Die Senatsverwaltung plant auf der Elisabeth-Aue in Berlin-Pankow ein neues Stadtquartier mit bis zu 5000 Wohnungen. Während die erste Etappe nun konkret wird, regt sich vor Ort Widerstand. Doch nicht immer ist durchsichtig, wer welche politischen Interessen vertritt. Ein scheinbar neutraler Flyer mischt derzeit den Pankower Norden auf.
Auf den Buchholzer Festtagen wurden im Juni Flugblätter verteilt, die zu einer Protestkundgebung gegen die Bebauung der Elisabeth-Aue aufrufen. Von „offenem Widerstand“ ist in dem Text die Rede und von „Gesicht zeigen für die Aue“. Doch wer steckt eigentlich hinter dem Aufruf, der auch in vielen Briefkästen in Blankenfelde und Französisch Buchholz landete und die Bürger in ihrer Ablehnung einer massiven Bebauung der Grünfläche abholt?
Ein Anruf bei Oskar Tschörner, der sich seit 2014 mit der Bürgerinitiative Elisabeth-Aue aus ökologischen Gründen für den Erhalt der über 70 Hektar großen Fläche einsetzt: „Unsere Initiative hat mit der Protestkundgebung nichts zu tun“, so Tschörner. Man wolle sich nicht für politische Ziele instrumentalisieren lassen, die man nicht teile. Aber auch Menschen aus dem eigenen Dunstkreis seien auf den Aufruf hereingefallen, so Oskar Tschörner.

Moment mal hereingefallen? Worauf denn? Der Aufruf zum Protest kommt unpolitisch daher. Kein Parteilogo, nur ein Schmetterling ziert den Flyer. Während einer Bürgerinformationsveranstaltung seien „große Bedenken der Anwohner mit scheinheiligen Argumenten vom Tisch gewischt worden“, steht im Text. Und: „Für die Kundgebung hätte sich bereits Gäste aus der Politik bereit erklärt, Rede und Antwort zu stehen.“ Doch wer sind diese Gäste und worüber soll diskutiert werden?
Der CDU-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus für den Pankower Wahlkreis, Lars Bocian, der sich für eine teilweise Bebauung der Aue einsetzt, und eine neue Oberschule und ein Ärztezentrum schnell verwirklicht sehen will, hat jedenfalls keine Einladung zu einer Diskussionsrunde erhalten.
AfD mobilisiert in Pankow, ohne sich zu erkennen zu geben
Er teilt stattdessen auf KURIER-Anfrage mit: „Unter dem Namen „Protestkundgebung Grüner Gürtel Berlins“ tarnt die AfD offenbar eine Wahlkampfveranstaltung und mobilisiert pankow-weit. Ich empfehle, genau zu hinterfragen, wer diese Veranstaltung organisiert und ob damit nicht politische Interessen vertreten werden. Wir brauchen Transparenz und ehrliches Engagement, nicht Fake-Aktionen, die unsere Heimat instrumentalisieren“, so Bocian.
Auch Almuth Tharan und Paul Schlüter, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Pankow, haben keine Einladung bekommen. „Die Grüne Fraktion in Pankow wird auf der Veranstaltung nicht vertreten sein“, schreiben sie. „Hätte es eine Einladung gegeben, hätten wir sie ausgeschlagen: Wir lassen nicht zu, dass sich die AfD mit fremden Federn schmückt. Offenbar möchte die AfD ein Thema kapern, das sie in ihrer bisherigen kommunalpolitischen Arbeit nachweislich kaum bis gar nicht interessiert hat.“
Demo-Veranstalter wollen Politik außen vor lassen
Wir wollen den Veranstalter der Demo fragen, was denn nun hinter der Aktion steckt und er stimmt einem Treffen sofort zu. Vor Ort hat sich eine Handvoll Menschen aus dem Orga-Team versammelt. Der Bauer, dessen Felder von einer Bebauung betroffen wären, ist samt Trecker da, ebenso weitere Anwohner. Sie alle eint ein Misstrauen gegenüber den Senatsparteien, die die Bebauung forcieren. Und die kritisieren eine mangelnde Beteiligung der Bürger vor Ort.
Man habe mit dem Anliegen, in Sachen Aue ernsthaft gehört zu werden, alle Parteien angeschrieben, aber nur von der AfD eine Antwort erhalten, sagt Demo-Veranstalter Uwe Schreckling. Dass Schreckling, wie auch andere Mitstreiter, selber AfD-Mitglied ist, andere wiederum ein BSW-Parteibuch haben, soll in diesem Fall aber eine untergeordnete Rolle spielen, sagt er. Man wolle endlich, dass die Bürger vor Ort ernst genommen werden, so Schreckling. „Wir wollen mit allen Beteiligten vor Ort reden.“ Auch Vertreter anderer Parteien will er zum Dialog bei der Veranstaltung ermuntern. Die Protest-Veranstaltung wollen die Anmelder explizit als unpolitisch verstanden wissen. Aber geht das überhaupt?
Es geht hier nicht um Parteiengeplänkel sondern um die Sache
Auf dem Fest in Buchholz, bei dem die AfD wegen ihrer Einstufung als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz keinen Stand aufbauen durfte, habe ihn ein Vertreter der Partei angesprochen und Unterstützung angeboten. „Wir wollen hier kein Parteiengeplänkel, sondern es geht uns um die Sache, um unsere Elisabeth-Aue“, wird Uwe Schreckling nicht müde zu betonen.
Die AfD ist dennoch bisher die einzige Partei, die den „Bürgeraufstand“, wie ihn die Demo-Macher fordern, unterstützt. Der Pankower AfD-Vorsitzende Jan Streeck teilt auf KURIER-Anfrage mit: „Die AfD-Pankow stellt sich klar gegen jegliche Bebauung auf der Elisabeth-Aue und unterstützt den Bürgerprotest. Wir sind regelmäßig im Austausch mit den Bürgern in Französisch-Buchholz und werden selbstverständlich auch bei der Protestkundgebung am 19.07.2025 vertreten sein.“

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei auch für die AfD ein wichtiges Anliegen. Zuerst sollten dazu aber Flächen im Innenstadtbereich herangezogen werden. In Pankow wären das etwa die Flächen am Pankower Tor oder am ehemaligen Güterbahnhof an der Greifswalder Straße.
Elisabeth-Aue: Erster Planungsabschnitt soll verwirklicht werden
Jetzt wird es ernst an der Elisabeth-Aue: CDU-Mann Lars Bocian will die geplante Schule am liebsten schon 2027/28 eröffnen. Naturschützer Oskar Tschörner baut darauf, dass in einem Rechtsstaat die Umwandlung eines Nichtbaugebiets in Baugebiet nach geltenden Regeln und unter echter Bürgerbeteiligung erfolgt. Die Grünen sprechen sich für eine behutsame Randbebauung am Rosenthaler Weg und für eine neue Schule aus, wenn die verkehrliche Erschließung per Tram gesichert und gewährleistet ist.
Und die AfD macht sich das weit verbreitete Misstrauen gegenüber der Politik zunutze und nimmt sich, manchmal ungefragt und ungewollt, verunsicherter Bürger an. Sie fordert, dass die Elisabeth-Aue Natur bleibt. Denen, die auch so denken, kann es passieren, dass sie auf einer AfD-Demo landen, ohne dass sie es wollten.
Warum man denn auf dem Flyer nicht kenntlich gemacht habe, wo man selber politisch stehe, fragen wir die aufgebrachten Bürger. „Um nicht in die rechte Ecke gestellt zu werden“, sagen sie.