Für den Berliner Untergrund sieht es düster aus. Die Berliner U-Bahn steckt tief in der Krise. Veränderte Taktzeiten, kaputte Wagen, Krankschreibungen, Unmut über die Geschäftsführung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Einzig die Linie U4 fährt noch planmäßig – im 20-Minuten-Takt.
Von dem früheren 5-Minuten-Takt ist längst keine Rede mehr. Auf den anderen Linien herrscht ebenfalls Chaos. Unzählige Züge fielen in den letzten Tagen völlig unerwartet aus, mit Taktlücken von bis zu 30 Minuten. Besonders betroffen sind die innerstädtischen Verbindungen.
Und: Hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Wie der Berliner KURIER und der Tagesspiegel (Bezahlschranke) berichteten, sollen am vergangenen Wochenende über 50 U-Bahn-Fahrer plötzlich krankgemeldet gewesen sein. Der Grund? Ein „kalter Protest“ gegen die BVG-Spitze, ausgelöst durch Unmut über neue Dienstpläne, fehlende Freizeit und zahlreiche Wochenend- sowie Nachtschichten.
KURIER-Leser diskutierten auf Facebook ziemlich ungehalten über diesen Protest. „Wenn man unzufrieden ist, sollte man das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen. Kommt das nicht zustande oder verläuft unbefriedigend, kündigen. Krankfeiern ist armselig!“, schrieb Michael Wiese. Und Mario Rüdiger ergänzte: „Dieses System ,Krankschreiben‘ hab ich noch nie verstanden. Ist es nicht eine strafbare Erschleichung einer Versicherungsleistung?“
Zuletzt fielen 69 U-Bahn-Züge der BVG aus
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) widersprachen den Vorwürfen zwar teilweise, bestätigten aber die steigenden Krankenstände. Von den besagten 50 Fahrern wollten sie nichts wissen. Über die tatsächlichen Gründe für die Krankmeldungen könne man als Arbeitgeber keine Auskunft geben. Berichte, die Fahrer würden nur aus Protest fernbleiben, wies die BVG energisch zurück. Als Arbeitgeber muss man das selbstverständlich tun. Wenn sich jemand krankmeldet, dann muss man die Krankheit ernst nehmen. Was auch immer dahintersteckt.
Trotzdem: Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Am Sonntag fielen laut Tagesspiegel-Recherche insgesamt 69 U-Bahn-Züge aus – davon allein 56 aus „personellen Gründen“. Weitere sieben Züge waren durch Fahrzeugmangel außer Betrieb, vier fielen mitten im Betrieb aus, und zweimal gab es besondere Vorkommnisse. Besonders betroffen war die Linie U2: Für einen normalen Betrieb werden rund 20 Züge benötigt – vergangene Woche fehlten davon im Extremfall ganze elf.

Aber nicht nur die U2 ist betroffen. Auf der U4 verkehrte am Sonntag und Montag nur noch ein einziger Zug, die BVG sprach von Störungen und kündigte an, die Linie werde „unregelmäßig“ fahren. Tatsächlich fuhr sie nur alle 20 Minuten, was die App der BVG aber verschwieg. Auch auf der U3 waren am Sonntag Lücken von bis zu 30 Minuten an der Tagesordnung. In den sozialen Medien kursieren inzwischen Bilder von Wartezeiten von bis zu 25 Minuten – und das unter der Woche, tagsüber.
BVG wird immer mehr zu einer Berliner Version der Deutschen Bahn
Die BVG hatte bereits im Sommer angekündigt, den Fahrplan zu reduzieren, da schlichtweg die Fahrzeuge fehlen. Doch die erhoffte Entlastung blieb aus. Die Lage eskalierte am vergangenen Freitag, als die Linie U1 komplett eingestellt werden musste. BVG-Chef Henrik Falk versuchte in der RBB-Abendschau die Wogen zu glätten, sprach von „Startschwierigkeiten“ und betonte, die neue Taktung habe sich nach einem holprigen Start stabilisiert. Eine Entschuldigung suchten die Fahrgäste jedoch vergeblich.
Jens Wieseke vom Fahrgastverband zeigte sich entsetzt. „Die BVG wird immer mehr zu einer Berliner Version der Deutschen Bahn. Sie muss grundlegend reformiert werden, damit sie die Leistungen erbringt, die die Berliner benötigen“, wetterte er und forderte umfassende Reformen. Der anhaltende Fahrzeugmangel sei keine neue Entwicklung, sondern ein Problem, das die BVG seit Jahrzehnten begleitet.
Und als ob das nicht genug wäre, gibt es auch bei den lang ersehnten neuen Zügen keine klaren Perspektiven. Im Januar wurde unter großem Tamtam ein Prototyp vorgestellt – doch die tatsächliche Einführung der neuen „J/JK“-Züge verzögert sich. Statt wie geplant in diesem Sommer mit Probefahrten zu starten, hakt es nun an Softwareproblemen. Ein fester Lieferplan? Fehlanzeige. Bis 2026 sollen zumindest einige der neuen Wagen auf den Gleisen sein. Wenn nichts dazwischenkommt. ■