Union-Kolumne

Union hat an der Uhr gedreht: Zurück zum zweiten Bundesliga-Spiel

Erst einmal waren die Eisernen bisher Erstliga-Schlusslicht. Der Gegner danach hieß wie jetzt Augsburg.

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Sebastian Andersson trifft am 24. August 2019 in Augsburg gegen Torwart Tomas Koubek zum 1:1. Es ist das erste eiserne Tor in der Bundesliga, der erste Punkt.
Sebastian Andersson trifft am 24. August 2019 in Augsburg gegen Torwart Tomas Koubek zum 1:1. Es ist das erste eiserne Tor in der Bundesliga, der erste Punkt.Matthias Koch/Imago

Neun Niederlagen am Stück, zählt man nur die in der Bundesliga, sind ein ganz dickes Brett. Das wissen sie in Köpenick derzeit am besten. Keine andere Mannschaft in Deutschlands drei höchsten Spielklassen hat sich aktuell so sehr in die Nesseln gespielt wie der 1. FC Union. In der Zweiten Liga hat Eintracht Braunschweig gegen den VfL Osnabrück mit einem 3:2 gerade seinen zweiten Saisonsieg gefeiert und die Rote Laterne an den Verlierer weitergereicht. Der VfL seinerseits hat sieben Runden zuvor den eigentlich großen HSV 2:1 niedergemacht. Selbst der MSV Duisburg als Drittliga-Schlusslicht ist aktuell erst vier Runden ohne Dreier.

Neun Niederlagen haben überhaupt nur zwei weitere der 56 Teams kassiert: Braunschweig und die Zweite des SC Freiburg. Die Eintracht jedoch in 13, die Breisgau-Reserve in 15 Spielen und nicht wie die Eisernen in elf.

Einmal erst waren die Rot-Weißen aus dem Berliner Südosten vor ihrem jetzigen Dilemma Tabellenletzter. Am 18. August 2019 war das. Nach ihren ersten 90 Minuten in der Bundesliga überhaupt. Ein 0:4 hatte es gegeben. Wie jetzt auch.

1547 Tage ohne Rote Laterne An der Alten Försterei

Ein Sonntag war es. Wie jetzt auch. Der Gegner fing mit L an. Wie jetzt auch. Nur ging er nicht mit everkusen weiter, sondern mit eipzig. Das ist 1547 Tage her oder 145 Spielrunden, an denen die Rote Laterne sonst wo hing, ja, einmal sogar auch in Leverkusen. Nur nicht im Stadion An der Alten Försterei.

Christopher Trimmel war dabei und Sheraldo Becker, Michael Parensen noch als Spieler, dazu Trainer Urs Fischer, seine Assistenten Markus Hoffmann und Sebastian Bönig sowie Manager Oliver Ruhnert. Auch Susanne Kopplin, seit Jahren die gute Seele, erlebte die Ernüchterung mit, aber auch das Schütteln danach und vor allem die wundersame Auferstehung.

Nur glich die sportliche Ohrfeige seinerzeit einem Aufprall aus der Aufstiegseuphorie. Nach der ähnlichen Euphorie um das Erreichen der Champions League ist es jetzt ein freier Fall ins Bodenlose und ein unaufhaltsamer Rutsch in immer tiefere Tabellenregionen.

Union hilft nur ein Zurück zu alten Tugenden

Immer mehr hat sich das Gefühl eingeschlichen – auch weil hinten die Null nicht mehr steht, dafür vorn umso öfter –, dass da ein Abstiegskandidat spielt. Das kann für die Mannschaft von Trainer Urs Fischer nur heißen: Alles auf Anfang!

Platz vier vom Vorjahr? Vergessen, Schnee von vorgestern! Die beiden verbliebenen Partien in Europas Königsklasse? Mitnehmen als Chance, um im Rhythmus zu bleiben! Lieber noch einmal dort anfangen, wo die Reise ins Glück begann. Ganz klein und voller Demut: zurück zu alten Tugenden, zu mehr Leidenschaft und Herz.

So war es zuletzt immer wieder: der 1. FC Union ist nach dem nächsten Rückschlag am Boden.
So war es zuletzt immer wieder: der 1. FC Union ist nach dem nächsten Rückschlag am Boden.Matthias Koch/Imago

Es heißt, sich alles erneut zu erarbeiten. Jeder Zweikampf muss so bestritten werden, als hinge davon Sieg oder Niederlage ab. Jeder Freistoß in aussichtsreicher Position sollte wenigstens ab und an das bringen, was er so lange immer gebracht hat – Torgefahr. Jede Ecke erst recht. Wo ist das alles nur hin? Es geht schon lange nicht mehr um Schönheit. Es geht allein um Punkte.

Einen Unterschied zu damals, zu der Roten Laterne von einst, gibt es aber doch. Einen gewaltigen sogar. Tat die Niederlage genauso weh und vielleicht noch mehr, weil erstens völlig unvermutet und zweitens gegen den ausgemachten Lieblingsfeind eingefangen, so hatten die Männer um ihren Kapitän Trimmel und um Torjäger Sebastian Andersson dennoch einen Vorteil.

Ohne die Hilfe der Fans wäre es noch dunkler

Niemand verlangte von ihnen, wenn überhaupt, Siege am Fließband. Der von Fan- und Vereinsseite ausgerufene Slogan „Ein Jahr Urlaub in der Bundesliga“ sorgte für Lockerheit. Für Spaß. Für Understatement. Für freie Köpfe. Zusammen waren das in den folgenden vier Spielzeiten signifikante, in vielen Spielen sogar unschlagbare Trümpfe.

Spaß macht das, was seit Ende August abgegangen ist, niemandem mehr. Trainern und Spielern am allerwenigsten. Das Lächeln ist schon lange aus ihren Gesichtern verschwunden. Der Support von den Rängen – bitte nicht falsch verstehen, er bleibt elementar – gleicht in manchen bitteren Momenten eher Trotz. Ohne ihn wäre die Aussicht jedoch noch dunkler.

Ein Sieg wäre fast wie ein erstes Mal ...

Was Mut macht, ist das nächste Spiel. Dabei ist Augsburg eine harte Nuss, nach dem Trainerwechsel von Enrico Maaßen (fünf Punkte in sieben Spielen) zum Dänen Jess Thorup (acht Punkte in vier Spielen) erst recht.

Das Team aus der Stadt der Puppenkiste aber war auch damals, nach der erstmaligen Roten Laterne, der nächste Gegner. Es gab auswärts ein 1:1. Einiges passierte für die Eisernen in der Bundesliga zum ersten Mal: erstes Tor, erster Punkt. Ein Sieg nach der Länderspielpause wäre ebenso das erste Mal. Zumindest nach langer Zeit. Und vom Gefühl her sowieso.