Gern möchte man auf die Profis des 1. FC Union den Spruch anwenden, dass ein gutes Pferd nur so hoch springt, wie es denn unbedingt muss. Obwohl das Pferd – hier im übertragenen Sinne die Spieler – zuletzt nicht einmal so hoch gesprungen ist, dass es das Hindernis überhaupt überwand. Wenn man so will, ist die Latte viermal hintereinander gefallen, wenn mit jeweils 0:1 auch nur knapp. Doch, um wieder zum Fußball zu kommen, knapp verloren ist eben auch verloren.
Gütersloh verliert vor Union-Duell erstmals
Als Entschuldigung mögen alle in Köpenick sagen, dass es bis jetzt noch nicht gar so wichtig gewesen sei, die Spiele zu gewinnen. Allerdings weiß jeder dort, dass es keine bessere Motivation geben kann als Tore und Siege. Irritiert darf man also dennoch sein angesichts einer Vorbereitung, die alles andere als berauschend verlief und die manchem den Angstschweiß auf die Stirn treibt.
Um nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen, bleiben wir bei Horst Heldt. Der Geschäftsführer Profifußball Männer meint, dass man Vorbereitung und den Einstieg in die Pflichtspiele nicht vergleichen könne. Damit meint er die Pokalpartie am Freitag beim FC Gütersloh, dem Tabellenfünften der Regionalliga West, der nach zwei Siegen (2:0 bei Rot-Weiß Oberhausen, 6:3 gegen Bocholt) mit einem 1:3 gegen die Zweite von Fortuna Düsseldorf jüngst seine erste Niederlage einstecken musste.
Gütersloh ist heiß auf den 1. FC Union
Recht hat er. Das sind durchaus zwei verschiedene Paar Schuhe. Allerdings trifft auf den Pokal noch immer das Klischee der eigenen Gesetze zu, wonach die Kleinen den Großen gern eins überbraten. Deshalb: Achtung! Spätestens seit dem Aufstieg in die Bundesliga zählt der 1. FC Union hier ja zu den Großen.

So sehr die Eisernen in ihrer Historie gerade für Sensationen, wenn es um den Cup ging – 1968 Triumph im FDGB-Pokal als einziger Titelgewinn von Tragweite; 1986 Vorstoß ins Finale, als mit dem 1. FC Magdeburg und Dynamo Dresden die beiden Rekordpokalsieger rausgekegelt wurden; 2001 Einzug als Drittligist ins Endspiel um den DFB-Pokal –, gefeiert wurden, souverän waren die Auftritte als Bundesligist keineswegs. Der Sprung ins Halbfinale im Spieljahr 2021/22 ausgenommen. Zwar haben die Rot-Weißen in dieser Zeit die erste Hürde stets übersprungen, viermal aber passierte das nur nach viel Gewürge.
1. FC Union mit Problemem in der ersten DFB-Pokalrunde
Im Sommer 2020 erlöste Nico Schlotterbeck die Rot-Weißen in Karlsruhe mit dem goldenen Tor erst in Minute 118; zwölf Monate später reichte ein Treffer von Max Kruse zum 1:0 bei Türkgücü München; wieder ein Jahr später gelang Kevin Behrens beim Chemnitzer FC der 2:1-Siegtreffer in Minute 114; in der vorigen Saison half ein Sonntagsschuss von Yorbe Vertessen zum 1:0 in Greifswald und zum schmeichelhaften Weiterkommen dort. In der Mehrzahl kamen die Gegner aus der Regionalliga. Wie jetzt Gütersloh …
Eines sollte jedem Eisernen klar sein: Ab jetzt wird noch genauer gemessen! Vor allem auch genauer hingeschaut. Schludrigkeiten, mögen sie noch so winzig sein, gehen nicht mehr mit einem Lächeln oder einem Achselzucken durch. Da darf es dann auch schon mal etwas lauter werden untereinander, um nicht nur so lala abzuliefern. Wie unangekündigt sich die Spirale nach unten bewegen kann, ist im Berliner Südosten schon lange kein Geheimnis mehr. Manchmal kann man davon schneller überrumpelt werden als durch einen Konter wie aus dem Lehrbuch.
Pokal-Aus wäre für Union eine Riesenhypothek
Vor allem auch hat der Grad einer Blamage viel größere Wucht. Die Häme, das Mit-dem-Finger-auf-einen-zeigen impliziert den Preis der Lächerlichkeit. Eines nur wäre in einem solchen Fall erstklassig: Platz 1 in den Sportnachrichten. Der deutlich unterklassige Gegner wäre, so wie es die Köpenicker seit Februar 2001 im Fall von Borussia Mönchengladbach sind (kaum einer, der sich nicht an das bei Eiseskälte ausgetragene epische Elfmeterschießen im Halbfinale erinnert), auf immer der 1.-FC-Union-Bezwinger.