Verbotene Zonen, vom Abseits abgesehen, sollte es im Fußball nicht geben. Vielleicht aber doch. Als Kind und auch noch als Jugendlicher gab es in unseren Spielen einen Spruch, der, sieht man sich die Entstehung des 0:1 am Wochenende in München durch den Elfmeter von Harry Kane im Spiel der Bayern gegen den 1. FC Union an, an Aktualität nichts eingebüßt hat: Ein Stürmer hat im eigenen Strafraum nichts verloren. Der ist für ihn eine verbotene Zone. Das ist, gerade im elitären Fußball, ein bisschen ein Spruch von gestern oder gar vorgestern. Obwohl: Auch bei uns, also bereits vor etlichen Jahrzehnten, sollte im idealen Fall ein Angreifer der erste Verteidiger sein. Nur: Im Fall von Benedict Hollerbach wäre es besser gewesen, die für den Angreifer dann doch nicht zu betretenen 665 Quadratmeter, die der Strafraum ausmacht, tatsächlich zu meiden.
Dafür, dass die Angreifer, vor allem wenn sie ein Gardemaß von 1,91 Metern wie Jordan Siebatcheu haben und damit über Lufthoheit verfügen, ihr Metier im eigenen Strafraum meist nur bei gegnerischen Eckbällen oder Freistößen suchen, verursachen sie verdammt viele Elfmeter. Da ist Hollerbach keine Ausnahme. Es ist fast wie ein Fluch.
Schlimmeres als beim 1. FC Union passierte einst in Kiel
Schlimmer geht es aber immer. Michael Eberwein ist kein Angreifer, kommt aber immerhin im Mittelfeld zum Einsatz. Er kann als einer, der im ersten Moment nicht wusste, was ihm da passierte, das vielleicht kurioseste Beispiel nennen. Der Mittelfeldspieler, am 25. Oktober 2019 im Zweitliga-Heimspiel von Holstein Kiel gegen den VfL Bochum nur Ersatzspieler der „Störche“, dachte sich beim Warmmachen hinter dem eigenen Kasten nichts dabei, den Ball, der bei einem Schuss der Gäste deutlich neben das Tor ging, möglichst schnell zu seiner Nummer 1 zum Abstoß zu spielen. Das Dumme daran war, dass der Ball beim Stande von 1:0 für die Kieler die Torauslinie innerhalb des Strafraumes (!) nicht überschritten hatte und sich deshalb im Spiel befand. Die Folge anstelle eines Abstoßes für Kiel: Gelb für Eberwein und Elfmeter für die Bochumer, den diese zum Ausgleich nutzten.
Zurück zu Hollerbach und seinem Foul. Ein verursachter Elfmeter ist immer blöd. Doppelt blöd aber ist es, wenn er bei einer derart kompakten Defensive, wie die Eisernen sie bis zu diesem Zeitpunkt in dieser Ligasaison zeigten und die sich selbst gegen die Münchner zunächst recht stabil präsentierte, zum 0:1 führt. Erstens ist die Balance ein wenig im Eimer, zweitens wird der Gegner aufgebaut. Der ist im aktuellen Fall mit dem FC Bayern zwar der deutsche Rekordmeister, auch das Team mit der deutlich besten Offensive. Aber wenn es möglichst lange kein Durchkommen gibt, verliert selbst der Tabellenführer ab und an sein derzeit zumindest im Liga-Alltag unerschütterliches Gleichgewicht. Diese Option haben sich die Köpenicker mit Hollerbachs Sinnlos-Grätsche selbst genommen.
Oft, das muss man den Eisernen lassen, sind sie in ihrer bisherigen Bundesligageschichte nicht in die Verlegenheit gekommen, dass ihre Offensivspieler einen Elfmeter verursacht haben. Vor Hollerbach war Marcus Ingvartsen der Sünder, dessen eigentlicher Wirkungskreis am weitesten entfernt vom eigenen Kasten lag. Ansonsten sind es Spieler, die deutlich eher Gefahr laufen, dass der Ball danach auf dem Punkt landet: Rafal Gikiewicz gleich zweimal, auch Christopher Trimmel ist es zweimal passiert, Robin Knoche gar drei- und Diogo Leite sogar schon viermal.

Uli Hoeneß hat auch einen berühmten Elfmeter verbockt
Es ist längst nicht so, dass Benedict Hollerbach allein auf weiter Flur ist. Viel größeren Spielern in deutlich wichtigeren Partien ist dieser Fauxpas bereits unterlaufen. Vor allem Ältere werden Uli Hoeneß auf dem Schirm haben, im damaligen taktischen System eher Halb- denn Stoßstürmer oder Torjäger. Das war in jener Generation Gerd Müller vorbehalten. Ziemlich weit vorn aber hat Hoeneß auch gespielt. 1974 im WM-Endspiel im ersten Moment aber auch ziemlich weit hinten. Im eigenen Strafraum genau, wo er nur nach Sekunden, die Deutschen hatten noch nicht einmal den Ball berührt, ins Duell mit Johan Cruyff ging, den grandiosen Oranje-Kapitän legte und in München den ersten Elfmeter in einem WM-Finale verursachte. Johan Neeskens als Schütze nahm dankend an.
Einen Unterschied zwischen Hollerbach, dem noch verdutzteren Elfmetersünder Eberwein und vor allem Hoeneß aber gibt es wohl. Und zwar einen gewaltigen. Während Union bei den Bayern verloren hat, hat Kiel damals noch 2:1 gewonnen und auch Deutschland ist mit einem 2:1 gegen die Niederlande – mit einem weiteren Elfmeter und dank des unvergleichlichen Gerd Müller – doch noch Weltmeister geworden. ■