Berlin-Parade am 27. Juli

CSD-Ärger: Berlins Regierender will die Eröffnungsrede nicht halten

Weil Kai Wegner ein Versprechen nicht einhalten kann, gibt es Stress mit den CSD-Organisatoren.  Jetzt verzichtet der CDU-Politiker.

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Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei der CSD-Parade im Juli vergangenen Jahres - mit Bärbel Bas (SPD, Bundestagspräsidentin), Joe Chialo (Kultursenator) und Alfonso Pantisano von der Initiative Queeres Berlin.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei der CSD-Parade im Juli vergangenen Jahres - mit Bärbel Bas (SPD, Bundestagspräsidentin), Joe Chialo (Kultursenator) und Alfonso Pantisano von der Initiative Queeres Berlin.Christian Spicker/imago

Berlins Regierender Bürgermeister bricht mit einer Tradion: Kai Wegner hält diesmal nicht die Eröffnungsrede beim Christopher Street Day. Er sagt zu den Organisatoren: „Ich lasse mich von euch nicht unter Druck setzen!“

Üblicherweise eröffnet in Berlin der Regierende Bürgermeister den Christopher Street Day. Vergangenes Jahr war Kai Wegner erst kurz im Amt und ließ sich das nicht nehmen. Diesmal soll er die Eröffnungsrede nicht halten, hat aber angekündigt, er wolle trotzdem kommen, wie Senatssprecherin Christine Richter mitteilt. Die Stimmung zwischen Wegner und den CSD-Organisatoren war schon einmal besser. Und auch Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sieht Wegners Haltung kritisch.

Der Berliner CSD gilt als eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ) Community in Europa. Die Organisatoren erwarten dazu am 27. Juli rund eine halbe Million Menschen. Vor einem Jahr hatte Wegner den CSD eröffnen dürfen und dabei in Aussicht gestellt, sich für eine Bundesratsinitiative für die Aufnahme von queeren Menschen in Artikel 3 des Grundgesetzes starkzumachen.

Kai Wegner machte eine klare Ansage: „Ich lasse mich von euch nicht unter Druck setzen!“

Die CSD-Verantwortlichen hatten ihn zuletzt mehrfach gedrängt, Wort zu halten und außerdem weitere Forderungen gestellt – unter anderem, Maßnahmen gegen Hasskriminalität weiterzuentwickeln und die Finanzierung dafür zu sichern. Wegner steckt allerdings in einem Dilemma.

Dass er sein Wort gerne halten würde, gilt als sicher. Allerdings hat eine Bundesratsinitiative nur Erfolg, wenn es dafür in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit gibt. Die ist nicht gerade wahrscheinlich – vor allem CDU-geführte Länder dürften schwer dafür zu gewinnen sein. Berlin ist zuletzt 2018 mit einem ähnlichen Vorstoß gescheitert.

Und in der Senatskanzlei gibt es die Befürchtung, bei einem weiteren Fehlversuch sei ein erneuter Anlauf danach dann so gut wie aussichtslos. Wegner würde deshalb lieber erst weiter diskret mit den Länderchefs über das Thema sprechen. Die CSD-Organisatoren hingegen würden eine schnellere Lösung vorziehen.

Am Donnerstagnachmittag haben sie sich mit dem Regierenden Bürgermeister im Roten Rathaus getroffen. Die Gespräche seien sehr konstruktiv gewesen, hieß es von beiden Seiten. Aber am Ende war das Ergebnis dann doch: Wegner eröffnet den CSD nicht, kommen will er aber trotzdem und auf einem Festwagen mitfahren.

Nicht ganz klar sind die Details des Gesprächsverlaufs. Von der Senatskanzlei gibt es dazu keine weiteren Informationen. Nach BZ-Informationen machte ihnen der Regierende eine klare Ansage: „Ich lasse mich von euch nicht unter Druck setzen!“ Er habe dem CSD schließlich mitgeteilt, keine Eröffnungsrede halten zu wollen, sagte Marcel Voges vom CSD-Vorstand dem Tagesspiegel. Auch der Verein habe sich das unter diesen Rahmenbedingungen nicht vorstellen können. „Der Regierende Bürgermeister hat uns nicht glaubhaft darstellen können, dass es entscheidende Fortschritte bezüglich unserer Forderungen gibt.“

CSD-Vorstand möchte eine Änderung des Grundgesetzes

Sozialsenatorin Kiziltepe, die für die Themen Gleichstellung und Antidiskriminierung zuständig ist, geht es mit Blick auf die Bundesratsinitiative ebenfalls nicht schnell genug. Sie hat mit ihrer Senatsverwaltung längst eine Vorlage dafür erarbeitet, die der Senat allerdings noch beschließen müsste. Es geht um Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Nach dem Vorschlag aus der Sozialverwaltung, sollen die fünf Wörter „seiner sexuellen und geschlechtlichen Identität“ hinter der Angabe „wegen seines Geschlechts“ ergänzt werden. „Lassen Sie uns gerade angesichts queerfeindlicher Hetze und des Erstarkens demokratiefeindlicher Kräfte diese Schutzlücke des Allgemeinen Diskriminierungsverbots schließen“, fordert Kiziltepe. „Wenn hier politisch alle einverstanden sind, könnten wir die Bundesratsinitiative sogar kommende Woche beschließen.“

Ob die Berliner CDU sich dazu bewegen lässt, gilt allerdings als unsicher. Und noch unsicherer ist die Zweidrittelmehrheit im Bundesrat – auch weil die Formulierung aus Kiziltepes Verwaltung weit reicht und eine Einigung mit CDU-geführten Ländern nicht erleichtert.■