Brotkunst

Bäckerhandwerk – hier gibt es noch Ossi-Schrippen!

Brandenburger Bäckermeister über die kultigen Ossi-Schrippen und die Zukunft des Handwerks. 

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Bäckermeister Tobias Exner stellt seine Backwaren aus Natursauerteig in Handarbeit ohne künstliche Zusatzstoffe nach hauseigenen Rezepturen her. 
Bäckermeister Tobias Exner stellt seine Backwaren aus Natursauerteig in Handarbeit ohne künstliche Zusatzstoffe nach hauseigenen Rezepturen her. Jens Kalaene/dpa

Deutschland ist für seine Brot-Vielfalt bekannt. Im Bäckerhandwerk aber ist die Lage schwierig, viele Betriebe geben auf. Andere wollen umso mehr alte Bäckertraditionen hoch halten und investieren neu.

Es gibt sie noch, die Ossi-Schrippe: Bei Bäcker Tobias Exner gibt es „Ossis“ - sein preiswertestes Weizenbrötchen, das er für 39 Cent anbietet. Doch wirklich kostendeckend ist das nicht. „Wir heben die Preise nicht aus Spaß an“, sagt der Bäckermeister und Brotsommelier Exner aus dem brandenburgischen Beelitz, der um die 280 Beschäftigte hat und mehrere Filialen betreibt. „Wir können im Moment nicht kostendeckend arbeiten.“

Täglich geben in Deutschland zwei Bäcker auf

Handwerksbäcker in Deutschland, deren Brot seit Jahren Unesco-Kulturerbe ist, klagen über hohen Preisdruck, den auch die Kunden im Geldbeutel spüren.

Kein Wunder, wenn dunkle Brötchen mit Körnern für mehr als einen Euro in die Brötchentüte wandern. Das tägliche Brot oder Brötchen ist den Deutschen heilig. Doch immer öfter lohnt sich der Bäcker-Beruf nicht mehr:

„Täglich gehen leider ein bis zwei Bäcker von der Fahne“, sagt Friedemann Berg, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, in Berlin. Im vergangenen Jahr hätten rund 600 Betriebe zugemacht. Die Zahl der Beschäftigten - es sind um die 238.000 - ging deutlich zurück.

In der Bäckerei Exner werden Dinkelbrötchen hergestellt. 
In der Bäckerei Exner werden Dinkelbrötchen hergestellt. Jens Kalaene/dpa

Gestiegene Energiekosten, Personalmangel, Mindestlohn, und ein Bürokratieberg werden als Gründe für die schwierige Lage geschildert. Dazu kommt der Preisdruck durch Discounter und große Unternehmen. Laut der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) machen Großfilialisten fast 30 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

„Zucker ist dreimal so teuer wie vor drei Jahren“, sagt der Brandenburger Bäcker Exner, der sein Sortiment verkleinert hat und auch mal nachmittags früher schließt. „Immer wenn der Deutsche zu wenig Geld hat, spart er an Lebensmitteln.“ Und 2024 könnte es noch mal teurer werden, zumindest in Bäckerei-Cafés, wenn die niedrigere Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie im kommenden Jahr wieder auf 19 Prozent steigt.

Nachts in der Backstube? Personalmangel belastet Bäcker

Vor allem aber haben Bäckereien mit fehlendem Personal zu kämpfen. Die Gewerkschaft NGG nennt Arbeitsbedingungen und Löhne unattraktiv. In der herkömmlichen Backstube fängt die Arbeit nachts an, wenn andere schlafen - da winken viele Leute ab. Eine hohe Zahl von Ausbildungsstellen bleibe unbesetzt, so der Zentralverband. Doch innovative Bäckereien verlagern die Arbeitszeiten in den Tag hinein. Bei Berlins beliebtester Bäckerei „Zeit für Brot“ läuft der Ofen den ganzen Tag über heiß.

Ein weiteres Berliner Problem: Viele Auszubildende, die im dritten Lehrjahr nach bundesweitem Tarif 1085 Euro verdienen, finden keine Wohnung. Bäcker Exner hat inzwischen selber 25 Wohnungen für Mitarbeiter gemietet, auch andere Bäckereien bieten Azubis etwa Wohngemeinschaften an.

Handarbeit hat ihren Preis: Vor allem dann, wenn der Teig mit guten Rohstoffen aus der Region geknetet wird.
Handarbeit hat ihren Preis: Vor allem dann, wenn der Teig mit guten Rohstoffen aus der Region geknetet wird.Jens Kalaene/dpa

„Für Tariflohn bekommt man immer schwerer Gesellen. Viele zahlen was drauf, damit sie ihre Leute halten“, sagt der Referatsleiter bei der Gewerkschaft NGG, Rajko Pientka. Ein Geselle, also nach drei Jahren Ausbildung, verdient im Schnitt nach grober Einschätzung um die 2400 Euro im Monat - in den Ländern ist die Bezahlung nach Tarifvertrag sehr unterschiedlich.

Warteschlangen vor Bäckereien

Aber in vielen Städten wie auch in Berlin öffnen neue Backstuben, die den Zeitgeist mit altem Handwerk treffen wollen. Für Bio-Backwaren mit Dinkel, Roggen, Nüssen, Kräutern stellen sich die Kunden mancherorts in lange Schlangen und geben für handgefertigtes Brot Preise von um die 8 oder 9 Euro je Kilo aus.

Die Verbraucher seien bereit, anzustehen und höhere Preise zu zahlen, wenn sie dafür gute Qualität bekämen - nicht nur in den Großstädten, meint Hauptgeschäftsführer Berg vom Bäckerhandwerk-Zentralverband. „Das Bäckerhandwerk wird keine Billigstrategie fahren können, dazu ist es zu arbeitsintensiv“, meint auch Gewerkschafter Pientka.

Renaissance des Bäcker-Handwerks

Längst sind Bäckermeister auf sozialen Internet-Plattformen aktiv, zeigen ihre Brotkunst auch in Videoclips. „Gutes Brot entsteht durch Hingabe, Erfahrung, Zeit und mit guten Rohstoffen“, schreibt bei Instagram ein junger Bäckermeister aus der brandenburgischen Uckermark, die ein Magnet auch für Berliner Hipster geworden ist. Aber genauso setzt eine moderne Bäckerei im Allgäu ihre Brote mit „einer kompakten Krume“ und „Hand geschlagen“ in Szene.

„Wir erleben eine Renaissance des Bäckerhandwerks“, meint Verbandsgeschäftsführer Berg. Im vergangenen Jahr hätten sich 422 Betriebe neu gegründet. „Um die Zukunft des Bäckerhandwerks muss uns nicht Angst und Bange werden.“