Berliner Irrfahrten

Bahn-Wahnsinn: Warum die Deutsche Bahn nachts Geisterzüge fahren lässt

Abstellanlagen, die es zu DDR-Zeiten gab, wurden nach der Wende stillgelegt. Jetzt hat die Deutsche Bahn ein Problem und muss Züge weit außerhalb übernachten lassen.

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Ein ICE fährt nachts in das ICE-Werk Betriebsbahnhof Rummelsburg.
Ein ICE fährt nachts in das ICE-Werk Betriebsbahnhof Rummelsburg.Christian Soeder/dpa

Christian Anders hat doch recht gehabt. Es fahren Züge nach nirgendwo. Jedenfalls bei der Deutschen Bahn. Weil in Berlin Abstellmöglichkeiten fehlen, lässt die Bahn nachts leere Züge durch die Landschaft kreisen. Züge, die am nächsten Morgen wieder am Berliner Hauptbahnhof auf die Reise gehen. Einer der Gründe: Abstellanlagen, die es zu DDR-Zeiten gab, wurden nach der Wende stillgelegt.

Züge, die am nächsten Morgen in Berlin benötigt werden, müssen in Cottbus, Stralsund oder Hannover übernachten, schreibt die Berliner Zeitung. Auch in Eberswalde, Dresden, Leipzig oder Rostock werden Züge geparkt, die später wieder in Berlin benötigt werden. Das bindet Personal, dringend benötigte Zugführer, und schadet der Öko-Bilanz, wenn für teilweise stundenlange Leerfahrten zusätzliche Energie verschwendet wird.

Berliner Züge werden in Stralsund geparkt

Die Deutsche Bahn hat den Fernverkehr von und nach Berlin in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, doch die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen, nachts müssen Fernverkehrszüge außerhalb von Berlin abgestellt werden. Die Zahl dieser Züge sei aber nicht groß, verteidigt sich ein Bahnsprecher gegenüber der Berliner Zeitung. „Mehr als neun von zehn Fernverkehrszügen, die abends in Berlin ankommen, übernachten auch im Großraum Berlin. Es sind weniger als eine Handvoll Fahrzeuge, die wegen begrenzter Abstellkapazitäten in Berlin an anderen Standorten wie zum Beispiel Cottbus oder Stralsund abgestellt werden.“

Ein Problem, dass die Deutsche Bahn aber selbst mitverschuldet hat. Zu DDR-Zeiten gab es in Berlin große Abstellanlagen, auf denen Züge abgestellt werden konnten, berichten Eisenbahner der Berliner Zeitung.  Als von den 90er-Jahren an die Infrastruktur geschrumpft wurde, um Kosten zu sparen, seien auch in Berlin viele Abstellanlagen stillgelegt worden. Ein Insider zählt auf: „Schöneweide, Pankow, Wuhlheide, Wriezener Bahnhof, Frankfurter Allee, Leninallee, Ahrensfelde, Ostgüterbahnhof Wustermark: abgebaut, verscherbelt.“

Deutsche Bahn: Geisterzüge fahren nachts durch Berlin

Nachts sieht man die leeren Geisterzüge öfters auch auf Berliner Gleisen fahren. Der Bahnsprecher weist aber Berichte zurück, wonach ICE-Überführungsfahrten in der Region Berlin durch Halte künstlich verlängert würden. Doch Eisenbahner, die die Berliner Zeitung zitiert, sehen das anders. „Die nächtlichen Leerfahrten haben mehrere Betriebshalte unterwegs, zum Beispiel in Greifswalder Straße, Köpenick und Diedersdorf.“

Ein Eisenbahner weist auch darauf hin, dass Bauarbeiten zwischen Lichtenberg und Rummelsburg sowie im Raum Nöldnerplatz derzeit Umwegfahrten erfordern. Um von Gesundbrunnen zum Betriebswerk Rummelsburg zu gelangen, fahren ICE zum Teil über Blankenburg, Lichtenberg, Köpenick, Grünau oder sogar via Schönefeld.

Die Visualisierung zeigt, wie der ICE-Boxenstopp in Berlin-Schönholz aussehen soll. Acht Abstell- und Behandlungsgleise sind geplant.
Die Visualisierung zeigt, wie der ICE-Boxenstopp in Berlin-Schönholz aussehen soll. Acht Abstell- und Behandlungsgleise sind geplant.Deutsche Bahn

Bis sich die Leerfahrten reduzieren, wird es aber noch Jahre dauern. Die Deutsche Bahn baut gerade das ICE-Werk in Rummelsburg für 200 Mio. Euro weiter aus und erweitert dabei auch die Abstellkapazität. Inbetriebnahme: 2026. Eine neue Abstellanlage entsteht ab 2026 in Berlin-Schönholz. Inbetriebnahme: 2027. ■