Wer in den vergangenen Tagen auf die Berliner U-Bahn angewiesen war, brauchte sehr, sehr gute Nerven. Zwar fuhren noch Züge, aber nicht nach Fahrplan, der Service war U wie unterirdisch. Auf der Linie U2 fiel teilweise die Hälfte aller Züge aus, auf der Linie U4 verkehrte am Sonntag und Montag nur noch ein einziger Zug und auf die U3 musste man bis zu 30 Minuten warten. Die BVG in einer schweren Krise. Der KURIER fuhr heute Vormittag mit.
Am U-Bahnhof Eberswalder Straße empfängt uns gleich eine durchlaufende Information auf dem Fahrtenanzeiger: „Derzeit sind auf der U2 nicht alle Züge unterwegs. Für längere Wartezeiten bitten wir Sie um Entschuldigung.“ Richtung Pankow stimmt kurz vor 10 Uhr der Takt, alle fünf Minuten kommt eine U2. Richtung Alexanderplatz aber hakt es. Um 9.55 Uhr tut sich eine Lücke von zehn Minuten auf, fünf Minuten wären normal. Wir warten und steigen dann ein.
Züge fahren anders als die BVG-App anzeigt
In den letzten Tagen jagte eine Hiobsbotschaft die andere. Bis zu 50 U-Bahnfahrer der BVG sollen sich übers Wochenende krankgemeldet haben, allein am Sonntag fielen laut Tagesspiegel 69-U-Bahnzüge aus, davon 56 aus „personellen Gründen“. Dazu kommen fehlende U-Bahnwagen, der Fuhrpark ist völlig überaltert und störanfällig.
Am Dienstag scheint sich die Lage aber wieder etwas entspannt zu haben, nur die BVG-App hat davon nichts mitbekommen, sie ist immer noch komplett aus dem Takt. Wir steigen im Bahnhof Alexanderplatz aus und überprüfen, wann die nächsten Züge Richtung Spittelmarkt fahren. Die App zeigt einen 10-Minuten-Takt an.
Doch es scheinen mehr Züge auf der Strecke zu sein, als die App weiß – und das auch noch zu anderen Abfahrtzeiten. Die U2 Richtung Ruhleben, die für 10.26 Uhr angekündigt ist, fährt schon um 10.24 Uhr ein. Die App kündigt den nächsten Zug für 10.36 Uhr an. Doch um 10.29 Uhr taucht im U-Bahnhof eine U2 auf, die es laut App gar nicht gibt.
Zur BVG-Krise kommt die App-Krise. Am Wochenende etwa wurden dort Züge angezeigt, die dann nie fuhren. Es sei bisher technisch nicht möglich, ausfallende Züge automatisch im Fahrgastinformationssystemen anzeigen zu lassen, sagt ein BVG-Sprecher zum KURIER. Spezialisten würden aber derzeit an einer Lösung dieses Problems arbeiten.

Immerhin: Die Anzeigen auf den Bahnsteigen stimmen so einigermaßen. Doch auch hier dehnen sich die Wartezeiten. Richtung Pankow werden aus erst angezeigten vier Minuten plötzlich sechs.
Wer am Dienstagmorgen seine Tour mit Umsteigepunkten per App exakt geplant hatte, war auf jeden Fall aufgeschmissen. Fahrpläne scheinen Makulatur zu sein, die Züge fahren vogelwild. Nicht nur auf der U2. In der App werden für die Linie U8 Richtung Wittenau und Hermannstraße zwar Zeitabweichungen angezeigt, doch die Züge fahren aber immer noch ein bis zwei Minuten eher ein als von der App ankündigt.
Neue U-Bahnen kommen erst 2025
Einzige Ausnahme: die U1 und U3 am U-Bahnhof Warschauer Straße, wo es am Wochenende mit bis zu 30 Minuten die größten Verspätungen gab. Als wir hier gegen Dienstagmittag (nach Fahrplan) auf dem Bahnsteig ankommen, scheint alles ganz normal zu funktionieren. Alle drei Minuten fährt ein Zug Richtung Krumme Lanke und Uhlandstraße – und die Abfahrtzeiten stimmen ausnahmsweise sogar mit der BVG-App überein.
Ein Krisentag lief jetzt wieder so einigermaßen, aber Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde macht wenig Hoffnung, dass die BVG-Krise bald beendet sein könnte – da es von Seiten der Hersteller noch keine verbindlichen Lieferpläne für die dringend benötigen neuen Züge gäbe. „Da davon ausgegangen werden muss, dass neue Fahrzeuge erst im kommenden Jahr in den Dienst gestellt werden, ist der Auftrag an die Führung des Unternehmens möglichst schnell nachhaltige Stabilität in das Angebot der BVG zu bringen“, sagt die CDU-Politikerin.

Bonde versucht, die Berliner zu beschwichtigen. „Trotz der im Moment täglich vorkommenden Verzögerungen und Störungen bei Bussen und Bahnen, weiß ich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG alles tun, um uns Fahrgästen ein möglichst zuverlässiges Angebot zu sichern. Dafür meinen herzlichen Dank und Respekt.“
Erst zum 9. September hatte die BVG die Taktzeiten auf mehreren Strecken wegen fehlender Wagen verlängert. Die U2 soll seitdem nur noch alle viereinhalb statt alle vier Minuten fahren, die U4 nur noch alle sechs bis sieben Minuten. Die U1 fährt frühmorgens und spätabends nur noch zwischen Uhlandstraße und Nollendorfplatz. Aber selbst das alles ist, wie die vergangenen Tage zeigen, schwierig einzuhalten. ■