Er war in Berlin wochenlang nicht nur unter Fußballfans das Stadtgespräch Nummer eins. Lucas Tousart (26) wechselte von Hertha BSC zum 1. FC Union, tauschte also innerhalb der Hauptstadt die Farben und sorgte damit insbesondere bei vielen Blau-Weißen für Unmut. Jetzt spricht der eiserne Mittelfeldmann erstmals über seinen pikanten Transfer.
Etwas Gras ist über die Sache bereits gewachsen, dennoch: Tousart muss bei seiner ersten eisernen Medienrunde verdammt viele Hertha-Fragen beantworten. Doch der Franzose pariert sie alle – mit bemerkenswerter Offenheit: „Ich wusste, dass ich dafür kritisiert werde, und kann die Hertha-Fans verstehen.“
Man sieht Tousart dabei an, dass die krisengeplagte Zeit im Westen nicht spurlos an ihm vorbeiging. Den Abstieg mit Hertha nennt er „sehr schade“. Dabei zeigt sich der Rekordtransfer von Hertha BSC (kam 2021 für 25 Millionen Euro von Olympique Lyon) selbstkritisch: „Ich kam nach Berlin, um international zu spielen. Wir hatten viele Probleme im Klub. Aber auch ich als Spieler trage Verantwortung, dass wir die Ziele nicht erreicht haben.“
Lucas Tousart erklärt Wechsel von Hertha BSC zum 1. FC Union

Die Ironie der Geschichte ist bekanntlich, dass er nun mit dem 1. FC Union in der Champions League spielt – und das auch noch in seinem alten Wohnzimmer, dem Berliner Olympiastadion. „Ich will nicht lügen“, sagt Tousart, „das war komisch und ein besonderer Moment.“
Im Gegensatz zu Andreas „Zecke“ Neuendorf, der vergangenen Sonntag auf Herthas Mitgliederversammlung davon sprach, dass es keine anderen Angebote für Tousart gegeben hätte, sagt er selbst: „Ich hatte auch Angebote aus Italien.“
Lucas Tousart schwärmt von Berlin
Was nach Zoff riecht oder zumindest nach einem Widerspruch klingt, ist aber gar keiner. Tousarts Berater stand mit vielen Klubs im Austausch, die sicherlich mit vielen Versprechungen lockten. Konkret lag bei Hertha nach KURIER-Informationen aber kein Angebot auf dem Tisch. In Italien läuft der Transfermarkt deutlich später an als in Deutschland. Oliver Ruhnert, Manager und Schnäppchenjäger des 1. FC Union, war schlicht schneller – auch weil Tousart ein absoluter Wunschspieler von Cheftrainer Urs Fischer gewesen sein soll.

Bei allem Verständnis, Rücksicht auf die Hertha-Fans konnte Tousart nicht nehmen: „Ich musste aber auch an meine Karriere denken, und Union ist die letzten Jahre ein Topklub der Bundesliga.“
Die Königsklasse, in der Union in der kommenden Woche gegen Italiens Meister SSC Neapel spielt und im Dezember mit Real Madrid den wohl größten Fußballklub empfängt, war ein starkes Argument für seinen Wechsel innerhalb der Hauptstadt. Ein weiteres war Berlin selbst.
Tousart, dessen Augen funkeln, wenn er darüber spricht, dass seine Freundin Blandine im Januar das erste gemeinsame Kind erwartet, schwärmt: „Wir fühlen uns hier einfach wohl. Mir gefällt die Freundlichkeit der Menschen und dass ich mich als Fußballer auch unbemerkt im öffentlichen Raum bewegen kann. In Lyon war das ganz anders.“
Lucas Tousart spielte mit Kylian Mbappé für Frankreich
Holprig war dagegen sein Start beim 1. FC Union. In der Vorbereitung verletzte er sich am Oberschenkel, musste fast sieben Wochen auf sein erstes eisernes Pflichtspiel warten – und steht seitdem immer in der Startelf. Ein Beweis, welch große Stücke Fischer auf Tousart hält.
Das kann man von Didier Deschamps, Frankreichs Nationaltrainer, nicht behaupten. „Mein Ziel, mein Traum war es immer, für Frankreich zu spielen“, sagt Tousart, der bis zur U21 stets, teilweise sogar als Kapitän, für die Équipe Tricolore auf dem Platz stand und damals unter anderem mit dem heutigen Superstar Kylian Mbappé zusammenspielte.
Lucas Tousart glaubt an die Wende beim 1. FC Union
Einerseits ist die Konkurrenz in Frankreich groß. Anderseits waren die Krisenjahre bei Hertha nicht förderlich. „Der Trainer schaut sich vornehmlich die Spieler der Mannschaften an, die auch international vertreten sind“, erklärt Tousart. Dabei weiß er natürlich, dass er jetzt mit dem 1. FC Union wieder in Deschamps’ Fokus geraten kann.
Dafür muss der 1. FC Union wieder in die Erfolgsspur zurück. Tousart glaubt an die Wende nach sieben Pleiten in Folge und vor dem Duell gegen Stuttgart (Sonnabend, 15.30 Uhr): „Wir haben eine negative Dynamik durch die Ergebnisse. Ich bin mir sicher, dass wir es wieder besser machen. Uns fehlt einfach nur ein Sieg. Dann dreht sich alles wieder ins Positive.“