Endlich einmal!

Bar Schwarzsauer: Berliner Gericht stoppt Verdorfung von Prenzlauer Berg

Warum die Entscheidung im Eilverfahren um das Café „Schwarzsauer“ auf der Kastanienallee wegweisend sein muss. Ein Kommentar.

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
Das Café Schwarzsauer mit seiner Biergarten-Terasse. Am Abend wird das Café eine Bar.
Das Café Schwarzsauer mit seiner Biergarten-Terasse. Am Abend wird das Café eine Bar.Pemax/imago

Es ist immer wieder das geiche Spiel. Ein Mieter zieht in eine schöne, teure, sanierte Wohnung im Gründerzeitviertel Prenzlauer Berg. Plötzlich bemerkt er oder sie, dass er mit der wunderbaren Anbindung seiner Wohnung an U-Bahn und Co., netten Restaurants in der Nähe, kleinen Läden und viel Flair auch nächtlichen Lärm im Sommer gemietet hat. Er ärgert sich, er beschwert sich.

Schon viel zu oft haben Kneipenbesitzer in solchen Fällen den Kürzeren gezogen, mussten Tische und Stühle nach 22 Uhr reinräumen, damit Anwohner, die aus freien Stücken in bekannte und beliebte Amüsierviertel zogen, ihre liebe Ruhe bekommen. Das Höher‘s Eck an der nahen Gleimstaße etwa machte nach jahrelangen Beschwerden einer Anwohnerin dicht, es ließen sich weitere Beispiele aufzählen.

Gericht verpasst nörgelnden Anwohnern einen Dämpfer

Doch nun hat erstmals ein Gericht der Verdorfung der Ausgehkieze einen Dämpfer verpasst. Endlich wurde klargestellt: Nicht immer wiegt das Ruhebedürfnis Einzelner schwerer, als die kulturellen Interessen Vieler, auch nicht schwerer als die wirtschaftlichen Interessen der Berliner Kneipiers.

Abendstimmung auf der Admiralbrücke. In einigen Kiezen in Berlin kann es am Abend schon mal länger laut werden.
Abendstimmung auf der Admiralbrücke. In einigen Kiezen in Berlin kann es am Abend schon mal länger laut werden.Annette Riedl/dpa

Berlins Amüsier-Kieze sind schützenswert

Am Beispiel der Bar Schwarzsauer erklärt das Gericht deutlich, dass gewachsene Berliner Ausgehmeilen wie in der Kastanienallee, aber auch im Simon-Dach-Kiez, am Mehringdamm, in der Weserstraße in Neukölln oder an der Admiralsbrücke ihren eigenen Wert haben und schützenswert sind.

Nur weil ein Dutzend schwarzsaure Miese-Mieter mit Unterschriftenlisten wedeln, muss eine Bar wie das Schwarzsauer, die seit 1993 auf der Kastanienallee existiert, nicht gleich die Tische wegräumen. Vorerst darf die Bar nach dem stattgegebenen Eilentscheid die Stühle wieder länger draußen lassen. Der Bezirk Pankow hat keinen Einspruch eingelegt, die Entscheidung ist rechtskräftig. Dennoch würde die Bar gern die Hauptverhandlung durchziehen, man rechnet sich ein Grundsatz-Urteil mit Signalwirkung aus.

Wer den Sound der Großstadt nicht verträgt, muss aufs Dorf ziehen

Der Sound der Großstadt ist in der Innenstadt mit Sirenen, Wegbier-Trinkern, Straßenbahn und Café-Quatschern auf der Straße im Sommer keine Überraschung. Wer ihn nicht haben will, muss woanders hinziehen.

Trubel auf der Kastanienallee in Berlin Prenzlauer Berg. Hier ist zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas los.
Trubel auf der Kastanienallee in Berlin Prenzlauer Berg. Hier ist zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas los.Seeliger/imago

Der Umbau der Stadt zu einer beruhigten Zone darf nicht von einigen Wenigen vorangetrieben werden. Es muss in Berlin Gegenden geben, in denen man auch nach 22 Uhr noch über die Stränge schlagen darf. Berlins Sperrstunde dauert von fünf bis sechs Uhr in der Früh. Alles andere kann und darf in den bunten Kiezen im gegenseitigen Miteinander ausgehandelt werden.

Baue nicht die Stadt nach deinen Vorstellungen um, sondern lerne sie zu verstehen und zu lieben, wie sie gewachsen ist, möchte man den Miese-Mietern zurufen. Berlin ist eine Nummer größer und wilder als dein Wunsch nach friedlicher Nachtruhe, ob es dir nun gefällt oder nicht.

Wie sehen Sie das, darf in Berlin auch mal länger laut auf der Straße gefeiert werden, oder brauchen Anwohner mehr Schutz vor Lärm? Schreiben Sie uns an wirvonhier@berlinerverlag.com