Mit Stimmen der AfD

Brandenburg: Erster Landkreis will Bürgergeldempfänger zu Arbeit verpflichten

Mit den Stimmen der AfD im Kreistag will die Barnimer CDU Stützeempfänger zu Arbeiten für die Allgemeinheit verpflichten.

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
Im Barnim will die CDU Bürgergeldempfänger zu gemeinnützigen Arbeiten in Schulen, Kitas und anderswo verpflichten.
Im Barnim will die CDU Bürgergeldempfänger zu gemeinnützigen Arbeiten in Schulen, Kitas und anderswo verpflichten.IMAGO/Jens Koehler

Schwerin preschte vor, nun will der erste Brandenburger Landkreis nachziehen: So wie Schwerin eine Einführung einer Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger beschloss, sollen, wenn es nach der örtlichen CDU geht, auch in Barnim Hilfeempfänger zu Arbeit verpflichtet werden.

Normalerweise kommen aus dem idyllischen Landkreis um Eberswalde sonst Nachrichten zu Wolfsrissen, dem Schiffshebewerk Niederfinow, oder zur prosperierenden Stadt Eberswalde. Zuletzt war ein Elch aus dem Wildpark Schorfheide ausgebüxt, im Kloster Chorin gibt es Kulturveranstaltungen. Doch nun macht die Barnimer CDU mit knallharten Vorschlägen Schlagzeilen:

Im März soll laut einem Bericht der MAZ eine Beschlussvorlage im Kreistag eingebracht werden. Danach sollen künftig nicht nur Asylbewerber, sondern alle Arbeitslosen, die Bürgergeld empfangen, zu gemeinnütziger Arbeit in Vereinen, Schulen oder Kitas verpflichtet werden. Das sagte der Fraktionschef der CDU im Kreistag, Daniel Sauer, der Zeitung.

Der CDU-Politiker sieht demnach gute Chancen für eine Mehrheit, auch weil er auf die dafür nötigen AfD-Stimmen hofft. „Wir haben entschieden, einen eigenen Antrag einzubringen“, so Sauer. Sollte die AfD dem Antrag zustimmen, sei die Chance für eine Mehrheit groß. Die CDU hat im Barnimer Kreistag zwölf und die AfD 14 Stimmen.

Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion in Barnim: Daniel Sauer
Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion in Barnim: Daniel SauerCDU Bernau

Während CDU-Fraktionschef Sauer von einer Idee als einer „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten spricht, kritisieren SPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund das Ansinnen scharf.

Scharfe Kritik an Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger

„Es ist unsäglich, wie immer wieder das Klischee vom faulen Arbeitslosen ausgepackt wird“, kritisiert Katja Karger, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg. „Die Mehrheit der Leistungsberechtigten ist nämlich gar nicht arbeitslos: Sie stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie Angehörige pflegen, Kinder erziehen, krank oder in Ausbildung sind oder als Aufstocker bereits erwerbstätig sind.“

Aufstocken, weil der Lohn nicht reicht

In Brandenburg müssen allein über 31.000 Beschäftigte mit Bürgergeld aufstocken, weil ihr Einkommen nicht zum Leben reicht. Knapp 13.000 Personen stocken auf, obwohl sie Vollzeit arbeiten. Die Missbrauchsquote beim Bürgergeld liegt lediglich im unteren einstelligen Bereich. Das zeigen Zahlen der Bundesregierung von März 2024, so der DGB Berlin- Brandenburg in einer Mitteilung.

Kurz vor der Bundestagswahl spitzt die Stellvertreterin in der CDU-Fraktion, Ulrike Mauersberger dennoch zu: „Leistungen empfangen, ohne Gegenleistungen zu bringen, schürt Unmut und trifft zu Recht auf Unverständnis.“

Katja Karger hingegen kritisiert das populistische Vorgehen insbesondere der Union: „Zwangsarbeit ist in Deutschland verboten - und zwar zu Recht. Es würde auch niemanden aus dem Bürgergeld holen. (…)“  Brandenburg brauche keine weitere gesellschaftliche Spaltung und kein Treten nach denen, die am wenigsten haben.

René Herzog, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Barnim, blickt mit Sorge auf die offene Kooperation zwischen CDU und AfD im Kreistag: „Die CDU setzt bewusst auf Ressentiments, auf billigen und schäbigen Populismus. Sie paktieren dort ganz offen mit den Spaltern und Hetzern von Rechtsaußen.“

Die SPD im Landkreis wirbt indes für das Ziel, möglichst viele Geflüchtete und Arbeitslose in langfristige und sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen und bezeichnet den CDU-Vorstoß als Wahlkampfgetöse. Die Barnimer CDU schlägt mit ihrer Idee in die Kerbe der Bundes-CDU: Eine bundesweite Arbeitspflicht für die Bezieher der Grundsicherung hatte etwa CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bereits im November gefordert. Im Fall eines Wahlsiegs bei der Bundestagswahl will die Union das Bürgergeld in seiner heutigen Form abschaffen und durch eine neue Grundsicherung ersetzen. ■