KURIER klopft an!

VIDEO: Berlins kleinstes Erotik-Paradies – Annerose und ihre intime Gartenlaube

Die kleinste und skurrilste Erotik-Oase Berlins – versteckt im nördlichen Mahlsdorfer Siedlungsgebiet. Annerose Koschinski führt seit 1991 ihren besonderen Sexshop – und erlebt die Berliner Sex-Problemchen hautnah! Der KURIER klopft an, bei Röschens Intimvitrine.

Author - Veronika Hohenstein
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Seit 1991 versorgt Annerose Koschinski mit ihrem kleinen Sexshop Mahlsdorf, aber auch Berliner, Brandenburger und weit gereiste Gäste.
Seit 1991 versorgt Annerose Koschinski mit ihrem kleinen Sexshop Mahlsdorf, aber auch Berliner, Brandenburger und weit gereiste Gäste.Veronika Hohenstein

Es gibt Dinge, die gibt’s gar nicht: In einer kleinen Kleingartenanlage in Mahlsdorf betreibt Annerose Koschinski den kleinsten Sexshop der Hauptstadt. Seit 1991 ist Röschens Intimvitrine eine feste Größe für die Nachbarschaft und Besucher aus ganz Berlin und Brandenburg – und auch die Laden-Chefin ist ein Brandenburger Original! In ihrem frivolen Lädchen ist Erotik mehr als nur ein Geschäft: Besucher machen hier auch eine Zeitreise in die frühen 2000er-Jahre und erleben einen Ort, an dem Intimität und Offenheit großgeschrieben werden.

Geschäfte am Gartenzaun: Vom Schuhladen zum Erotik-Paradies

Man könnte Röschens Intimvitrine leicht übersehen. Ich stehe am Gartenzaun und versuche, einen Blick in die Laube zu erhaschen. Die Tür ist verschlossen, aber ein älteres Poster in einem Schaukasten an der Hauswand zeigt eine entblößte Frau, die mit feschem Blick herüberschaut. Seit Jahrzehnten verführt dieses Model wohl Passanten und Nachbarn zu einem Besuch in die Laube. Ein vorsichtiges Hallo von mir – und schon taucht Annerose zwischen den Blumen auf und lässt mich herein. Im Schaufenster sind weitere erotische Produkte zu sehen, neugierig schaue ich hin. „Womanizer – das haben wir auch“, steht auf einem Schild.

Vor dem Laden erwartet die Besucher ein prächtiger, nackter Gartenzwerg – sein Zipfel hängt lässig im Wind. Seine Freizügigkeit ist wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was in der Gartenlaube auf Kundinnen und Kunden wartet. An der Tür prangt ein gelbes Schild: „Achtung Schwelle!“ Annerose erklärt lächelnd, dass dies wirklich notwendig sei, um Stolperunfälle zu vermeiden. Der kurze Flur ist mit großen Postern geschmückt. Wenn Kleidung vorhanden ist, ist diese oft knapp. Warm halten oder bedecken tut diese nicht.

Wir stöbern uns durch Röschens Intimvitrine – das Sortiment ist vielfältig, üppig, modern und retro zugleich!
Wir stöbern uns durch Röschens Intimvitrine – das Sortiment ist vielfältig, üppig, modern und retro zugleich!Veronika Hohenstein

Die Geschichte von Röschens Intimvitrine: Wie ein Sexshop in den Kleingarten kam

Drinnen kramt Annerose an der Kasse herum. Dann zeigt sie ein seltsames Rad mit Zacken, das wie die Sporen eines Cowboys aussieht. „Da gehen die Männer an die Decke“, sagt sie und kichert. Beim Durchstöbern des Sortiments an der Kasse entdecken wir weitere skurrile und interessante Gegenstände, die unsere Aufmerksamkeit erregen. Doch wie kam es überhaupt zu diesem ungewöhnlichen Geschäft in einer Kleingartenanlage?

Die Geschichte der Intimvitrine begann, als Annerose und ihr Mann ursprünglich einen Schuhladen in der Laube eröffnen wollten. Annerose ist gelernte Schaftstepperin – in Kürze: Sie kann die Arbeit mit der Oberseite des Schuhs –, sie arbeitete also mit Leder. Die Idee des Schuhladens entwickelte sich in eine andere Richtung, als ihr Mann vorschlug, einen Sexshop zu eröffnen. Weder Sauna noch FKK sei damals Anneroses Ding gewesen, verrät sie. Deshalb gewöhnte sie sich anfangs nur langsam an das Geschäftskonzept. „Ich weiß noch, als die erste Lieferung kam, das auszupacken ...“ Sie schüttelt sich. „Ich konnte mir vieles gar nicht angucken. Das war schon speziell.“ Mit der Zeit wuchs sie aber in die Aufgabe hinein.

Das Leben einer Sexshop-Besitzerin in Berlin

Seit über 30 Jahren versorgt sie ihre Kunden nun mit Dildos, Gleitmitteln, Videos, Zeitschriften, Vibratoren und frecher Unterwäsche. Ihre Expertise und Empfehlungen haben schon vielen Paaren zu schönen Stunden verholfen. Viele der Produkte, die es bei Röschens Intimvitrine gibt, scheinen aus einer anderen Zeit zu kommen. Sex wie in der Wendezeit, wie war es damals so? Annerose zuckt mit den Schultern. „Ich würde sagen, dass die Ossis sich schon zu helfen wussten.“ Sie erzählt, dass es im Osten damals nicht wirklich Sexspielzeug gab, „aber dann hat man sich halt was gebastelt“, sagt sie. „Grundsätzlich waren die Ossis schon sehr frei.“

Die kleinste und skurrilste Erotik-Oase Berlins – versteckt in einer Kleingartenanlage. Annerose Koschinski führt seit 1991 ihren besonderen Sexshop – und erlebt die Berliner Sex-Problemchen hautnah!
Die kleinste und skurrilste Erotik-Oase Berlins – versteckt in einer Kleingartenanlage. Annerose Koschinski führt seit 1991 ihren besonderen Sexshop – und erlebt die Berliner Sex-Problemchen hautnah!Veronika Hohenstein

Retro-Pornos und moderne Technik: Anneroses Erfolgsgeheimnis!

Ihr Blick bleibt bei einem der Regale hängen: „Der hat wirklich Power“, sagt sie und zeigt auf einen riesigen Dildo mit „Stoßfunktion“. „Als der geliefert wurde, ging ich raus zu meinem Mann und zeigte ihn ihm sofort“, erzählt sie und lacht. Hier ist nichts peinlich oder heimlich. Während des Interviews wühlen wir uns durch das üppige Sortiment der Intimvitrine. Vor allem die Pornos und Zeitschriften scheinen nicht die neuesten zu sein: Manches wurde wohl tatsächlich in den frühen 2000ern eingekauft.

Aber Annerose meint, dass ausgerechnet das „Retro-Zeug“ Kunden erfreut. So selbstverständlich und professionell wie Annerose heute Besucherinnen und Besucher zu oft sehr intimen Problemchen berät, war es also nicht immer – dieses Wissen hat sie sich über die Jahre beigebracht. „Und auch die Kunden haben mir viel beigebracht. Ich lerne ja auch nicht aus.“ Viele Geschichten, die sich die meisten womöglich sonst nirgends getraut hätten auszusprechen, hat Annerose gehört. In den vier Wänden der Gartenlaube wird mit Intimität komplett transparent umgegangen. Ein angebrachtes Maß an Distanz wahrt sie sich durch das Siezen der Kunden.

Erotik-Oase in Mahlsdorf: Annerose verrät ihre heißen Tipps!
Erotik-Oase in Mahlsdorf: Annerose verrät ihre heißen Tipps!Veronika Hohenstein

Für ein gutes Vorspiel empfiehlt Annerose übrigens Peitsche und Federn – aber nur für Streicheleinheiten. Sonst darf das Erwachsenen-Spielzeug aber auch etwas größer ausfallen. Sie zeigt auf eine andere Verpackung: „Hier habe ich einen ganz Dicken ...“ Bei einer der Glasschränke greift Annerose zu einem blau-lila Werkzeug. „Der hat zwei Motoren und sieben Programme.“ Das Spielzeug scheint wie eine Klammer zu funktionieren. „Das ist wirklich stark, da haben nämlich beide was von“, betont Annerose. Auf den Verpackungen wird für USB-Anschlüsse geworben. „Ja, das ist schon sehr praktisch. Die neueren haben teilweise sogar Wärme. Sehr modern.“

Vor allem die Pornos und Zeitschriften der Intimvitrine scheinen nicht die neuesten zu sein: Manches wurde wohl in den frühen 2000ern eingekauft. Aber Annerose meint, dass das „Retro-Zeug“ Kunden erfreut.
Vor allem die Pornos und Zeitschriften der Intimvitrine scheinen nicht die neuesten zu sein: Manches wurde wohl in den frühen 2000ern eingekauft. Aber Annerose meint, dass das „Retro-Zeug“ Kunden erfreut.Veronika Hohenstein

Röschens Intimvitrine: Wie hat sich das Sexleben der Berliner über die Jahre entwickelt?

Wie das Sexleben der Berliner sich über die Jahre entwickelt hat, kann Annerose schwer einschätzen. Aber ein großer Erfolg in der Sex-Welt sei die Erfindung des Womanizers gewesen, sagt sie. Dieser arbeitet mit Druckwellen – „auch wir haben den.“ Ach ja, die Werbung am Gartenzaun! Das Gerät sei gerade für Frauen ein richtiges Must-have. Annerose bemüht sich aber auch sonst stets um die neuesten Spielsachen: „Man staunt, wie viel Technik und Kreativität da hineingesteckt wird.“ Über die alte Intimvitrine-Ladentheke, die schon Anneroses Eltern in ihrem damaligen Schuhgeschäft nutzten, werden ohne Scham die skurrilsten Gegenstände und Werkzeuge verkauft. Den kleinen Tipp der „Sexpertin“ gibt’s gratis dazu. Etwa diesen: Wenn die Geldbörse es erlaubt, immer zu Produkten aus Silikon greifen! Das Material rieche nicht, fasse sich schön an und sei praktisch, sagt Annerose.

Nur: Wie lange wird es Röschens Intimvitrine noch geben? Klar ist: Das Internet und die Wirtschaftslage machen das Überleben für den kleinen Sexshop schwerer – ein Thema, das Annerose beunruhigt. Aber sie macht erst mal weiter. „Es bringt mir zu viel Spaß!“ Denn klar ist auch: Alle haben ihre Problemchen im Schlafzimmer – und die Wahlberlinerin liebt es, Lösungen zu finden, für jeden. Als der KURIER sich verabschiedet, winkt Annerose mit diesem zangenähnlichen blau-lila Dildo, sie hält ihn noch immer in der Hand. ■