibt für mich nichts Schöneres, als für Kinder da zu sein. Die Arbeit mit ihnen macht mir Spaß und hält mich gesund.“
Und doch war jemand stärker als sie und holte nun Frau Puppendoktor Pille für immer von der Bühne. Urte, wie werden dich nicht vergessen! ■