Alliierte Landung

D-Day am Omaha Beach in der Normandie: Strand voller Blut

Bei der Landung der Alliierten in der Normandie waren die Verluste am Omaha Beach besonders hoch. Der Bericht eines US-Majors vom D-Day beschreibt die Grauen des Krieges im Telegramm-Stil.

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US-Soldaten landen am D-Day in der Normandie am Omaha Beach. Der US-Abschnitt war der blutigste der Landungsoperation.
US-Soldaten landen am D-Day in der Normandie am Omaha Beach. Der US-Abschnitt war der blutigste der Landungsoperation.UPI Photo/Imago

Es herrschte trübes Wetter, die See war rau. Doch als sich die Klappen der Landungsboote öffneten, pfiffen Kugeln links und rechts vorbei. Granaten schlugen in Boote oder im Wasser ein. Körper wurden zerfetzt, Stahl barst. Wer es lebend in die Fluten schaffte, musste sich in voller Montur unter Dauerfeuer an den Strand kämpfen – so ist die Landung der Alliierten in der Normandie im Film „Der Soldat James Ryan“ (Originaltitel: Saving Private Ryan) von Steven Spielberg abgebildet. „Die Darstellungen sind sehr realistisch“, erklärt der Potsdamer Militärhistoriker Dr. Peter Lieb. Spielberg habe sich viel mit Berichten von Veteranen der alliierten Landung beschäftigt und habe sich vor allem auf die von Omaha Beach gestützt. 

Nun hat der kanadische Militärhistoriker David O'Keffe anlässlich des 80. Jahrestages des D-Days den Scan eines Berichts eines US-Soldaten auf der Nachrichtenplattform X (zuvor Twitter) gepostet. Darin beschreibt Major Stanley Bach die Landung seines Trupps an dem US-Abschnitt in der Normandie. Das Dokument wurde dabei von Militärhistorikern der US-Armee im November 1944 angefertigt. „1010 - RAMPE RUNTER...KNÖCHELTIEF...WUNDERBARES HANDLING DES BOOTES..GELANDET IN ST. LAURENT-SUR-MER AUF EINFACHEM GRÜNEN STRAND. 1015 - DURCH GEWEHR- UND ARTILLERIEBESCHUSS IN DIE ENGE GETRIEBEN“, berichtet der Verbindungsoffizier der 1. Infanteriedivision dort von der Landung an dem Strandabschnitt. 

Die deutschen Verteidiger hatten den Atlantikwall massiv ausgebaut, mit Stellungen, Bunkern und Minengürteln.
Die deutschen Verteidiger hatten den Atlantikwall massiv ausgebaut, mit Stellungen, Bunkern und Minengürteln.United Archives International/Imago

Bei der Vorbereitung zur Landung am Omaha Beach, ging einiges schief

Der Soldat Bach habe fast noch Glück gehabt, denn er sei mit 10.10 Uhr noch recht spät gelandet, so Historiker Lieb. Die ersten Amerikaner gingen bereits gegen 6.30 Uhr an Land. Dennoch zeigten die Abschriften des Notizbuches, dass auch er ordentlich in Kämpfe verwickelt gewesen sei und wie intensiv sie an diesem Tag waren.

Denn im Vergleich zu den anderen Landungsabschnitten hatten es die US-Soldaten am Omaha Beach besonders schwer. „Dort war es blutiger als anderswo“, erklärt der Historiker. „Da ging einiges schief.“ So richtete die Schiffsartillerie in den deutschen Befestigungen praktisch keine Schäden an. Auch die Bomberflotte, die die deutschen Stellungen im Vorfeld sturmreif bomben sollte, warf aufgrund der Wolkendecke ihre Bombenlast versehentlich dahinter ab.

Durch die Operation Overlord konnten die Alliierten das Material an Land bringen, um Nazideutschland vernichtend zu schlagen.
Durch die Operation Overlord konnten die Alliierten das Material an Land bringen, um Nazideutschland vernichtend zu schlagen.Bridgeman Images/Imago

„Zudem waren die anderen Landungsabschnitte eher flach, während es am Omaha Beach direkt hinter dem Strand Klippen gibt“, so Lieb. Und auch die deutschen Verteidiger hatten ausgerechnet dort die meisten Soldaten konzentriert. Viele Gründe, die dazu führten, dass von den rund 4000 am D-Day getöteten alliierten Soldaten, allein 2000 am Omaha Beach fielen.

„1200 - STRAND FLUT, LEICHEN SCHWIMMEN ... VIELE TOTE AMERIKANER AM STRAND“, notierte Major Bach in sein Notizbuch über das was er sah. „VOLLTREFFER AUF SHERMAN-PANZER, MÄNNER RAUS (?) WIE RATTEN - DIE NOCH LEBEN“, heißt es über den Schuss auf einen Panzer.

US-Soldaten werden Zeuge grausiger Szenen am D-Day

Und auch andere Szenen, brennen sich in das Gedächtnis der meist jungen Männer ein, die so grausam sind, dass man sie sich heute kaum noch vorstellen kann. „WIR SEHEN EINEN MANN AUF DEN KNIEN, WIR DENKEN, ER BETET ODER HAT ANGST, DREHEN IHN UM UND ER IST TOT, GESTORBEN AUF DEN KNIEN BEIM BETEN.“

Dass sich Berichte wie diese bis heute dennoch erhalten haben, liegt vor allem daran, dass die US-Armee den Zweiten Weltkrieg sehr gut dokumentiert hat. „Mitunter sind dort sogenannte Combat Historians, also Kampfhistoriker direkt den Truppen hinterhergereist und haben alles dokumentiert“, erklärt Historiker Peter Lieb. Das sei einer der Gründe, warum wir heute so viel über den D-Day und den Krieg aus amerikanischer Sicht wüssten. Die Briten und Kanadier hätten bei der Landung in der Normandie zwar fast genauso viele Soldaten gestellt, aber ihre Landungen nicht so gut dokumentiert, erklärt der Historiker. „Unsere Sicht auf den D-Day ist die Sicht von Hollywood“, sagt er. Und diese fuße zu einem großen Teil auf den Berichten der US-Truppen.

Zwar hatte Major Stanley Bach scheinbar nicht mit diesen Kampfhistorikern gesprochen, doch sein Notizbuch wurde vom Historical Service dokumentiert. „Der Historical Service hat nicht nur Interviews geführt, sondern auch Schriftstücke und anderes von den eingesetzten Soldaten gesammelt“, so Historiker Lieb.

Deutsche Truppen erwarteten Entscheidungsschlacht am Ärmelkanal

Über die deutschen Soldaten wisse man hingegen deutlich weniger als über die Alliierten. Dennoch ist aus Schriftstücken ersichtlich, dass die Deutschen durchaus die Landung der Alliierten erwarteten. „Man sah es als die Entscheidungsschlacht des Zweiten Weltkriegs“, so Militärhistoriker Lieb. Und die deutschen Truppen und ihre Führung sehnten sie sich gar herbei. Selbst Generalfeldmarschall Erwin Rommel, Oberbefehlshaber Heeresgruppe B und zuständig für die Überwachung der Verteidigungsmaßnahmen am Atlantikwall, der laut Einschätzung von Historikern noch einen vergleichsweise realistischen Blick auf die Situation hatte, war laut Lieb recht optimistisch. 

Einige der Veteranen des D-Day sind noch am Leben und begehen die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der alliierten Landung dieser Tage in Frankreich. Sid Edison (Bildmitte) war bei der Landung der US-Truppen damals dabei.
Einige der Veteranen des D-Day sind noch am Leben und begehen die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der alliierten Landung dieser Tage in Frankreich. Sid Edison (Bildmitte) war bei der Landung der US-Truppen damals dabei.Jeremias Gonzalez/AP

Doch statt die Alliierten vernichtend zu schlagen, endete die alliierte „Operation Overlord“, wie der Codename für die Landungsoperationen in der Normandie offiziell hieß, für die deutschen Truppen mit einer Niederlage. Die Alliierten schafften es auch dank der blutigen Kämpfe am Omaha Beach, einen Brückenkopf in der Normandie zu errichten. Der D-Day sei zwar nicht der alleinige Faktor für den Untergang Nazideutschlands gewesen. „Aber er hat die deutsche Niederlage beschleunigt“, so Historiker Peter Lieb. Auch habe er bestimmt, wie das Nachkriegseuropa ausgesehen habe. Es sei schließlich unklar gewesen, wie weit die Rote Armee nach Mitteleuropa hätte vordringen können, falls die westlichen Alliierten nicht so schnell vorgerückt wären.

Auch durch den Kampf von Soldaten wie Stanley Bach, der 1998 starb, und derer, die am Donnerstag den D-Day als Ehrengäste in Frankreich begehen, gab es auch die westlichen Besatzungszonen, aus denen dann die Bundesrepublik Deutschland entstand. 

Die vollständigen dokumentierten Notizen von Major Stanley Bach finden Sie in diesem Text im englischen Original und in deutscher Übersetzung.