Plötzlich steht sie vor einem, Lilith Stangenberg, die mit Abstand beste Theaterschauspielerin, die wir in Deutschland gerade haben. Beim Medienboard-Berlinale-Empfang im schrillen Holzmarkt-Quartier in Berlin erzählte die 35-Jährige dem KURIER, wie sie ihre Rolle im Wettbewerbsbeitrag „Sterben“ von Matthias Glasner anging. In dem ungeheuren Depri-Werk, das am Sonntag Premiere feiert, spielt Stangenberg die trunksüchtige Schwester eines fanatischen Dirigenten. Es geht um eine zerrüttete Familie. Mit dabei sind auch Corinna Harfouch und Ronald Zehrfeld.
Nachmittags auf der Pressekonferenz zur Berlinale-Weltpremiere, abends als Antigone auf der Theaterbühne in Hamburg. Und die Nacht davor – „Klassentreffen“ beim MBB-Berlinale-Empfang von Kirsten Niehuus und Helge Jürgens. Lilith Stangenberg hetzt in diesen Tagen von einem Termin zum nächsten. Am Holzmarkt: Gewusel wie jedes Jahr, überall Lagerfeuer, lärmende Kirmesmusik, funkelnde Imbissbuden und knallige Disco-Beleuchtung.
Unter den Gästen alles, was Rang und Namen hat im deutschen Filmbusiness. Darunter Schauspielerinnen und Schauspieler wie Karoline Herfurth, Nadeshda Brennicke, Jürgen Vogel, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Bibiana Beglau, Franziska Weisz und Nikeata Thompson. Auch Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister von Berlin, schaute vorbei.
Lilith Stangenberg verträgt privat keinen Alkohol
Ronald Zehrfeld stach ein bisschen heraus, er erschien mit rosa Zipfelmütze auf dem Party-Areal an der Berliner Spree. Schließlich lautete der Dresscode für den Abend an frischer Luft: „Schön warm anziehen!“ Zehrfeld entdeckte dann auch gleich Lilith Stangenberg im Gewühl. Beide stellten am Sonntag gemeinsam den Glasner-Film „Sterben“ auf der Berlinale vor, in dem sie die Hauptrollen spielen. Er läuft im Wettbewerb und ist damit im Bärenrennen.
Das Drei-Stunden-Werk war ursprünglich fünf Stunden lang gewesen, musste aber für die Berlinale „eingedampft“ werden, erzählt Lilith Stangenberg. In dem Film spielt sie die Tochter einer sterbenskranken Frau und eines dementen Mannes.

Der Verleih schreibt dazu: „In ‚Sterben‘ geht es um die Familie Lunies, die schon lange keine mehr ist. Erst als der Tod, der alte Bastard, auftaucht, begegnen sie sich wieder. Lissy Lunies (Corinna Harfouch), Mitte 70, ist im Stillen froh darüber, dass ihr dementer Mann Gerd (Hans-Uwe Bauer) langsam dahinsiechend im Heim verschwindet. Doch ihre neue Freiheit währt nur kurz, denn Diabetes, Krebs, Nierenversagen und beginnende Blindheit geben ihr selbst nicht mehr viel Zeit.“
Lilith Stangenberg kam in Prada zum MBB-Berlinale-Empfang
Ihre Rolle sei die der trunksüchtigen Tochter Ellen Lunies, erzählt Lilith Stangenberg in einem Look von Prada. Sie hat keinen Bock auf das System, auf Geld und Erfolg. Sie opponiert gegen den Bruder und ist musikalisch vor allem dann genial, wenn sie trinkt. Natürlich musste Lilith Stangenberg nicht wirklich betrunken am Set erscheinen. „Einmal sollte ich trinken und dann vor die Kamera, aber das geht nicht gut, ich vertrage keinen Alkohol“, sagte die Berlinerin dem KURIER.
„Ich habe mich lange damit beschäftigt, was hinter einem Rausch oder der Trunksucht steckt“, so die Schauspielerin. „Vielleicht ist es der Drang, sich den Gesetzen des Alltags zu verweigern. Vielleicht ist es eine Sehnsucht nach Entgrenzung, vielleicht aber auch eine Art Todessehnsucht.“

Einen Bären erträumt sich Lilith Stangenberg übrigens nicht: „Für diese Rolle bekomme ich bestimmt keinen Preis, außerdem mache ich mir nichts daraus.“ Was schade ist, denn einen Bären hätte sie mehr als verdient mit ihrem brillanten, lyrischen, kapriziösen und selbstzerstörerischen Spiel.
Ein bisschen traurig findet die Castorf-Schauspielerin, wie sich die Lage in den Theatern entwickelt: „Es gibt Samstage, da sitzen in der Volksbühne Berlin gerade mal 100 Zuschauer.“ Schön für Lilith, dass sie zurzeit bei Karin Beier im Deutschen Schauspielhaus Hamburg untergekommen ist. Dort sind die Plätze immer gut verkauft. Für Berlin ist das allerdings eine schlechte Nachricht.

Gespendet wurde beim Medienboard-Berlinale-Empfang dieses Jahr übrigens für minderjährige Geflüchtete. Wenn man an den Imbissbuden kassiert hätte – es gab von Pizza, Stullen, Kaiserschmarrn bis Käsespätzle alles, was der Bauch begehrt –, wäre sogar noch mehr drin gewesen. ■